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SIEBZEHN

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Valentina saß allein auf dem Mahagoni-Sofa.

»Frau Starke«, sagte Kommissar Berger, der sich ihr gegenüber auf einem Stuhl niedergelassen hatte. »Geht es Ihnen etwas besser?«

Sie erwiderte seinen Blick. Meinte er die Frage ernst? Ob es mir besser geht? Seit die Wirkung der Spritze nachgelassen hatte, war eher das Gegenteil der Fall.

»Ich weiß, das alles ist sehr schwierig für Sie«, der Kommissar griff in seine Jackentasche und brachte einen Notizblock zum Vorschein, der ähnlich zerknittert war wie seine Kleidung. »Aber es haben sich einige Fragen ergeben, die Sie uns bitte beantworten müssen. Schaffen Sie das?«

Valentina atmete durch. Nein, sie hatte nicht das Gefühl, über die Kraft dafür zu verfügen.

Aber es geht um Georg, seinen Tod und –

Sie verkrampfte die Hände, spürte den Ehering an ihrem Finger. Sie antwortete mit einem schwachen Kopfnicken.

»Also, Sie, äh … einen Moment, ich habe es mir notiert.« Kommissar Berger schlug seinen Notizblock auf und studierte seine hingekritzelten Aufzeichnungen. »Ah, hier, Sie sind 35, Frau Starke, richtig?«

Wieder nickte sie nur.

»Und Sie haben mit Ihrem Mann zwei Kinder, Mia und Lennard?«

»Ja.«

»Wie lange schon leben Sie mit Ihrer Familie im Grunewald?«

»Fünf Jahre, aber was …«

»Nur damit alles seine Richtigkeit hat«, unterbrach sie Bergers Kollege, Kommissar Gesing. »Ich weiß, wir haben Ihnen diese Frage schon einmal gestellt, aber vielleicht ist Ihnen in der Zwischenzeit ja etwas eingefallen.«

Valentina schüttelte den Kopf.

»Bitte überlegen Sie ganz genau: Haben Sie irgendeine Vermutung, wer für den Tod Ihres Mannes verantwortlich sein könnte?«

Mittlerweile konnte sie sich an jede Menge erinnern, aber definitiv an nichts, was Georgs Tod erklärte. Der Mord war ebenso unfassbar, wie er entsetzlich war.

Augenblicklich hatte sie wieder seine Leiche vor Augen, den Gestank in der Nase. Ihr wurde übel. Sie konnte nicht anders, sie musste die Frage stellen: »Hat er … hat Georg leiden müssen?«

Noch während die Worte über ihre Lippen sprudelten, bereute sie sie.

»Wir müssten lügen«, erklärte Kommissar Berger, »um Ihnen darauf eine Antwort zu geben. Vielleicht wissen wir nach der Obduktion mehr, aber bis dahin … Es tut mir leid, wir wissen es nicht.«

Valentina verspürte Erleichterung. Möglicherweise war es besser, wenn sie die Antwort niemals erfuhr. Denn in der Ungewissheit lag auch die Hoffnung – dass Georg nämlich nicht hatte leiden müssen. Daran wollte sie ganz fest glauben.

Aber trotzdem ist er tot, ermordet und –

Sie schauderte. »Sind … sind wir in Gefahr?«

»Äh«, Kommissar Berger zwirbelte die Spitzen seines preußisch-zackigen Schnauzbartes. »Wie kommen Sie darauf?«

»Die Polizei, vor dem Haus.«

»Ach so, nein, die Kollegen sind reine Routine. Es gibt nichts, was auf eine konkrete Bedrohung hinweist, da kann ich Sie beruhigen.«

In der Küche lachte Lennard. Amys Stimme drang aus dem Schlafzimmer. Sanft sprach sie auf Mia ein.

Papa ist tot.

Valentinas Blick fand die Gemälde an der Wand. Souvenirs gemeinsamer Reisen mit Georg, Amy und deren Ex-Mann Josh. Andenken aus dem südafrikanischen Durban, aus Coober Pedy, einem staubigen Nest mitten in der Backofenwüste von Südaustralien, aus Belize und seinen hinreißenden Atollen, Bangkok, Buenos Aires. Erinnerungen an eine andere, eine vergangene Zeit.

Nein, es gab nichts, was Valentina beruhigen konnte.

Kommissar Berger widmete sich wieder seinem Notizblock. »Ihr Mann war Geschäftsführer der Starke-Holding, unter deren Dach er seine Firmen vereint hatte, eine Biogas-Anlage, eine Logistik-Firma, einen Maschinen-Großhandel, ein Bauunternehmen.«

»Außerdem hat er sich als Investor einen Namen gemacht«, fügte sein Kollege hinzu.

Valentina beließ es bei einem Kopfnicken.

Kommissar Gesing fragte: »Kam es dabei zu Konflikten mit Mitarbeitern oder Geschäftspartnern?«

»Ja, aber …«

»Wurde er auch bedroht?«

»Nein.«

»Er hat nichts dergleichen erwähnt?«

»Nein, nur …« Valentina zögerte.

»Nur was?«, hakte Kommissar Berger nach.

