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b) Die Verantwortlichkeiten des Ausschusses

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In der Verfassung von 2000 wurden die Hauptaufgaben des Grundgesetzausschusses ausdrücklich geregelt. Art. 74 der Verfassung besagt:

„Aufgabe des Grundgesetzausschusses des Parlaments ist es, ein Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit der ihm zur Beratung überwiesenen Gesetzesentwürfe und anderen Angelegenheiten sowie über ihr Verhältnis zu internationalen Menschenrechtsverträgen abzugeben.“

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Wie ausdrücklich in Art. 74 der Verfassung festgelegt, kann die verfassungsrechtliche Überwachung auch andere Angelegenheiten als Gesetzesvorschläge betreffen. Seit 1995 besteht eine wichtige Gruppe solcher Angelegenheiten aus Fragen, die in der Europäischen Union beraten werden. Art. 96 der Verfassung bestimmt, dass die Regierung das Parlament über Vorschläge für Gesetze, Vereinbarungen und andere Maßnahmen, die in der Europäischen Union beschlossen werden und die anderenfalls, gemäß der Verfassung, in die Zuständigkeit des Parlaments fallen würden, unterrichten soll. Über solche Vorschläge berät dann der Große Ausschuss oder, falls die Sache an die Außen- und Sicherheitspolitik anknüpft, der Auswärtige Ausschuss. Zusätzlich dazu gibt Art. 97 der Verfassung dem Auswärtigen Ausschuss das Recht, von der Regierung auf Anfrage und, wenn anderweitig notwendig, Berichte bezüglich außen- und sicherheitspolitischer Angelegenheiten zu erhalten, und dem Großen Ausschuss ein entsprechendes Recht, Berichte hinsichtlich der Vorbereitungen anderer Angelegenheiten in der Europäischen Union zu erhalten. Falls die Angelegenheit, die zur Diskussion steht, die Verfassung berührt, ruft der Auswärtige Ausschuss oder der Große Ausschuss den Grundgesetzausschuss hinzu. Beispielsweise machten 1999 bis 2003 EU-bezogene Fragen rund 20% aller Gegenstände aus, die dem Grundgesetzausschuss zur verfassungsrechtlichen Überprüfung vorgelegt wurden.[24]

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Im Verhältnis zwischen internationalem und nationalem Recht folgt Finnland dem dualistischen Modell. Fragen, die internationale Verträge und andere internationale Verpflichtungen betreffen, können einer Verfassungskontrolle in zwei Fällen unterzogen werden: hinsichtlich der Notwendigkeit einer Anerkennung der Verpflichtung durch das Parlament[25] und hinsichtlich des Verfahrens, das für die Verabschiedung des Inkorporationsgesetzes nötig ist, d.h., ob eine einfache Mehrheit ausreicht oder ob das Gesetz als Ausnahmegesetz verabschiedet werden muss.

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Die Verfassungskontrolle von Gesetzesvorschlägen betrifft sehr häufig Grundrechtsangelegenheiten. Bis in die achtziger Jahre bezogen sich die Berichte des Grundgesetzausschusses am häufigsten auf das Eigentumsgrundrecht. Seit der Grundrechtsreform von 1995 hat sich das deutlich gewandelt. In der Legislaturperiode 2000 bis 2004 waren die beiden Grundrechte, auf die am häufigsten Bezug genommen wurde, das Grundrecht auf Privatleben (Art. 10) und das Grundrecht auf ein faires Verfahren (Art. 21). Das zweite wichtige Thema der Verfassungskontrolle neben den Grundrechten war die Delegation der Gesetzgebungsbefugnis (Art. 80).[26]

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Die Verfassungskontrolle ist die wichtigste, aber nicht die einzige Aufgabe des Grundgesetzausschusses. Zusammen mit anderen Ausschüssen des Parlaments nimmt der Grundgesetzausschuss auch an der grundlegenden Beratung von Gesetzesvorschlägen teil. Die Verfahrensordnung bestimmt, dass Fragen, welche die Verabschiedung, Abänderung oder Aufhebung der Verfassung betreffen, durch den Grundgesetzausschuss vorbereitet werden sollen (Art. 32 Abs. 4). Gemäß den Vorschriften, die durch die Präsidialkonferenz erlassen worden sind, soll auch die Vorbereitung anderer Gesetzgebungsvorhaben, die eng mit der Verfassung verbunden sind, in die Verantwortung des Ausschusses fallen. Solche Gesetzgebungsvorhaben können sich auf Wahlen, wichtige verfassungsrechtliche Körperschaften, die Staatsbürgerschaft, politische Parteien, Sprachenrechte, politische Grundrechte oder die Selbstverwaltung der Ålandinseln beziehen.[27] Der Grundgesetzausschuss ist auch für die vorbereitende Beratung einiger Berichte an das Parlament verantwortlich. Diese schließen den jährlichen Bericht der Regierung über ihre Tätigkeit sowie die jährlichen Berichte des Justizkanzlers[28] und des Ombudsmannes ein. Falls ein Amtsenthebungsverfahren gegen einen Minister oder den Ombudsmann oder den Justizkanzler im Parlament diskutiert wird, so fällt auch dessen vorbereitende Beratung dem Grundgesetzausschuss zu.

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Bis zu den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts bildeten Fragen, bei denen der Grundgesetzausschuss für die grundlegenden Vorbereitungen verantwortlich und somit in der gleichen Rolle wie andere Parlamentsausschüsse war, klar die Mehrheit auf seiner Agenda. Seit Anfang der Neunziger beherrscht die Verfassungskontrolle die Arbeit des Ausschusses. In der Legislaturperiode von 1979 bis 1982 befassten sich nur 34 von 164 Berichten mit der Verfassungskontrolle, in den Jahren von 2003 bis 2006 hingegen war das Verhältnis 187 zu 224. Die neue Bedeutsamkeit der Verfassungskontrolle zeigt sicherlich eine erhebliche Veränderung in der Verfassungsrechtskultur an, vor allem im Bewusstsein der Bedeutung der Menschenrechte und der verfassungsmäßigen Grundrechte. Auf einer konkreteren Ebene ist sie mit bedeutsamen verfassungsrechtlichen Geschehnissen wie etwa der Ratifikation und Inkorporation der Europäischen Menschenrechtskonvention im Jahr 1990, dem Beitritt Finnlands zur Europäischen Union 1995, der Grundrechtsreform von 1995 und dem Inkrafttreten der neuen Verfassung im Jahr 2000 verbunden.

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