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ELF

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Luka brauchte eine Ewigkeit bis zum Kottbusser Tor.

Er ignorierte die ramponierten Gestalten vor der Ankerklause. Stattdessen steuerte er den hässlichen Wohnklotz an. Der Straßenlärm dröhnte. Von irgendwo nervte orientalischer Pop.

Vor dem türkischen Reisebüro blieb er stehen. Er hielt sich den pochenden Finger. Noch immer rumorte sein Magen.

Fällig in drei Tagen, andernfalls

Wie zur Hölle sollte er in so kurzer Zeit 1.000 Euro auftreiben? Schon jetzt hatte er ja nicht einmal mehr einen Fünfer für die U-Bahn. Und bis zum Monatsanfang, wenn das Arbeitslosengeld auf seinem Konto landete, war es noch eine ganze Weile hin. Mal ganz abgesehen davon, dass die Stütze nicht annähernd ausreichte, um die Schulden davon zu bezahlen.

Verzweifelt glitt sein Blick über die tristen Balkone und tristen Satellitenschüsseln hoch zu den tristen Fenstern seiner Wohnung.

Ihm schwante, in welcher Stimmung ihn seine Frau erwartete, nachdem er die Nacht im Sideways durchgezecht hatte, obwohl der ganze Mist noch längst nicht vergessen war, erst recht nicht vergeben. Und wenn sie nun auch noch davon erfuhr, dass er –

»Ey, Mann!« Eine Hand legte sich auf seine Schulter.

Erschrocken wirbelte Luka herum und starrte in das breit grinsende Gesicht seines Kumpels. Schmerz, Übelkeit und seine Verzweiflung waren schlagartig verschwunden. Jetzt verspürte Luka nur noch Wut. »Verdammt, wo hast du gesteckt?«

»Na ja«, Alf druckste herum, während er sein Basecap zurechtrückte. »Werner sah nich’ grad’ freundlich aus.«

»Was du nicht sagst!«

»Hat er die Kohle von dir gewollt?

»Kannst du sie mir leihen?«, fragte Luka.

Alf glotzte ihn an. »Ich dacht’, du könnt’st mir was pumpen.«

»Wie bitte?«

»Yo, ich dacht’ nur … Ich hätte da was. Leicht verdientes Geld, weißte, und da könn’n wir …«

»Du verarschst mich, oder?«

»Nee, Mann, ich …«

»Du verarschst mich wirklich!«

»Brauchste dich nich’ gleich so aufregen.«

»Verdammt, Alf! Ich kämpfe hier gerade noch mit den Folgen deiner letzten tollen Idee und du …«

»Ey, pass ma’ auf!« Alf blähte seinen Brustkorb auf. »Was kann ich denn dafür, wenn du so blöd bis’ und dich erwischen lässt?«

»Ich dachte, wir sind Kumpel?«

»Klar, aber …«

»Aber was?«

Alf wollte etwas erwidern.

»Weißt du was?«, schnitt Luka ihm das Wort ab. Plötzlich fiel es ihm wieder ein. »Nati hat recht.«

»Hä?«

»Du bist ein Honk!« Luka ging ins Haus und erklomm unsicheren Schrittes die Stufen hoch in die dritte Etage.

Auf Zehenspitzen schlich er in die Wohnung.

Obwohl im Flur nur Linoleum verlegt worden war, knarzte der Boden wie die Dielenbretter eines pompösen Altbaus.

Nicht zum ersten Mal wünschte sich Luka raus aus diesem Haus, das drinnen genau so hässlich war, wie es von außen wirkte.

Damals, als sie eingezogen waren, hatten sie sich nicht sonderlich daran gestört. Sie waren sowieso die meiste Zeit unterwegs gewesen – noch Studenten, jung und frisch verliebt.

Dann war Nati schwanger geworden, und mit der Geburt von Noah, ihrem Sohn, hatte sich alles verändert. Erst gab sie ihr Studium auf, kurz nach der Hochzeit schmiss Luka hin. Stattdessen suchte er sich eine Arbeit, verlor sie wieder, fand einen anderen Job, den er ebenso bald wieder los war.

Vor einem Dreivierteljahr war dann Franzi gekommen. Inzwischen war ihre Wohnung nicht nur zu klein, sondern Schimmel hatte sich im Schlafzimmer und im Kinderzimmer eingenistet. In allen Räumen hing ein muffiger Gestank, und immer wieder erlitt Noah Asthmaanfälle – es sei denn, sie hielten die Fenster den ganzen Tag geöffnet. Dann allerdings trieben, abgesehen vom Straßenlärm und der Hitze, Schwaden aus Sprit und Abgasen herein, was auch nicht viel gesünder war.

Für einen Umzug jedoch fehlte ihnen das Geld, und daran würde sich auch in näherer Zukunft nichts ändern.

1.000, die erste Rate

Für den Bruchteil einer Sekunde dachte er daran, seinen Onkel um Hilfe zu bitten. Aber das konnte er nicht, das wollte er nicht, nicht noch einmal.

Es hatte ihn schon einige Überwindung gekostet, seinen Onkel nach der Verhaftung anzurufen. Genau genommen war es nicht einmal seine Idee gewesen, sondern die von Nati.

Sein Onkel hatte ihm, noch bevor er den Anwalt verständigt hatte, ein Versprechen abgerungen. Du musst endlich erwachsen werden. Dieser Mist muss vorbei sein!

Was also sollte Luka ihm sagen? Dass die Sache ganz und gar nicht vorbei war und stattdessen ein paar richtig fiese Typen einen Haufen Kohle von ihm verlangten? Wegen der verdammten Drogen?

Nein, er musste eine andere Lösung finden. Er brauchte einen klaren Kopf. Vor allem brauchte er Schlaf.

Als er sich weiter einen Weg durch den Flur und über die wild verstreuten Kinderschuhe und Legosteine bahnte, blieb es in der Wohnung still. Wahrscheinlich hielt seine Frau mit den Kindern ihren täglichen Mittagsschlaf. Ein Glück, das gab auch ihm etwas Zeit für –

»Ach«, Nati trat aus dem Schlafzimmer, »du endlich?«

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