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3.Versuch und Rücktritt

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143Bei Versuchskonstellationen kann zunächst die Frage Bedeutung erlangen, wie sich das (etwaige) Vorliegen eines Regelbeispiels auf den Versuchsbeginn auswirkt. Ferner kann zu erörtern sein, wie Konstellationen zu behandeln sind, in denen § 242 oder ein Regelbeispiel des § 243 nicht vollendet ist.

144a) Liegt schon kein unmittelbares Ansetzen zu § 242 vor, so kommt § 243 von vornherein nicht zur Anwendung. Der Beginn der Verwirklichung eines Regelbeispiels begründet dabei noch kein unmittelbares Ansetzen zu § 242365, weil Grundtatbestand und Strafschärfung – nicht anders als bei Qualifikationstatbeständen – insoweit getrennt zu betrachten sind366. Auch können Merkmale wie die Gewerbsmäßigkeit i. S. d. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, die nicht die Tatausführung selbst betreffen, für das unmittelbare Ansetzen von vornherein keine Bedeutung erlangen367. Stuft man § 243 als Strafzumessungsregel ein, so wäre ein anderes Ergebnis auch im Hinblick auf das Analogieverbot bedenklich, da für das unmittelbare Ansetzen nach § 22 der gesetzliche Tatbestand maßgeblich ist368.

Bsp. (1):369 T beginnt mit dem Aufbrechen des Seitenfensters einer Gaststätte, um dort einzudringen und mitnehmenswerte Gegenstände zu entwenden; der Einbruch misslingt jedoch.

Bsp. (2):370 T hebelt die Terrassentür eines Einfamilienhauses auf, um stehlenswerte Gegenstände zu entwenden. Nach dem erfolgreichen Aufhebeln wird er entdeckt und flieht.

Bsp. (3):371 T möchte einen Zigarettenautomaten aufbrechen, um Zigaretten und Bargeld zu entnehmen. Er verhüllt ihn mit einer Plane, um Geräusche beim Aufbrechen zu dämpfen. Jedoch findet er keine Steckdose, um den bereits gelegten Trennschleifer in Betrieb zu nehmen.

In allen drei Fällen kommt mangels Wegnahme einer Sache nur ein versuchter Diebstahl in Betracht, wobei sich die Frage stellt, ob überhaupt ein unmittelbares Ansetzen zu § 242 vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn der Angriff auf den Schutzmechanismus bereits begonnen hat (und nicht lediglich vorbereitet wurde) und anschließend aus Sicht des Täters der ungehinderte Zugriff auf die in Aussicht genommenen Gegenstände erfolgen kann; nicht erforderlich für das unmittelbare Ansetzen zur Wegnahme ist, dass der angegriffene Schutzmechanismus auch tatsächlich erfolgreich überwunden wird. In Bsp. 1 liegt entgegen der dort vertretenen Ansicht des BGH372 damit noch kein unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme vor, weil nicht ersichtlich ist, dass nach Aufhebeln des Fensters ohne weitere Zwischenakte die Wegnahme von Stehlenswertem erfolgen konnte. Entsprechendes gilt auch in Bsp. 2, wobei der BGH hier zutreffend darauf verweist, dass das Aufbrechen dann der Wegnahmehandlung zeitlich und räumlich unmittelbar vorgelagert sein und aus Sicht des Täters ohne weitere Zwischenschritte in die Diebstahlshandlung münden muss, was letztlich eine Frage des Einzelfalles ist373. Daher hat der BGH in einem anderen Fall zu Recht ein unmittelbares Ansetzen zur Tat verneint, in dem der Täter mit dem Aufbohren der Terrassentür gescheitert ist374. In Bsp. 3 wird man dem ein unmittelbares Ansetzen bejahenden BGH hingegen folgen können, da mit der Abdeckung des Automaten bereits der Aufbruch begonnen hatte, so dass der Zugriff auf konkretisierte Gegenstände unmittelbar anschließend erfolgen konnte und weitere Zwischenschritte – wie die Suche nach Diebesbeute – nicht erforderlich waren375. Soweit der Täter sein Einbruchswerkzeug jedoch lediglich ausgepackt hätte, wäre hierin nur eine straflose Vorbereitungshandlung zu sehen gewesen.

145Liegt zwar ein unmittelbares Ansetzen zum Grundtatbestand vor, so folgt daraus umgekehrt ebenfalls nicht zwingend der Versuchsbeginn hinsichtlich eines Regelbeispiels. Vielmehr ist das unmittelbare Ansetzen auch insoweit gesondert zu beurteilen376.

146b) Die Problematik von Versuch und Regelbeispiel lässt sich am besten anhand eines Vergleichs zwischen dem Einbruchsdiebstahl gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und dem Wohnungseinbruchsdiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 (Abs. 4), der bis zum 6. StrRG 1998 noch von § 243 erfasst wurde, darstellen. Dabei sind drei Konstellationen zu unterscheiden:

147aa) Recht unproblematisch ist die Konstellation des versuchten Grunddelikts und des vollendetes Regelbeispiels.

Bsp.: T bricht in einen Geschäftsraum i. S. d. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ein; bevor er die Beute an sich nehmen kann, wird er gestellt, so dass es nicht mehr zur Wegnahme und damit zur Vollendung kommt.

