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3. Eigensinn des Übens als leibliche und geistige Praxis

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Eine grundlagen- und bildungstheoretische Bestimmung der Praxis des Übens ist notwendig, mit der Üben systematisch von anderen pädagogischen Praxen und Begriffen unterschieden wird. In den folgenden Kapiteln wird im Sinne eines systematischen Bestimmungsversuchs Üben von Lernen, Spielen und Repetieren unterschieden und in dessen Eigenlogik bestimmt ( Kap. 1 und 4). Üben soll als eine besondere Lernform (vgl. Prange 2005) exponiert werden. Die sozialen und erzieherischen Anteile bezeichne ich als Übung. Diese werden in Kapitel 7.3 zur Didaktik der Übung systematisch herausgearbeitet und erläutert. Dies alles hat das Ziel, den Eigenwert des Übens als Etwas-üben und Sich-selbst-üben in seinen relationalen Perspektiven zu bestimmen. Das Einüben von Fertigkeiten, das Ausüben von Fähigkeiten und das ethische Sich-selbst-üben lassen die Vielschichtigkeit, Produktivität und Elementarität des Übens deutlich werden.

Im folgenden Kapitel zeigt der Blick auf die chinesische Kultur, dass hier, im Unterschied zum europäischen Dualismus, Üben und Lernen als miteinander verschränkte Praxen gesehen werden können ( Kap. 3). Mit dieser interkulturellen Perspektive kann einmal mehr deutlich werden, dass Üben keineswegs als sekundäre und nachgeordnete Lernform (miss-) zu verstehen ist.

5 Vgl. zum Folgenden Brinkmann 2011b, 2012, 2014c, 2018c.

6 Pratique bezeichnet im Französischen Übung und Praxis. Gleiches gilt für das englische practice. Diese Differenzierung muss aus dem Kontext der jeweiligen Texte erschlossen oder aus dem lateinischen bzw. griechischen Original rekonstruiert werden. Sie wurde in den meisten deutschen Übersetzungen der Texte Foucaults nicht vorgenommen. Dieses Manko bestimmt den deutschsprachigen Diskurs zum Thema »Praktiken«. Darin wird pratique fälschlicherweise fast ausschließlich mit Praktik übersetzt. Von Üben als askesis, pratique oder practice ist kaum die Rede. Aktuell findet sich in den Sozial- und Erziehungswissenschaften im Zuge des »practice turns« eine starke Fokussierung auf »Praktiken«, ebenfalls ohne diese Differenzierung vorzunehmen. Die eurozentrische Marginalisierung des Übens wird auf diese Weise fortgeschrieben.

7 Die Unterschiede zwischen griechischer Selbstsorge und christlicher Hermeneutik des Selbst stellt Foucault in der »Geschichte der Gouvernementalität« deutlich heraus. Hier bezeichnet er die christliche Pastoral als »absolut einzigartig« (Foucault 2004a, S. 218), weil die Griechen erstens Führung und Menschenführung nicht am Modell des Hirten, sondern am Modell des Webens (bei Platon) orientieren, sie zweitens keinen personalen Bezug zur Gottheit denken und sie drittens keine vergleichbare »politische« Institution wie die Kirche kennen (vgl. ebd., S. 173 ff.).

8 Es gibt daher eine zweite Lesart der Meditationen Descartes’, die von der konventionellen Sicht als dem Hauptverantwortlichen für den neuzeitlichen Dualismus abblendet und den Modus der Meditationen als Praxis und Habitus in den Blick nimmt (vgl. Grünbein 2008).

Die Wiederkehr des Übens

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