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b) „Schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter

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Regelmäßig werden vorläufige Insolvenzverwalter als „schwache“ bestellt. Auch der Zustimmungsvorbehalt zu Gunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters bezieht sich auf Verfügungen im Sinne von § 21 Abs. 2 S. 1 Nr 2 InsO. Diese sind im zivilrechtlichen Sinne als Einwirkung auf Rechtspositionen zu verstehen, wozu aber nicht nur dingliche, sondern auch obligatorische Rechte gehören, so dass beispielsweise auch Forderungseinzug und Kündigungen erfasst werden, sofern diese nicht explizit ausgenommen wurden[24]; es empfiehlt sich jedoch, diese Befugnis explizit auszusprechen[25]. Verstöße gegen den Zustimmungsvorbehalt begründen ebenso die absolute Unwirksamkeit der Verfügung, wie sich aus §§ 24 Abs. 1, 81 Abs. 1 S. 1 InsO ergibt[26]; gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen ist somit ausgeschlossen[27]. Allerdings ist die absolute Unwirksamkeit eine schwebende, so dass es der vorläufige Insolvenzverwalter in der Hand hat, nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden und die Verfügung im Interesse der Gläubiger analog §§ 184, 185 Abs. 2 BGB rückwirkend zu genehmigen[28].

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Schuldrechtliche Verpflichtungen gehören nicht zu den Verfügungen, so dass der Schuldner rechtlich weder dazu angehalten noch davon abgehalten werden kann; Entsprechendes gilt für rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, die keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Bestand von Rechtsverhältnissen haben (sonst Rn 152), wie Mahnungen oder Prozesshandlungen[29] und rein tatsächliche Handlungen, wie die Herausgabe fremden Eigentums, da in diesem Fall die künftige Insolvenzmasse nicht berührt wird (vgl § 47 InsO)[30]. Die Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters im Sinne von § 22 Abs. 2 InsO führt (im Gegensatz zu Handlungen des starken vorläufigen Verwalters) also nicht dazu, dass die rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen nach Verfahrenseröffnung zu (voll zu befriedigenden) Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 2 InsO werden[31]; anders ist es nur, wenn der Verwalter mit einer Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ausgestattet worden ist. Die Gläubiger erwerben regelmäßig also nur gewöhnliche Insolvenzforderungen, auf die eine Quote ausbezahlt wird; § 55 Abs. 2 InsO ist weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden[32], ebenso wenig § 61 InsO.

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Versierte Gläubiger versuchen daher, dem vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter die persönliche Garantie der Bezahlung oder einen Schuldbeitritt abzuringen, bevor sie weitere Leistungen an den Schuldner erbringen. Der ebenso versierte Insolvenzverwalter wird hingegen die Ankündigung der Zahlung nur „bestätigen“ oder die „Zahlung aus der Masse“ nur als möglich in Aussicht stellen, was mangels Rechtsbindungswillen weder für eine persönliche Haftung aus Garantiezusage noch für eine Vertrauenshaftung nach § 311 Abs. 2 BGB ausreicht[33]. Anders ist es, wenn der vorläufige Verwalter mitteilt, die Zahlungen für künftige Leistungen seien „durch das Insolvenzanderkonto sichergestellt“, denn eine solche Erklärung kann der objektive Erklärungsempfänger nur als eine verbindliche Zusage mit Garantiecharakter verstehen[34]. Ebenso begründet die Zusage, für die Bezahlung der bezogenen Waren ab Eröffnungsbeschluss „persönlich aufzukommen“, eine persönliche Einstandspflicht[35]. Der Wortlaut der Erklärungen kann aber auch zu differenzierten Ergebnissen führen. So hat in einem Fall der schwache vorläufige Insolvenzverwalter als Antwort auf die Frage von Arbeitnehmern, was mit den Arbeitslöhnen geschehe, wenn der Betrieb mangels Zahlungen der Kunden eingestellt werden müsse, auf seine Haftpflichtversicherung hingewiesen. Darin wurde zwar eine Garantieerklärung gesehen, allerdings begrenzt auf vorhersehbare Ereignisse, zu denen eine zum Erklärungszeitpunkt noch unbekannte Gewerbeuntersagung nicht zählte[36].

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Ansprüche aus § 311 BGB wegen Aufklärungs- oder Hinweispflichtverletzungen (Abs. 2) oder aus Sachwalterhaftung (Abs. 3) kommen ebenfalls in Betracht. Sie sind einschlägig, wenn der Verwalter einen Wissensvorsprung hat, den er redlicherweise hätte offenbaren müssen (zB Liquiditätsplanung, Absatzschwierigkeiten) oder einen besonderen Vertrauenstatbestand schafft, indem er über das normale Verhandlungsvertrauen hinaus der anderen Vertragspartei eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für Bestand und Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäftes bietet, beispielsweise den Eindruck der Begründung von Masseverbindlichkeiten erweckt[37]. Berechtigtes Vertrauen wird jedoch nicht begründet, wenn in der Erklärung ein gewisse Unsicherheit mitklingt (zB: „Die Weichen für eine erfolgreiche Sanierung werden derzeit gestellt.“) oder wenn der Erklärungsempfänger geschäftskundig ist und die Risiken der Geschäfte mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter kennen muss. Es ist also durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich um einen (auf den Ersatz des negativen Interesses begrenzten) Fall der Vertrauenshaftung oder um eine Garantiezusage handelt, aus der der Erklärende das Erfüllungsinteresse schuldet.

Um den schwachen Verwalter rechtssicher handlungsfähig zu machen, kann er vom Gericht ausdrücklich ermächtigt werden, (spätere) Masseverbindlichkeiten zu begründen[38]. Er hat dafür dem Insolvenzgericht eine plausible Liquiditätsplanung vorzulegen, damit der Richter die Gewährleistung der späteren Bezahlung prüfen kann. Dazu ist erforderlich, dass die einzelnen Verpflichtungen konkret bezeichnet werden (zB Bestellung von Rohmaterial für den Geschäftsbetrieb beim Lieferanten X bis zu € 100 000 pro Monat); ein allgemeiner Beschluss, „mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln“ ist nicht ausreichend, denn der Handlungsspielraum darf nicht pauschal in das Ermessen des Verwalters gestellt werden[39]. Freilich ist zu beachten, dass im Falle der wirksamen Begründung von Masseverbindlichkeiten aufgrund einer Einzelermächtigung insoweit später auch die §§ 55 Abs. 2, 61 InsO eingreifen.

§ 4 Das Insolvenzeröffnungsverfahren › II. Die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters › 2. Exkurs: Die Tätigkeiten des vorläufigen Verwalters

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