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ee) Vorverlagerungen der Steuerungswirkung durch die Strafbarkeit des Versuchs?

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Besonderheiten ergeben sich aus steuerungstechnischer Sicht bei der Frage, ob und inwieweit der Versuch der Gefährdung sanktioniert werden soll[362]. Diese Besonderheiten folgen wiederum aus dem Umstand, dass die Gefährdungstatbestände bereits auf einen konkreten – häufig im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung liegenden – Erfahrungsraum Bezug nehmen und dort spezifische Gefährdungshandlungen unter Strafe stellen.

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Der Versuch eines Gefährdungsdelikts würde den strafrechtlichen Schutz in das Vorfeld der vollendeten Gefährdung des durch den Tatbestand geschützten Rechtsguts bzw. Institution verschieben[363]. So würde etwa der Versuch einer Baugefährdung durch die Ausführung eines Baus unter Verstoß gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik Verhaltensweisen pönalisieren, die noch nicht einmal einen Verstoß gegen anerkannte Regeln der Technik beinhalten und nur möglicherweise auf einen solchen Verstoß hinführen. Konkret könnte etwa bereits das Anmischen falschen Betons im Betonwerk bestraft werden, wenn bei einem konkreten Bauwerk, für das der Beton gedacht ist, nur ein besonders belastbarer Beton verwendet werden darf.

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In einem solchen Fall mag die drohende Gefahr zwar erkennbar sein, die erkennbare Gefahr darf mit der tatsächlichen Gefahr indessen noch nicht gleichgesetzt werden. Ob der Unternehmer diesen Beton tatsächlich ausliefern wird, ob nochmals eine Kontrolle vorgenommen wird und ob diese Kontrolle, den Fehler aufdeckt oder ob der Unternehmer beabsichtigt, dem Gemisch weitere Stoffe beizumischen, die den Beton dem geforderten Beton gleichwertig machen würden, ist ungewiss. Eine Situation der Ungewissheit darf damit nicht mit der Situation einer Gefahr gleichgesetzt werden. Fehlt aber eine Gefahr für ein Rechtsgut, entfällt eine wesentliche Legitimationsgrundlage für die Strafbarkeit eines Verhaltens überhaupt. Außerdem verlieren die nach der traditionellen Sichtweise verbleibenden Gründe einer Versuchsstrafbarkeit, die Betätigung des rechtsfeindlichen Willens und der Eindruck der Tat auf die Allgemeinheit, an Überzeugungskraft. Liegt das Verhalten im Vorfeld jeglicher Gefährdung, wird es in aller Regel objektiv neutral sein[364]. Von objektiv neutralem Verhalten kann aber zum einen kein schädlicher Eindruck auf die Allgemeinheit ausgehen; zum anderen bezieht sich der rechtsfeindliche Wille auf ein in der Zukunft liegendes Verhalten und ist daher im eigentlichen Sinne gerade noch nicht betätigt worden.

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Um diese Konsequenz zu vermeiden, setzt ein für den Versuch des abstrakten Gefährdungsdelikts relevantes unmittelbares Ansetzen gem. § 22 StGB in der Regel den unmittelbaren Beginn mit der tatbestandsmäßigen Handlung voraus[365]. Die (Teil-)Verwirklichung der tatbestandsmäßigen Handlung muss aus demselben Grund auch bei konkreten und potentiellen Gefährdungsdelikten vorausgesetzt werden[366]. Raum für eine wirkliche Vorverlagerung der Strafbarkeit durch die Regeln des Versuchs bleibt zumeist also nur bei konkreten Gefährdungsdelikten und untauglichen Versuchen. Hält man für die konkreten Gefährdungsdelikte daran fest, dass der Tatentschluss entsprechend dem Vorsatz des vollendeten Delikts die konkrete Gefährdung mit umfassen muss, wird der Tatentschluss in der Praxis freilich kaum nachweisbar sein[367].

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