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Didaktische Transformation
ОглавлениеDidaktische Transformation soll hier nicht didaktische Reduktion bedeuten. In der Literatur werden Transformation und Reduktion traditionell synonym verwendet, wie in einem Aufsatz mit dem Titel »Die didaktische Reduktion als Kernstück der Didaktik« zu lesen ist: Der Lehrer wird mit einem Transformator verglichen; »er sei mit zwei Leitungen an die Wissenschaft angeschlossen und mit den beiden anderen an die Schüler. Seine Aufgabe sei es, die Wissenschaft mit ›niedriger Spannung‹ an Schüler weiterzuleiten«.4 Die dabei benutzten Verben verdeutlichen das: »popularisieren, gemeinverständlich darstellen, volkstümlich darstellen, jugendgemäß darstellen, elementar darstellen, vereinfachen, fasslich machen oder reduzieren«.
Ebenso wenig ist das Konzept der didaktischen Transformation mit »Abbilddidaktik« zu verwechseln, weil keineswegs der philosophische Kontext allein determiniert, welche Theoreme im Unterricht verwendet werden. Noch in den bekannten Prinzipien der »Didaktischen Reduktion« oder »Elementarisierung« scheint mir ein solches Primat des Faches fortzuleben.5 Denn dort herrscht die Illusion, als ob es einen objektiven Kanon gäbe, der ein für alle Mal festlegte, was jeweils »elementar« oder »kompliziert« sei; oder als ob es eine allgemeingültige Hierarchie gäbe, innerhalb derer das vermeintlich höhere Wissen – in einem hier nicht gemeinten Sinn – lediglich »herunter zu transformieren« oder zu »reduzieren« wäre.
Der Mythos der Reduzierung und Elementarisierung verschwindet hingegen, wenn man von der Strategie des didaktischen Diskurses ausgeht, welcher die Auswahl und Modifikation des Übertragenen bestimmt. Was in der akademischen Philosophie als grundlegend gilt(z. B. formale Logik), kann in der Unterrichtspraxis eine untergeordnete Rolle spielen. Was umgekehrt in der Philosophie als besonders speziell gilt (etwa bestimmte Methoden), kann im Unterricht zum elementaren Verfahren mutieren. Und was schließlich für Universitätsphilosophen als bloß marginal gilt (bestimmte Textgattungen außer den üblichen Traktaten), kann in der Schule ins Zentrum rücken. Nach diesem Modell der Transformation werden die philosophischen Karten fortwährend neu gemischt.
Methodisch orientiert sich dieses Konzept an der neueren Diskurstheorie. Demnach erhalten Begriffe und Argumente ihre Bedeutung durch den Kontext, in dem sie innerhalb bestimmter Diskurse stehen. Diese Bedeutung wechselt folglich, wenn Aussagen in einen anderen Kontext übertragen werden. Das diskursive Feld verändert die semantische Funktion. Die Strategie des neuen Diskurses bestimmt bereits die Selektion des Übertragenen. Es wird also kein feststehender Inhalt übertragen, sondern das Übertragene gewinnt seine Bedeutung erst im Prozess der Übertragung in einen neuen Kontext. Wenn die Vermittlungstypen »Abbilddidaktik« versus »Konstitutionsthese« als »deduktive« bzw. »induktive« Methoden bezeichnet werden können,6 so charakterisiere ich meine Methode als »abduktiv«.7 Unter Abduktion versteht der amerikanische Pragmatist Peirce das geregelte Verfahren der Anwendung eines allgemeinen Prinzips auf eine konkrete Situation. Dabei wird das Prinzip der Situation angepasst, wie es sich zugleich rückwirkend im Prozess dieser Anpassung verändert. Hermeneutisch kann man dieses Verfahren als heuristischen Zirkel beschreiben, diskurstheoretisch als wechselseitige Kontextualisierung, systemtheoretisch als Variation und Selektion; auf jeden Fall ist es pragmatisch, weil die verwendeten Theoreme nach jeweils praktischen Erfordernissen ausgewählt und modifiziert werden.
Dieses Verfahren der didaktischen Transformation soll nun im Hinblick auf philosophische Denkrichtungen und Methoden verdeutlicht werden. Denn die Grundidee besteht darin, die Denkrichtungen der Philosophie in philosophische Verfahren des Unterrichts zu transformieren. Transformation bedeutet hier die Übertragung und Umformung dieser Richtungen in philosophische Praktiken, die von Schülerinnen und Schülern erlernt und selbstständig angewendet werden können. Die Philosophie ist zwar nicht ihre eigene Didaktik, wohl aber enthält sie didaktische Potenziale, die eine separate Ausarbeitung lohnen. Das erfordert die Auswahl, Modifizierung und Ergänzung derjenigen Möglichkeiten, die sich im Unterricht besonders gut verwirklichen lassen. Leitend dafür sind die philosophischen Kompetenzen, die den Lernenden vermittelt werden sollen.