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III. Konformität mit Europarecht

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In den meisten EU-Staaten war bisher aufgrund hoher Steuersätze von keiner Niedrigbesteuerung iSd § 2 Abs 2 auszugehen. Zudem wird durch die zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen DBA die Anwendung von § 2 regelmäßig eingeschränkt. Dennoch gibt es inzwischen va durch die Ausweitung der EU nunmehr eine Vielzahl von EU-Mitgliedstaaten mit einer niedrigen Besteuerung. Hinzu kommen Fälle, in denen der Abkommensschutz von DBA durch Öffnungsklauseln (zB DBA-Italien) oder anderen Sondervorschriften (DBA-Großbritannien) ausgesetzt und § 2 anwendbar ist. So qualifiziert die FinVerw Großbritannien bei einer Besteuerung auf „Remittance Basis“ als Niedrigsteuergebiet und zusätzlich entfällt iRd „Remittance Basis“-Besteuerung der Abkommensschutz vor der erweiterten beschränkten StPfl (vgl Rn 42).[50]

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Nach der Entsch des EuGH in der Rechtssache Eurowings[51] sah die Lit die potentielle EU-Rechtswidrigkeit der Vorschrift als offensichtlich gegeben an. Der EuGH stellte darin fest, dass eine niedrigere Besteuerung im Ausland keine höhere Inlandsbesteuerung rechtfertige. Zum einen wollte Wassermeyer[52] in dieser Entsch die Totenglocke der Vorschrift hören, zum anderen hielt es Ritter[53] für an der Zeit, die Vorschrift aus dem Verkehr zu ziehen. 16 Jahre nach der Eurowings-Entscheidung besteht die Vorschrift des § 2 unverändert fort; der EuGH musste sich bislang noch nicht damit beschäftigen. Die Antwort darauf, ob sich der EuGH künftig mit der Vorschrift wegen EU-rechtlicher Bedenken noch wird auseinandersetzen müssen, hat sich durch seine Rspr der vergangenen Jahre nunmehr relativiert.

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Elicker weist mE zu Recht darauf hin, dass die Streichung der Mindestbesteuerungsregelung in § 2 Abs 5 S 3 aF als Reaktion auf die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Gerritse[54] die unionsrechtlichen Bedenken gegen § 2 zumindest etwas entschärfte. Denn diese Regelung sah ungeachtet der aus der unbeschränkten Stpfl entlehnten Veranlagung und der Anwendung des Steuertarifes nach Maßgabe des „Welteinkommens“ eine Untergrenze der Steuerlast auf das Niveau der Abzugssteuern vor und kombinierte dadurch für den Stpfl ungünstige Einzelelemente der unbeschränkten und der beschränkten Stpfl zu einer Art Strafbesteuerung, welche im unionsrechtlichen Kontext durchaus als Sanktionierung eines Umzuges in das niedrigbesteuerte europäische Ausland interpretiert werden konnte.[55]

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Entsch bei der Beurteilung auf Konformität mit Europarecht wird sein, ob die Regelung geeignet ist, den StPfl von einer Wohnsitzverlegung in andere Mitgliedstaaten abzuhalten und daher eine Beschränkung von Grundfreiheiten darstellt. In der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant wurde ein StPfl, der iRd Ausübung der Niederlassungsfreiheit seinen Wohnsitz ins Ausland verlegte, gg einer Person, die ihren Wohnsitz in Frankreich beibehielt, benachteiligt. Der StPfl wurde allein wegen der Verlegung seines Wohnsitzes ins Ausland für ein Einkommen steuerpflichtig, welches noch nicht realisiert war und über das er noch nicht verfügte. Wäre er dagegen in Frankreich geblieben, wären die Wertsteigerungen nur steuerpflichtig gewesen, soweit sie tatsächlich realisiert worden wären.[56] Nach Auffassung des EuGH in der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant sei jedoch die Verhinderung von Steuerflucht und die Gefahr von Steuerausfällen kein Rechtfertigungsgrund für eine Einschränkung der europäischen Grundfreiheiten.[57]

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Relativiert wurden die europarechtlichen Bedenken gegen § 2 insb durch die Entsch des EuGH in der Rechtssache van Hilten-van der Heijden, nach der ein EU-Mitgliedstaat seine Staatsangehörigen nach dem Wegzug in ein Niedrigsteuergebiet für eine bestimmte Übergangszeit so besteuern darf wie vor dem Wegzug, sofern sich die gesamte Steuerbelastung des Auswanderers durch den Wegzug nicht erhöht. Der EuGH stellte fest, dass solche Maßnahmen als Beschränkungen des Kapitalverkehrs nur verboten seien, wenn sie geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten.[58] Übertragen auf § 2 bedeutet dies, dass der Auswanderer nach dem Wegzug in ein Niedrigsteuergebiet einer erweiterten beschränkten StPfl in dem ursprünglichen Staat unterworfen werden darf, sofern sichergestellt ist, dass er dadurch nicht von Investitionen in anderen Mitgliedstaaten abgehalten wird.

