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Der Begriff »modern«

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»Modern« bezieht sich im vorliegenden Fall nicht auf das, was in der Philosophie unter Moderne verstanden wird, und damit auch nicht auf Aufklärung und Emanzipation.5 Vielmehr ist der Begriff ganz profan aufzufassen, denn er soll hier hauptsächlich den Zeitraum der philosophiedidaktischen Ansätze kennzeichnen, die im Anschluss an die Martens-Rehfus-Debatte bis heute publiziert worden sind. Wenn darauf hingewiesen wird, dass es sich bei den modernen Ansätzen der Philosophiedidaktik primär um jene handelt, die in den letzten dreißig Jahren erschienen sind, dann legt diese Formulierung schon nahe, dass auch Ausnahmen zu verzeichnen sind. Solche stellen zweifelsohne die grundlegenden philosophiedidaktischen Überlegungen dar, die Kant in seiner Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbenjahre, von 1765 – 1766 formuliert hat, sowie die Ausführungen Hegels in Über den Vortrag der Philosophie auf Gymnasien. Privatgutachten für den Königlich Bayrischen Oberschulrat Immanuel Niethammer! (1812). Verkürzt und vereinfacht formuliert kann man davon sprechen, dass Kant in seinem Entwurf eine induktive Vorgehensweise präferiert, während der von Hegel dargelegte Vorschlag deduktiv ausgerichtet ist.

Nahezu alle philosophiedidaktischen Ansätze (zumindest) seit Martens und Rehfus lassen sich schwerpunktmäßig auf die Theorien von Kant bzw. Hegel zurückführen oder beinhalten gar Elemente beider Lehren. Aus diesen Gründen müssen die Auffassungen der beiden deutschen Philosophen als Fundament für die Auseinandersetzung mit modernen philosophiedidaktischen Ansätzen auch in der heutigen Diskussion Berücksichtigung finden.

Es steht außer Frage, dass es sogar eine noch frühere Philosophiedidaktik gab, die in diesem Buch aber außen vor bleiben muss. Sie lässt sich bis in die griechische Antike zurückverfolgen. So formuliert Volker Steenblock im Anschluss an Horst Rumpf, dass es sich bei dem platonischen Dialog Menon wohl um die »erste Lehrprobe der Welt«6 handeln dürfte. Platons Sprachrohr Sokrates nimmt im Anschluss an die Unterweisung reflektierend Bezug auf das gesamte Lehrgespräch, indem er es sowohl didaktisch einschätzt als auch kommentiert. Aber Platons Einfluss auf die Philosophiedidaktik ist verschwindend gering und spielt somit in der Diskussion um einen modernen Philosophieunterricht – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle. Das trifft auch für viele andere Philosophen wie beispielsweise Cicero, Quintilian, Thomas von Aquin, Vico, Descartes, Fichte, Schelling, Schlegel oder Schleiermacher7 zu, die sich alle der Kunst der Vermittlung von Philosophie gewidmet haben.

Auch die Philosophiedidaktik, die mit dem Aufkommen des modernen Gymnasiums im 19. Jahrhundert einsetzt, ist für den modernen Philosophieunterricht nur geschichtlich von Bedeutung. Bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts ist sie primär von der Frage um die Legitimation des Faches geprägt,8 denn zwischen 1816 und 1972 wird das Fach Philosophie immer wieder wegen Curriculumrevisionen aus dem Kanon der Schulfächer gestrichen oder wieder aufgenommen und ist daher nur diskontinuierlich, mal obligatorisch, mal fakultativ, vertreten.9 Nach dem zweiten Weltkrieg wird das Fach Philosophie an Gymnasien erneut eingeführt und kann in den sechziger Jahren in mehreren Bundesländern entweder als Pflichtfach oder Wahlpflichtfach belegt werden. Zu Beginn der siebziger Jahre, insbesondere im Zuge der Reform der gymnasialen Oberstufe, mehren sich die philosophiedidaktischen Ansätze, wobei vor allem die Frage, was – nicht wie – die Schülerinnen und Schüler inhaltlich lernen sollen, in den Blick genommen wird. So vertritt Rudolf Lassahn die Auffassung, dass im Philosophieunterricht nicht die klassischen kanonischen Texte behandelt werden sollen, sondern aktuelle gesellschaftliche und politische Fragen, die für Schülerinnen und Schüler besonders ansprechend seien.10 Wolfgang Deppe kritisiert Lassahns Ausführungen dahingehend, dass dem einseitigen Interesse der Schülerinnen und Schüler zu viel Aufmerksamkeit geschenkt werde. Deppe hält ein bloßes Ausgerichtetsein auf aktuelle Probleme für ebenso falsch wie eine ausschließliche Betrachtung der Vergangenheit, wie dies etwa Heinrich Hahne vorschlagen hatte.11 Die Behandlung klassischer philosophischer Texte sei – so Deppe – allerdings insofern unumgänglich, als durch ihr Verständnis aktuelle Zusammenhänge erst in Gänze, d. h. in ihrer Kontinuität erschlossen werden können.12

Neben der Diskussion um den zu vermittelnden Unterrichtsstoff werden auch erste didaktische Überlegungen zur Vermittlung von Unterrichtsinhalten geäußert. So betrachtet Karl Püllen das Fach Philosophie nicht nur als reine »Denkschulung«,13 sondern auch als »Erlebnis«, »Einführung in das Problemdenken« und als »Hinführung zum Fachwissen«. Diese Auffassung mutet auf den ersten Blick modern an, wenn Püllen nicht ausführen würde, dass die anzustrebenden Ziele primär durch das Dozieren der Lehrenden und einen an das sokratische Vorgehen angelehnten fragend-entwickelnden Unterrichtsstil erreicht werden sollen.14 Die hier angeführten Beispiele veranschaulichen, dass die Didaktik der Philosophie vor der Martens-Rehfus-Debatte völlig anders akzentuiert und weit davon entfernt war, als »modern« bezeichnet werden zu können, auch wenn Lassahn schon die Vision vorschwebte, dass es sinnvoll wäre, mit dem Philosophieunterricht an die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler anzuknüpfen: »Philosophie in der Schule wird nur dann eine Chance haben, wenn es ihr gelingt, einen Gegenstandsbereich zu bearbeiten, der für unser Leben notwendig ist, wo offene Fragen liegen, die sich unabweisbar einstellen«.15 Bis diese Vorstellung allerdings durchgängiges Prinzip und State of the Art wurde, sollten noch einige Jahrzehnte vergehen.

Moderne Philosophiedidaktik

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