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Küsnacht

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„Was heißt hier, du wirst bedroht? Jetzt mach mal halblang! Das wird mir jetzt, um ganz ehrlich zu sein, langsam zu ...“

„Jonathan, ich habe die ganze Zeit versucht, dich zu erreichen. Warum gehst du nicht ans Telefon?“

„Was heißt, ich gehe nicht ans Telefon? Ich war im Flugzeug, Schätzchen. Ich habe hier wichtige Gespräche vor mir, du weißt ja gar nicht, was alles daran hängt. Wahrscheinlich werde ich so bald wirklich nicht mehr ans Telefon gehen können. Aber jetzt habe ich ein paar Minuten Luft, also erzähl mir nochmal alles, langsam, geordnet und ausführlich und bitte nicht in diesem hysterischen Tonfall.“

Chloe holte tief Luft, riss sich zusammen und fing noch einmal von vorn an. Von den Ostasiaten mit dem Hund. Von dem Kuvert, das ihr irgendwer ins Zeitungsrohr gesteckt hatte. Vom Mord an Marcus B. Von ihrer gemeinsamen Schulzeit (dass sie ein Jahr lang auf ihre damalige kindliche Weise „zusammen“ gewesen waren, hielt sie für nicht so wichtig, dass es einer Erwähnung wert gewesen wäre).

Jonathan blieb ungerührt. „Und was ist da der Zusammenhang?“

„Das weiß ich doch nicht. Aber es ist schon ein bisschen viel Zufall, oder? Die Ostasiaten bedrohen mich mit Hunden, mein ehemaliger Mitschüler wird von Hunden zerrissen, und dann steckt mir auch noch jemand den Zeitungsbericht dazu in den Briefkasten. Verstehst du nicht, dass das diese Asiaten sein müssen, die mir drohen wollen? Und das gerade jetzt, wo Vater so krank ist und ich mich nicht mit der Bitte um Rat und Hilfe an ihn wenden kann!“

„Den Zeitungsartikel hat dir sicher jemand reingesteckt, der weiß, dass du Marcus’ Mitschülerin warst, ein Bekannter oder so. Jetzt bleib mal am Boden, meine kleine Verschwörungstheoretikerin!“

„Davon weiß hier aber niemand – das heißt, diese Asiaten müssen es wohl irgendwie wissen. Ich sag dir doch, die wollen mir drohen!“

„Weshalb? Womit? Ich sehe, um ganz ehrlich zu sein ...“

„Du weißt genauso gut wie ich, dass die Century Bank mit allen möglichen Leuten aus Ostasien Geschäfte macht. Und ich glaube, du weißt noch besser als ich, dass das nicht immer die saubersten Geschäfte sind. Da geht es um irgendwelche dieser krummen Dinger, die ihr – du oder mein Vater oder du in seinem Auftrag – über die Bank abwickelt. Mir wird die Sache zu heiß. Du musst die Finger davon lassen, Jonathan, sonst sage ich’s Jeremy! Oder ich geh zur Polizei.“

Am anderen Ende herrschte kurz Stille, in die man einen Vogel zwitschern hören konnte, bis er vom fernen Rollen einer Straßenbahn übertönt wurde. Dann meldete sich Jonathan mit mühsam beherrschter Stimme zurück: „Erstens, Chloe, mache ich keine ‚krummen Geschäfte‘, wie du das nennst. Rechtlich ist alles höchstens Grauzone. Zweitens sollte man am Telefon auch mit spaßeshalber gemachten Bemerkungen vorsichtig sein, schließlich weiß man nie, wer alles mithört. Drittens, Chloe, selbst wenn das alles stimmen würde, was du dir da an haarsträubenden Sachen zusammenreimst ... Gut, gesetzt den Fall also, das stimmt alles und da droht dir wirklich jemand ... dann wäre es, um ganz ehrlich zu sein, immer noch das Sicherste, dich ruhig zu verhalten. Ich meine, wenn die dir drohen wollen – dann jedenfalls nicht, damit du alles groß ausposaunst, sondern weil sie dich einschüchtern wollen. In solchen Fällen empfiehlt es sich dann aber auch, ein wenig ... na ja ... schüchtern zu sein. Hast du das verstanden? Es ist ganz wichtig, dass du das verstanden hast. Bitte, höre in diesem Punkt auf mich. Ich bin mir sicher, dein Vater würde dir jetzt den gleichen Rat geben. Mach ihm keine Schande oder bring dich gar in Gefahr, indem du etwas Unüberlegtes tust. Ja?“

„Ja. Ich versteh schon. Ich soll erst einmal gar nichts machen.“

„Korrekt. Bald, wahrscheinlich übermorgen Abend, komme ich zurück und dann besprechen wir in Ruhe, wie wir weiter vorgehen. Ist es jetzt gut, mein Schatz? Ich drücke dich ganz fest, ja?“

„Ja. Vielleicht hast du recht. Aber ich hab trotzdem Angst.“

„Etwas Angst und Vorsicht kann nie schaden. Aber wenn du dich richtig verhältst, wird schon nichts passieren. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Ich denk an dich. Ich melde mich, ja? Küsschen.“

Er hatte aufgelegt. Chloe wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und trat auf den Balkon, um sich eine „Eve 120“ anzuzünden. Sie liebte diese dünnen, langen, femininen Zigaretten mit ihrem raffinierten Parfümaroma. Es war ein klarer Tag und in der Ferne konnte sie die weißen Häupter der Alpen sehen. Ein paar Häuser weiter bellte ein Hund. Sie zuckte zusammen. Drinnen, auf dem Esszimmertisch, lag immer noch aufgeschlagen das rotumrandete Zeitungsblatt.

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