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Berlin, Potsdamer Platz

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Jeremy war früh aufgestanden, weil er nicht mehr schlafen konnte. Nach zwei Aspirin, einem kontinentalen Frühstück und einem kurzen Fitnessprogramm im Olympus Spa auf dem Dach des Hotels hatte er beschlossen, sich die Zeit bis zum Mittag mit einem weiteren Spaziergang zu vertreiben. Der Tag war sonnig, Jeremys Kopf nun wieder klar, und es war sein letzter Tag in Berlin.

Er verließ gut gelaunt das Hotel, schlug den gleichen Weg wie die Nacht zuvor ein, überquerte den Potsdamer Platz, bog dann aber von der Ebert- in die Voßstraße ein. Der Tag war wirklich herrlich. Er ertappte sich dabei, wie er eine Melodie vor sich hin pfiff. I feel good in a special way, I’m in love and it’s a sunny day ... Er schmunzelte. In love? Das war doch wohl etwas übertrieben. Dennoch: Good day sunshine! Im Gehen versuchte er, Mie anzurufen, erreichte sie aber nicht, was seine Laune ein wenig dämpfte. Dann versuchte er Cathy anzurufen. Erreichte sie nicht. Bei ihr sprang immerhin die Mailbox an, doch Jeremy sprach nur ungern auf Anrufbeantworter. Später.

Zwischen dem Restaurant „Peking Ente“ und dem graubraun glitzernden futuristischen Klotz der tschechischen Botschaft klingelte sein Handy. Mie? Cathy? Nein – J. D. Seufzend nahm Jeremy den Anruf an. Er erwartete, dass J. D. wegen Jeremys plötzlichen Verschwindens ungehalten sein könnte, aber zu seiner Überraschung erwähnte J. D. die ganze Sache mit keinem Wort. Möglicherweise war J. D. sein gestriger Zustand peinlich. Außerdem war J. D. ja ein Koreaner, der stets auf die Wahrung der traditionellen Werte von Gibun und Nunchi achtete, die für Nichtkoreaner schwer zu begreifen sind. Wichtig ist in ihrem Zusammenhang, sich stets um eine harmonische, respektvolle Beziehung zum anderen, den höflichen, zurückhaltenden Umgang und die Wahrung des inneren Gleichgewichts zu bemühen und in diesem Sinne alles zu vermeiden, was zu Irritationen führen könnte.

„Gratuliere“, posaunte Jeremy ins Telefon. „Ich würde sagen, Sie haben diesmal ins Schwarze getroffen!“

„Ja?“ J. D. wirkte ein wenig überrascht.

„Ich bin entschlossen, Mie Chang die Rolle zu geben. Sie hat mich überzeugt. Genau das, was ich gesucht habe.“

„Ist das nicht etwas vorschnell? Ich meine, ihre Referenzen ...“

„Sie haben selbst gesagt, dass sie gut Schauspielen kann, ich teile diesen Eindruck und das reicht mir. Sie können also gleich die Verträge fertig machen. Rufen Sie sie bitte umgehend an und erinnern Sie sie bitte auch daran, dass wir uns heute treffen wollten.“

J. D. zögerte kurz. Dann, wie aus der Pistole geschossen: „In Ordnung, sehr verehrter Herr!“ Jeremy legte auf und atmete durch. Vielleicht gelang es J. D. ja besser, sie zu erreichen.

Aus einer grauen Gittertür hinter einer Parkplatzzufahrt rechts kam mit überhöhter Geschwindigkeit ein schwarzer Mercedes geschossen und bog am Zietenplatz in die Mohrenstraße ein. Jeremy war gerade noch rechtzeitig zur Seite gesprungen. Er warf dem Auto einen wütenden Blick nach und sah, dass neben dem Nummernschild der Aufkleber „CD“ prangte: Diplomatenkennzeichen. Typisch. Die brauchen sich nicht um Verkehrsvorschriften zu scheren, sind ja immun – wenn auch nicht gegen Unfälle.

Hinter dem Tor ein hellgrauer, etwas heruntergekommen wirkender Plattenbau. Auf der Seite zum hoch umzäunten Hinterhof hin, aus dem das Auto gekommen war, hing einsam und schlaff ein trostloser Basketballkorb. Ein zweiter lag demontiert daneben. Neugierig geworden umrundete Jeremy das graue Gebäude mit seinen dunkel türkisfarbenen Fensterfronten und blieb vor einem seitlich neben dem Vordertor an der Glinkastraße angebrachten Schaukasten stehen, in dem ein paar alte Fotos hingen. Der ungelenk und grammatisch fehlerhaft formulierte Begleittext handelte vom 15. April, dem Geburtstag der „großen Sonne“, und endete mit den Worten: Unter kluger Führung des hoch verehrten Generalobersts Kim Jong Un verwirklicht Songun-Korea weit reichende Zukunftspläne und Ideal. Der in der Geschichte jährlich zu begehende Tag der Sonne wird auf ewig als der größte Feiertag der Kim-Il-Sung-Nation und ein gemeinsamer Frühlingsfesttag der Menschheit bleiben.

Oben vorm Schaukasten ein goldenes Metallschild: „Botschaft der demokratischen Volksrepublik Korea“. Darüber die rot-blau-weiße Fahne. Das Land schien Jeremy zu verfolgen. Good day sunshine! Zeit, dass er seinen Thriller fertig bekam.

Einer spontanen Anwandlung folgend drückte er auf den Klingelknopf neben der Tür. Schließlich schien es J.D. ernst damit zu sein, für sie beide eine Reise dorthin organisieren zu wollen, und da konnte es, wenn er schon einmal hier war, nicht schaden, sich die üblichen Touristikbroschüren mit Einreisebedingungen geben zu lassen; dafür waren Botschaften auf der ganzen Welt ja da. Während er wartete, warf er einen Blick durchs Gittertor. Das Gebäude wirkte verlassen. Unter den Bäumen an der Seite traten zwei etwa zehnjährige Mädchen mit schwarzen Pferdeschwänzen hervor. Sonst tat sich nichts.

Er klingelte erneut, wartete weiter. Die Mädchen lachten und rollten mit Inlineskates über den Innenhof. Kein Lebenszeichen sonst. Erst jetzt fiel Jeremy auf, dass jemand links hinter dem Tor Blumentöpfe mit prächtig rot blühenden Blumen aufgestellt hatte. Davor ein handgemaltes Schild: 16. Februar – Tag des strahlenden Sterns. War das nicht heute? Geburtstag des Geliebten Führers, wie der „Tag der Sonne“ ein hoher Nationalfeiertag. Die Blumen mussten dann Kimjongilien sein, die eigens für diesen Tag gezüchtete Begonienart.

Jeremy ging. Darum sollte sich mal schön J. D. kümmern.

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