»Das Übliche, Beleidigungen, Beschimpfungen.«

»Die seine Bauprojekte betrafen, richtig? Nicht jedes stieß auf Zustimmung. Wie zum Beispiel sein aktuelles Projekt, die Potsdamer Höfe, bei denen er als Investor auftrat.«

»Charlottenburger Höfe«, korrigierte Valentina.

»Äh, ja«, der Kommissar brummte. »Die Charlottenburger Höfe, natürlich, eine Einkaufsgalerie, Eigentumswohnungen und ein Hotel. Allerdings hätte sich so mancher stattdessen lieber bezahlbaren Wohnraum gewünscht. Aber Morddrohungen erreichten ihn deswegen nicht, habe ich Sie richtig verstanden?«

»Ich habe doch gesagt …«

»Vielleicht hat er sie Ihnen verschwiegen?«

»Wieso sollte er das tun?«

»Um Ihnen keine Angst zu machen.«

»Nein«, widersprach Valentina. »Georg und ich, wir reden … wir haben über alles geredet.«

Kommissar Berger blickte auf seine Notizen hinab.

Sein Kollege fragte: »Wie hat sich Ihr Mann in letzter Zeit verhalten?«

»Normal.«

»Sie haben keine Veränderungen festgestellt?«

»Er … er war gestresst, aber das ist auch nicht weiter erstaunlich. Die Charlottenburger Höfe waren sein bislang größtes Bauvorhaben.«

»Mit einem Investitionsvolumen von … Äh, Moment!« Kommissar Berger studierte seine Aufzeichnungen. »40 Millionen Euro, zumindest war in der Presse von dieser Summe die Rede. Wer war alles an dem Vorhaben beteiligt?«

»Behörden, Architekten …«

»Können Sie uns bitte die Namen nennen?«

»Da fehlt mir der Überblick.«

»Ich dachte, Sie haben mit Ihrem Mann über alles geredet«, bemerkte Kommissar Berger.

Valentina schwieg konsterniert.

Du solltest auf der Hut sein!, meldete sich eine Stimme.

Allerdings fiel es ihr schwer, einen klaren Kopf zu bewahren, verzweifelt, verängstigt und erschöpft, wie sie war.

Draußen ging der Tag endgültig in den Abend über. Die Gesichter der Polizisten lagen in Schatten, düster und bedrohlich.

Fröstelnd knipste Valentina die Bodenlampe neben dem Sofa an. Das Licht zwang die Finsternis auf Distanz. Das ungute Gefühl jedoch blieb. »Wir haben über alles geredet, was uns betraf, unsere Beziehung, unsere Familie. Aber die Arbeit, also Pläne, Finanzierungen, solche Details … Damit wollte er mich nicht mehr belasten.«

»Nicht mehr?«

»Bis vor fünf Jahren habe ich für meinen Mann gearbeitet.«

»Sie waren …«

»Anfangs seine Sekretärin«, vollendete Valentina den Satz, »dann seine persönliche Assistentin.« Ein genervter Tonfall schlich sich in ihre Stimme.

Es haben sich einige Fragen ergeben

Aber nichts von alledem, was die Polizisten bisher hatten wissen wollen, war ein Geheimnis. Das alles ließ sich in Zeitungen nachschlagen oder im Internet finden. Und nichts davon bot ein Mordmotiv.

»Warum haben Sie aufgehört?«, fragte Kommissar Berger.

Valentina seufzte. »Wir haben geheiratet. Ich war schwanger.«

»Seitdem arbeiten Sie nicht mehr für Ihren Mann?«

»Ich engagiere mich sozial.«

»Für das DRK, die Flüchtlingshilfe, außerdem leiten Sie die gemeinnützige BerlinPolaris gGmbH, eine Art Stiftung, richtig?«

»Ja, das stimmt.«

»Und was ist mit dem Bruder Ihres Mannes, Leon Starke?«, fragte Kommissar Gesing.

»Leon?« Valentina sah sie überrascht an. »Was soll mit ihm sein?«

»Wie war das Verhältnis der beiden?«

»Sehr gut.«

»Gab es Streit zwischen den beiden?«

»Das hatten wir doch schon.«

»Natürlich, aber wenn man auch in geschäftlichen Beziehungen zueinander steht, da kann es …«

»Kann es sicher«, unterbrach Valentina gereizt. »Nur dass es keine geschäftlichen Beziehungen gegeben hat zwischen Georg und Leon.«

»Ihr Schwager war wie Ihr Mann Teilhaber der Export-Firma.«

»Weil die Firma ihrem Vater gehörte, der sie seinerzeit gegründet hat. Ganz am Anfang war Leon in der Firma involviert, richtig, aber dann hat er sich zurückgezogen, sein Interesse galt … und gilt … dem Film.«

»Er hat seine eigene Firma, eine Filmproduktion.«

»Ja, und das Startkapital stammte von Georg, meinem Mann, nicht mehr, nicht weniger. Aber vielleicht erklären Sie mir jetzt endlich, worauf Sie mit Ihren Fragen hinauswollen?«

»Nun, es geht um das Geschäftsgebaren Ihres Mannes.« Mit einem entschlossenen Ruck schlug Kommissar Berger seinen Notizblock zu. »Da gibt es nämlich einige Ungereimtheiten.«

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