148Wird die Indizwirkung nicht widerlegt, so liegt ein versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 22, 23 vor377. Dabei ist die Strafe richtigerweise gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 zu mildern378. Hierfür spricht, dass sich § 243 auf den § 242 insgesamt, mithin auch auf die in Absatz 2 geregelte Versuchsstrafbarkeit bezieht379. Wäre der Täter statt in einen Geschäftsraum in eine Wohnung eingebrochen, so läge entsprechend ein versuchter Wohnungseinbruchsdiebstahl nach §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 3 (Abs. 4), 22, 23 vor.

149bb) Im Unterschied zur ersten Konstellation ist bei der zweiten Konstellation neben dem Grundtatbestand auch das Regelbeispiel nur in das Versuchsstadium gelangt. Dabei ist zu beachten, dass es nach h. M. auch hier um die Frage nach einem versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall geht; den „Versuch eines besonders schweren Falles“ soll es nicht geben380.

Bsp.: T war gerade dabei, in den Geschäftsraum einzubrechen, als er bemerkt, dass die Tür offen teht. Er wird von der Polizei überrascht, bevor er etwas mitnehmen kann.

150(1) Die h. M. lehnt es ab, die Indizwirkung bereits an die versuchte Verwirklichung des Regelbeispiels zu knüpfen. Dies wird überwiegend damit begründet, dass ein Versuch eines Regelbeispiels nicht existiere, weil gemäß § 22 nur das unmittelbare Ansetzen zur Verwirklichung eines Straftatbestandes einen Versuch begründen könne381. Es stelle eine von Art. 103 Abs. 2 GG verbotene Analogie dar, § 22 auf Strafzumessungsregeln anzuwenden382. Aus der Gegenschlusswirkung der Regelbeispiele folge zudem, dass der Unrechtsgehalt eines vollendeten Regelbeispiels nicht erreicht sei383.

151(2) Die Gegenansicht bejaht hingegen die Indizwirkung384, da aus § 23 Abs. 2 folge, dass für eine versuchte Tat grundsätzlich dieselbe Strafdrohung gelte wie für eine vollendete Tat385. Die Regelbeispiele seien zudem tatbestandsähnlich und unterschieden sich nicht tiefgreifend von selbstständigen Qualifikationstatbeständen386. Besitzt der Täter bei § 244 Abs. 1 Nr. 3 (Abs. 4) Tatentschluss hinsichtlich der Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals, dann macht er sich wegen eines versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls strafbar, wenn er unmittelbar hierzu ansetzt. Vom Standpunkt der Tatbestandslösung ist die Annahme der §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 22 sogar zwingend. Der Einwand, dass damit der bloße Tatentschluss, der im Schweregehalt hinter einem vollendeten Regelbeispiel zurückbleibt387, sanktioniert wird, überzeugt nicht, weil der Strafrahmen des § 243 nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 gemildert werden kann388. Mit § 243 wird dem gegenüber § 242 erhöhten Handlungsunrecht hinsichtlich des versuchten Regelbeispiels Rechnung getragen389, mit der hierauf bezogenen Strafmilderungsmöglichkeit dagegen dem gegenüber der Vollendung verringerten Erfolgsunrecht. Die neuere Rechtsprechung des BGH, wonach der Versuch des Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Var. 1 die Indizwirkung nicht herbeiführt, kann nicht verallgemeinert werden, da dort das Regelbeispiel ausnahmsweise selbst den Eintritt des Erfolges verlangt390.

152cc) Die dritte Konstellation unterscheidet sich von den beiden ersten Fallgruppen dadurch, dass das Grunddelikt vollendet ist. Umstritten ist wiederum, ob ein versuchtes Regelbeispiel Indizwirkung entfalten kann, so dass ein besonders schwerer Fall anzunehmen ist.

Bsp.: T ist dabei, in den Geschäftsraum einzubrechen, als er bemerkt, dass die Tür offensteht. Es gelingt ihm, eine beträchtliche Menge Bargeld zu erbeuten.

153Die h. M. verneint hier § 243 ebenfalls391, da es bei einem versuchten Regelbeispiel gleichgültig sei, in welchem Stadium sich das Grunddelikt befinde392. Anders als in der zweiten Konstellation lässt jedoch auch der BGH den Versuch des Regelbeispiels nicht ohne weiteres ausreichen393. Nach der vorzugswürdigen Gegenansicht tritt die Indizwirkung dagegen ein, so dass §§ 242, 243, 22, 23 mit der Milderungsmöglichkeit nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 zur Anwendung gelangen394. Wenn der Versuch des Regelbeispiels schon beim versuchten Grunddelikt die Indizwirkung auslöst, so kann sich daran nichts mehr ändern, wenn das Grunddelikt später sogar vollendet und größeres Unrecht verwirklicht wird395.

Beachte: Bei § 244 Abs. 1 Nr. 3 (Abs. 4) wird in solchen Fällen eine Strafbarkeit wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit einem Diebstahl gemäß § 242 befürwortet, um die Vollendung des Grunddelikts zum Ausdruck zu bringen396. Folgt man konsequent der Tatbestandslösung, muss man für § 243 zu einem entsprechenden Ergebnis gelangen397.

154c) Was einen etwaigen Rücktritt vom Versuch anbelangt, kann der Täter vom versuchten Diebstahl i. S. d. § 242 auch dann zurücktreten, wenn er in dieser Phase bereits ein Regelbeispiel verwirklicht hat398. In diesem Fall ist er straffrei, so dass es auf § 243 nicht mehr ankommt. Gibt der Täter nur den Versuch eines Regelbeispiels auf, so ist auch ein Teilrücktritt nach § 24 (analog) zuzulassen399; er kann dann nur aus dem Grundtatbestand bestraft werden.

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