Читать книгу Brandstifter - Martin Krist - Страница 13
ACHT
ОглавлениеDie Assistentin des Staatsanwalts starrte David an. »Wer sind Sie?«
Händchenhaltend verließ ein Pärchen den benachbarten Neubau.
»Ein Reporter?«
Die junge Frau küsste ihren Freund, bevor sie zur U-Bahn-Station eilte. Er schwang sich mit einem Lächeln auf ein Mountainbike.
»Oder hat … hat Gurskys Onkel Sie geschickt? Sind Sie«, ihr Blick fand die Tätowierung auf seinem Unterarm, ein rostroter Drache, gestochen von einem miesen Hinterhofscratcher, »so was wie ein … ein Privatdetektiv?«
»Vorsicht, Frau Wertek«, sagte David.
Der junge Mann radelte auf sie zu.
Wertek tat einen Schritt beiseite. Mit ihren Pumps stolperte sie über einen schmalen, sandigen Riss im Bürgersteig. Schwankend behielt sie das Gleichgewicht.
David ließ einen Augenblick verstreichen.
Erfahrungsgemäß brauchte es etwa fünf bis zehn Sekunden, bis Menschen einen Schreck überwanden, und zweifellos hatte David ihr mit seinem Auftauchen einen gehörigen Schreck eingejagt. Aus einem Grund, den er bis heute nicht genau benennen konnte, dauerte es bei Männern etwas länger als bei Frauen. Manchmal reifte in dieser Zeit die erleichternde – und für David praktische – Erkenntnis, dass sie ihre Lügen satthatten und eigentlich nur auf jemanden gewartet hatten, der ihnen die Entscheidung abnahm.
Frau Wertek – 36 Jahre, seit neun Jahren verheiratet, ihr Ehemann schwer erkrankt, eine gemeinsame vierjährige Tochter – gehörte nicht dazu. Sie straffte ihre Haltung. »Was wollen Sie wissen?«
»Der Staatsanwalt wird Anklage gegen Herrn Gursky erheben.«
»Selbstverständlich.«
»Warum?«
»Weil er einen Brand gelegt und damit seine Frau ermordet hat!«
»Das konnte ich bereits aus der Zeitung erfahren. Was hat Ihr Chef Konkretes gegen ihn in der Hand?«
»Ihnen ist schon klar, dass das, was Sie hier machen …«
»… nichts weiter ist als ein kurzes, informelles Gespräch.«
»Sie verlangen von mir, dass ich …«
»… dass Sie etwas Rücksicht auf Ihren Ehemann nehmen, der sich seit seiner Erkrankung um Ihre Tochter kümmert. Das ist er doch dort am Fenster, oder?«
Erneut schaute Wertek zurück zu ihrer Wohnung. In dem blassen, eingefallenen Gesicht ihres Mannes stand Verwunderung.
Wie ein Schatten huschte das schlechte Gewissen über die Miene seiner Frau. Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte sie, als wollte sie ihre Entscheidung revidieren.
Dann zwang sie sich zu einem Lächeln. Sie winkte ihrem Mann.
»Mein Auto steht eine Straße weiter«, sagte sie und schob sich die Henkel ihrer vornehmen Ledertasche in die Armbeuge. Ohne ein weiteres Wort stöckelte sie davon.
David folgte ihr in die Körnerstraße. Wenige Altbauten, umso mehr Wohnklötze. Über eine verwilderte Brachfläche streunte eine struppige Katze.
Wertek blieb vor einem silberfarbenen Tiguan stehen. Ihr Gesicht glühte zornig in der Sonne. »Also?«
»Was liegt gegen Herrn Gursky vor?«
»Die Experten der Kriminaltechnik haben in der Wohnung mehrere Brandherde feststellen können. Zufrieden?«
David schüttelte den Kopf.
Werteks erboster Blick floh über die Straße zu der Katze, die hinter einem Stein in Habachtstellung gegangen war. »Gursky hatte Reste von Brandmitteln an sich. Er selbst hat sich schwerste Verbrennungen an seinen Händen, seinen Armen und in seinem Gesicht zugezogen. Am Rücken dagegen hat er kaum Verletzungen.«
»Daraus schließen Sie?«
»Das ist doch wohl offensichtlich! Er hat das Feuer vorsätzlich gelegt, sich dabei aber so ungeschickt angestellt, dass es ihn selbst erwischt hat.« Wertek wartete, bis eine junge Mutter ihren Kinderwagen vorbeigeschoben hatte. »Zweifellos haben wir es mit einem Versicherungsbetrug zu tun. Und Mord.«
»Wieso sollte er Derartiges geplant haben?«, fragte David.
»Wenn Sie Ihre Arbeit richtig gemacht hätten, wüssten Sie, dass Gursky kein unbeschriebenes Blatt war.«
»Ich weiß, dass die Lebensversicherung seiner Frau auf die Kinder läuft.«
»Dass seine Kinder überlebt haben, war reine Glückssache.«
»Selbst wenn die beiden auch den Tod gefunden hätten, wäre das Geld niemals an ihren Vater ausgezahlt worden. Dessen muss er sich bewusst gewesen sein.«
»Woher nehmen Sie diese Sicherheit? Wenn Leuten wie ihm das Wasser bis zum Hals steht, wenn sie verzweifelt sind und keinen Ausweg sehen, dann denken sie seltenst noch klar. Gursky wäre nun wahrlich nicht der Erste, der da einfach durchdreht.«
»Durchdreht?«, horchte David auf.
Wertek presste die Lippen aufeinander.
Davids Blick fand den Ehering an ihrem Finger.
Hasserfüllt starrte sie ihn an. »Gursky stand zur Tatzeit unter Einfluss von Betäubungsmitteln. Benzodiazepine und Heroin.«
David ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen. Ein Motorrad mit Sportauspuff knatterte an ihnen vorbei.
»War’s das jetzt?«, fragte Wertek, nachdem der Lärm verklungen war.
Aus dem Augenwinkel verfolgte David die Katze, die mit einer leblosen Maus im Maul über die Brachfläche tapste. »Einiges deutet auf einen Tathergang hin, wie Sie ihn beschreiben …«
»Es gibt nichts, was auf einen anderen Hergang hindeutet.«
Achselzuckend wandte sich David ab.
»Die Beweise sprechen eine klare Sprache.«
Um ein Haar stieß er mit einer älteren Dame zusammen, die sich mit einem Rollator den Bürgersteig entlangschleppte.
»Hey, Sie!«, folgte ihm Werteks Stimme. »Sie haben erfahren, was Sie wollten.«
Er drehte sich noch einmal zu ihr um.
»Aber Sie hängen das nicht an die große Glocke. Sie sind wirklich kein Reporter, oder?«
Er antwortete nicht.