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2. Religionsunterricht als Schulfach
ОглавлениеAusdruck und Ausübung positiver Grundrechtsausübung
Der Staat, wie ihn das Grundgesetz versteht, achtet – obwohl zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet – gleichwohl auf die religiösen Willensbekundungen seiner Bürger und darauf, dass sie ihre Grundrechte auch ausüben können. Deswegen richtet er zur Wahrung der positiven Religionsfreiheit ein entsprechendes Schulfach Religionsunterricht ein. Da die Religionsfreiheit zu den »Grundrechten« (Art. 1–19 GG) zählt, ist der Religionsunterricht weder eine »großzügige Geste des Staates« noch ein kirchliches Privileg, er ist vielmehr zur »Sicherung der Grundrechtsausübung durch den Einzelnen« (EKD 1994, 86) im Raum der öffentlichen Schule eingerichtet. Kinder und Jugendliche sollen sich in dem dafür vorgesehenen Schulfach eigenständig und frei religiös orientieren können. Auch für den Staat selbst ist wichtig, dass sich die Heranwachsenden »mit den ihn tragenden Werten und ihrer kulturellen, weltanschaulichen und religiösen Herkunft« (EKD 1994, 86) auseinandersetzen, da er auf Überzeugungen beruht, die er selbst nicht schaffen kann (Ernst-Wilhelm Böckenförde).
In Verantwortung von Staat und Religionsgemeinschaften (Kirchen)
Die Besonderheit des schulischen Religionsunterrichts besteht nicht nur darin, dass er als einziges Fach im Grundgesetz genannt wird, sondern vor allem darin, dass er infolge von Art. 7 Abs. 3 Satz 2 von zwei Seiten verantwortet wird, nämlich vom Staat und den Religionsgemeinschaften resp. Kirchen, was so für kein anderes Fach der Fall ist. Der Staat verzichtet beim Religionsunterricht auf seine sonst in der Schule wahrgenommene bildungsmäßige und bildungspolitische Alleinzuständigkeit und greift zur inhaltlichen Ausgestaltung auf die Religionsgemeinschaften resp. Kirchen zurück. Dies ist aufgrund des Grundgesetzes auch unabdingbar: Da der Staat nach Art. 4 GG weltanschaulich neutral zu sein hat – auch im Raum der Schule –, darf er infolge von Art. 7 Abs. 3 nicht selbst die Inhalte für den Religionsunterricht festlegen bzw. dieses Fach in die eigene Alleinregie nehmen. Seine Aufgabe erstreckt sich im Wesentlichen darauf, die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen und die schulischen Rahmenbedingungen im Blick zu haben. Im Sinne einer »res mixta« sind »Ordnung und Durchführung des Religionsunterrichts staatliche Aufgabe und Angelegenheit« und gehören zugleich »in den Verantwortungsbereich der Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften« (EKD 1994, 87), die für die inhaltliche Ausgestaltung zuständig sind. Die dafür notwendigen konkreten Vereinbarungen zwischen Staat und Kirchen sind durch Konkordate (katholisch), Staatskirchenverträge (evangelisch) und weitere Gesetze geregelt. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass bei Einhaltung bestimmter praktisch erforderlicher Konditionen grundsätzlich jede Religionsgemeinschaft das Recht hat, mittels ausgebildeter Lehrkräfte für ihre Mitglieder ein entsprechendes Fach Religionsunterricht einzurichten.
»Ordentliches Lehrfach«
Nach Art. 7 Abs. 3 S.1 GG ist der Religionsunterricht »ordentliches Lehrfach«, was mit einer Reihe wichtiger Folgen einhergeht (vgl. ADAM 2012, 299 ff.; ZIEBERTZ 2010c, 210 f.):
Der Religionsunterricht unterliegt staatlichem Schulrecht und staatlicher Schulaufsicht . Von Staat und Kirchen (bzw. Religionsgemeinschaften) verantwortet, wird er vom Staat veranstaltet, ist also eine Veranstaltung des Staates, nicht der Kirchen.
Seine Einrichtung als Pflichtfach ist für Schulträger obligatorisch. Im schulischen Fächerkanon hat er damit seinen festen Platz, wird im Rahmen des Stundenplans erteilt und unterliegt denselben formalen Bedingungen wie die anderen Fächer.
Der Staat als Träger und Veranstalter des Schulwesens ist für den äußeren Ablauf des Faches verantwortlich, also für die Bereitstellung der entsprechenden Religionslehrkräfte, den Erlass der Fachlehrpläne Evangelische und Katholische Religionslehre sowie die Bereitstellung von Materialien.
Als ordentliches Lehrfach muss sich Religionsunterricht auch von den allgemeinen Erziehungs-, Lern- und Bildungsanliegen der Schule(n) her begreifen, wie sie in den einzelnen Länderverfassungen konkret formuliert sind. An ihnen hat er sich, da er nicht einfach kirchliche Katechese in der Schule ist, zu orientieren. Dies tut er, indem er sich zum einen an der Erfüllung der allgemeinen schulischen Erziehungs- und Bildungsaufgaben beteiligt und zum anderen die spezifisch religiöse Lern- und Bildungsaufgabe verfolgt.
Wie in jedem anderen Schulfach werden auch im Religionsunterricht Noten vergeben, wobei diese versetzungserheblich sind. Benotet werden dabei nicht Religiosität, Glaube oder Kirchlichkeit der Schülerinnen und Schüler, sondern ihre »messbaren Leistungen«, wie sie sie im Rahmen des Unterrichts oder häuslicher Vorbereitung erbringen. Dazu gehören Kenntnisse und »Fähigkeiten, Gelerntes zu verstehen und wiederzugeben, es in Zusammenhänge einzuordnen und selbstständig Fragen zu stellen, Probleme zu sehen und Lösungen zu erarbeiten usw.« (ADAM 2003, 170). Dabei kann und muss im Religionsunterricht – gerade der Grundschule – nicht alles gemessen und benotet werden (s. III.15).