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aa) Belastungsvergleich nach Tarif (Abs 2 Nr 1)

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IRd abstrakten Belastungsvergleichs nach Tarif ist eine typisierende Gegenüberstellung der zu entrichtenden Steuern an einer bestimmten Tarifstelle (77 000 EUR) vorgesehen. Ist die Steuerbelastung an dieser Tarifstelle im Ansässigkeitsstaat des Auswanderers um mehr als ein Drittel geringer als im Inland, wird eine niedrige Besteuerung unterstellt.

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Nach dem Wortlaut der Norm ist als Vergleichsmaßstab die in dem „ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer“ heranzuziehen. Mit der überwiegend hM sind auch Zuschlagsteuern zur ausl Einkommensteuer in den Belastungsvergleich mit einzubeziehen; auf die ggf abweichenden Untergliederungen im Ausland kommt es nicht an. Umfasst werden somit kantonale oder kommunale Steuern und sogar ausl Kirchensteuern, soweit sie vom Einkommen erhoben werden.[84] Im Ausland erhobene Steuern vom Vermögen finden dagegen beim Belastungsvergleich keine Berücksichtigung.

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Die im ausl Gebiet erhobene Einkommensteuer ist der dt Einkommensteuer gegenüberzustellen (Abs 2 Nr 1). Zuschlagsteuern (wie SolZ, KiSt) bleiben beim abstrakten Belastungsvergleich auf der „dt Seite“ unberücksichtigt.[85] Der Gesetzeswortlaut nennt nur die dt Einkommensteuer. Hätte der Gesetzgeber – wie auf der „ausl Seite“ – auch Zuschlagsteuern in den Belastungsvergleich mit einbeziehen wollen, hätte er dies klarer zum Ausdruck bringen müssen. Mithin steht der im Ausland erhobenen Einkommensteuer (inkl ggf auf das Einkommen erhobenen weiteren Zuschlagsteuern) nur die dt Einkommensteuer iSd EStG gegenüber.

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Als Vergleichsmaßstab wird die Einkommensteuer unverheirateter natürlicher Personen herangezogen; im Tarif vorgesehene Freibeträge sind einzubeziehen. Dem nach § 32a Abs 1 EStG für unverheiratete Personen geltenden Tarif ist der Betrag von 77 000 EUR unmittelbar und ohne weitere Korrekturen zugrunde zu legen. Somit bleibt die Freistellung bestimmter Einkünfte durch das Teileinkünfteverfahren oder die pauschalisierte Anrechnung der Gewerbesteuer nach § 35 EStG beim abstrakten Belastungsvergleich nach Tarif unberücksichtigt.

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Bei einem zu versteuernden Einkommen iHv 77 000 EUR beträgt die Steuer im Jahr 2016 in Deutschland 23 937 EUR (ESt-Grundtabelle). Damit lag eine niedrige Besteuerung im neuen Ansässigkeitsstaat des Auswanderers vor, wenn die dort erhobene Einkommensteuer zu einer Steuerbelastung von unter 20,72 % führte (bzw bei einer absoluten ausl Ertragsteuer iHv unter 15 958 EUR). Zum Vergleich: Im Jahr 1999 betrug die maßgebliche ausl Steuerbelastung, ab der eine Niedrigbesteuerung angenommen wurde, noch 25,15 %. Aufgrund der in Deutschland in den letzten Jahren sukzessiv abgesenkten Einkommensteuertarife wurde der Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeweitet und dessen Bedeutung erhöht.[86]

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Für den abstrakten Belastungsvergleich geht der Gesetzgeber von einer synthetischen Einkommensteuer mit einheitlichem Tarif aus. Dem Wesen des abstrakten Belastungsvergleichs an einer Tarifstelle wohnt inne, auf eine direkte ausl Einkommensteuer abzustellen. Bei Vorliegen einer Schedulenbesteuerung im Ausland ist der abstrakte Belastungsvergleich nach Tarif daher ungeeignet und somit grds abzulehnen.[87] Seit dem VZ 2009 hat der dt Gesetzgeber das Konzept einer synthetischen Einkommensteuer mit einheitlichem Tarif aufgegeben; Kapitaleinkünfte unterliegen danach einem besonderen Steuersatz iHv 25 % (§ 32d Abs 1 EStG). Dies wirft die Frage auf, wie ab 2009 die als Vergleichsmaßstab heranzuziehende dt Einkommensteuer an der Tarifstelle von 77 000 EUR zu berechnen ist. Bislang bleiben Gesetzgeber und FinVerw darauf eine Antwort schuldig. Insbesondere hat der Gesetzgeber es versäumt, im Zuge der Anpassung des Progressionsvorbehaltes in § 2 Abs 5 an die systematischen Leitlinien der Abgeltungssteuer auch eine Regelung hinsichtlich des Einflusses auf den Belastungsvergleich vorzunehmen.[88] Somit ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wie die inländische Steuerbelastung nach Abs 2 Nr 1 zu berechnen ist.