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Einen Angriffspunkt hinsichtlich potenzieller Europarechtswidrigkeit des § 2 bietet auch das Abstellen auf den Begriff der Staatsangehörigkeit. Nach Abs 1 ist eine natürliche Person, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten StPfl als Deutscher mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, unter weiteren Voraussetzungen ggf erweitert beschränkt steuerpflichtig. Nach Art 18 AEUV ist eine Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit grds verboten. § 2 beschränkt die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht jedoch auf die dt Staatsangehörigkeit. Darin wird in der Lit ein klarer Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art 18 AEUV (ehem Art 12 EGV) gesehen.[59] Wenn ein dt Staatsangehöriger seinen Wohnsitz in einen anderen EU-Mitgliedstaat verlegt, der als Niedrigsteuergebiet iSd § 2 einzuordnen ist, so kann es zu einer europarechtswidrigen Diskriminierung der Staatsangehörigkeit kommen, wenn er anders behandelt wird als ein aus Deutschland Ausgewanderter anderer Nationalität.[60]

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Doch auch diesbzgl ist die Entsch des EuGH in der Rechtssache van Hilten-van der Heijden beachtenswert, da hierin zum Ausdruck gebracht wurde, dass in dem Abstellen des niederländischen Erbschaftsteuerrechts alleine auf niederländische Staatsangehörige keine europarechtswidrige Diskriminierung zu sehen sei. Eine solche Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit ergebe sich in Ermangelung unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen aus der Befugnis der Mitgliedstaaten, die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen.[61] Dies bezieht sich jedoch nur auf den Fall, dass die jeweiligen DBA dies vorsehen. In dem in der Rechtssache van Hilten-van der Heijden einschlägigen Erbschaftsteuer-DBA war das von den Niederlanden ausgeübte Besteuerungsrecht ausdrücklich vorgesehen. In solchen Fällen dürfte die Beschränkung des Anwendungsbereiches von § 2 auf StPfl dt Staatsangehörigkeit somit vom EuGH toleriert werden. § 2 geht jedoch gerade von einem Nicht-DBA-Fall bzw von dem Fall aus, in dem das DBA derogiert ist.

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Trotz der Entsch van Hilten-van der Heijden sehen Zimmermann/Könemann und Baßler die Vorschrift des § 2 als europarechtswidrig an, da sie gegen die Niederlassungs- und gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Schließlich unterlagen der niederländischen Erbschaftsteuer alle niederländischen Staatsangehörigen, die innerhalb von zehn Jahren vor ihrem Tod ins Ausland gezogen waren; eine Differenzierung zwischen einem Wegzug in ein Niedrigsteuergebiet und dem Wegzug in ein Normal- oder Hochsteuergebiet wurde nicht vorgenommen. Gerade hier liege jedoch der Unterschied zur erweiterten beschränkten StPfl, weswegen eine dreiseitige Betrachtung notwendig sei.[62] Da nach dem Wegzug in ein Niedrigsteuergebiet unter den Voraussetzungen des § 2 das dt Steuerniveau erhalten bleibt und bei einem Wegzug in ein nicht als Niedrigsteuerland qualifiziertes Gebiet ein ggf niedrigeres Steuerniveau besteht, liege in dieser Ungleichbehandlung eine Benachteiligung des Niedrigsteuerlandes und eine Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit.[63] So kann ein Auswanderer mit dt Staatsangehörigkeit nach dem Wegzug in ein Niedrigsteuerland durch § 2 davon abgehalten werden, Investitionen in Deutschland zu tätigen, während ein anderer Auswanderer, der in ein Normal- oder Hochsteuerland gezogen ist, diese Investitionen vornehmen kann, ohne steuerliche Nachteile durch § 2 befürchten zu müssen. Die erweiterte beschränkte StPfl nach § 2 kann somit Investitionen aus bestimmten Ländern in Abhängigkeit vom jeweiligen Steuerniveau diskriminieren. Darin sei in Anlehnung an die Grundsätze der EuGH-Entscheidung van Hilten-van der Heijden eine Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zu sehen. Da die Kapitalverkehrsfreiheit auch im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbar ist, könnten sich sogar StPfl, die in einen Drittstaat gezogen sind, auf die (potentielle) Europarechtswidrigkeit des § 2 berufen.[64]

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Den Ausführungen von Zimmermann/Könemann ist lediglich der Grund für einen potentiellen Verstoß von § 2 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit zu entnehmen. Worin Zimmermann/Könemann zudem einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit sehen, erschließt sich nicht. Zumal die Tatsache, dass ein Auswanderer mit dt Staatsangehörigkeit nach dem Wegzug in ein Niedrigsteuerland durch § 2 davon abgehalten wird, Investitionen in Deutschland zu tätigen, erst ein Problem nach dem Wegzug darstellt. Die Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland an sich wird nicht behindert, so dass ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach den Grundsätzen der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant nicht ersichtlich ist.

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