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Nach der Auffassung von Baßler muss es bei einem Schedulensystem im Ausland ausreichen, wenn die maßgebliche zwei-Drittel-Grenze auch nur in einer Einkunftsart überschritten wird.[89] Umgekehrt muss dann aber auch der geringere Steuersatz in einer Einkunftsart als Vergleichsmaßstab für die Frage gelten, ob eine niedrige Besteuerung nach Abs 2 Nr 1 vorliegt. Der Gesetzgeber kann nicht als Vergleichsmaßstab einen höheren Steuersatz zugrunde legen und den niedrigeren Tarif für Kapitaleinkünfte außen vor lassen, wenn er sich bewusst für eine derartige Steuervergünstigung entschieden hat.[90] Zimmermann/Könemann vertreten daher die Auffassung, dass für den gesamten Betrag der besondere Steuersatz iHv 25 % gilt.[91] Dieser Ansicht ist jedoch entgegenzuhalten, dass schon bislang iRd abstrakten Belastungsvergleichs nach Tarif bestimmte Steuervergünstigungen wie die hälftige Steuerfreistellung von Kapitaleinkünften durch das Halbeinkünfteverfahren oder die pauschalisierte Anrechnung der Gewerbesteuer nach § 35 EStG unberücksichtigt blieben und daher auch schon bisher die effektive Steuerbelastung von der als Vergleichsmaßstab herangezogenen Steuerbelastung an der Tarifstelle abweichen konnte.

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Folgt man der Auffassung von Zimmermann/Könemann, dass für den gesamten Betrag der besondere Steuersatz iHv 25 % gilt, liegt eine niedrige Besteuerung im neuen Ansässigkeitsstaat des Auswanderers iSd Abs 2 Nr 1 erst dann vor, wenn die dort erhobene Einkommensteuer zu einer Steuerbelastung von unter 16,49 % führt (bzw bei einer absoluten ausl Ertragsteuer iHv unter 12 699,83 EUR). Damit wird der Anwendungsbereich der Vorschrift erheblich eingeschränkt. Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber hierauf reagieren wird.

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Bereits in den Vorkommentierungen haben wir an dieser Stelle eine entspr Nachbesserung durch den Gesetzgeber gefordert. Diese ist nach wie vor überfällig. Schließlich werden bereits zu Recht die ersten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift vorgebracht, weil Abs 2 Nr 1 nicht dem Bestimmtheitsgebot genüge. Ab VZ 2009 gäbe es für das fiktive Einkommen von 77 000 EUR keine eindeutige Steuerbelastung mehr, so dass der Kreis der Niedrigsteuergebiete nicht mehr eindeutig ermittelt werden könne.[92]

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Für den Belastungsvergleich ist der Betrag von 77 000 EUR nach dem Kurs am Anfang eines Jahres in die maßgebliche ausl Währung umzurechnen. Alternativ kann auf Antrag des StPfl zur Umrechnung auch der Jahresdurchschnittskurs zugrunde gelegt werden, wenn er nachweist, dass dies für ihn günstiger ist.[93] Besteht im Ansässigkeitsgebiet keine Einkommensteuer, ist von einer Nullbelastung auszugehen.

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Erzielt der StPfl noch weitere Einkünfte aus anderen ausl Staaten, ist die dort entrichtete Ertragsteuer nicht in den Belastungsvergleich mit einzubeziehen. Verglichen werden sollen beim abstrakten Steuerbelastungsvergleich nach Tarif ausschließlich die steuerlichen Verhältnisse im neuen Ansässigkeitsstaat und in Deutschland.[94] Auch kommt es nicht darauf an, ob der StPfl die Steuerbelastung im Ausland auch tatsächlich trägt. Vielmehr kann dies beim abstrakten Steuerbelastungsvergleich gerade dahinstehen.

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Besteht eine niedrige Besteuerung nach Tarif, hat der StPfl dennoch die Möglichkeit iRd konkreten Belastungsvergleichs eine ausreichend hohe ausl Steuerbelastung nachzuweisen (vgl Rn 93 ff).

Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen

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