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3. Zivilrechtliche Haftung des Strafverteidigers[56]

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Kommt der Verteidiger seinen Pflichten aus dem Anwaltsvertrag nur unzureichend nach, so stellt dies eine vertragliche Schlechterfüllung dar, aus der dem Mandanten Schadensersatzansprüche gegen den Anwalt erwachsen können. Als Anspruchsgrundlage kommt regelmäßig – beim Wahl- wie auch beim Pflichtverteidiger[57] – eine positive Vertragsverletzung (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) in Betracht.[58]

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Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verteidiger nicht verpflichtet ist, die Verteidigungsstrategie seines Mandanten zu übernehmen und danach zu handeln. So stellt bspw. die Erhebung von Beweisen zwar ein strafprozessuales Recht, nicht aber eine durch den Mandatsvertrag begründete Pflicht dar, deren Verletzung zu einer Haftungsbegründung wegen Pflichtverletzung führen könnte.[59]

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Schadensersatzansprüche des Mandanten können jedoch entstehen, wenn der Verteidiger gegen seine Aufklärungspflicht bei der Informationsgewinnung verstößt,[60] wobei sich der Verteidiger allerdings darauf verlassen dürfen soll, dass ihn der Mandant wahrheitsgemäß und vollständig informiert.[61]

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Die Kenntnis des Verteidigers von den (aktuellen) Ermittlungsergebnissen stellt eine Grundpflicht des Verteidigers dar. Unterlässt es der Verteidiger, ihm mögliche Akteneinsicht zu nehmen, stellt dies eine grobe Pflichtverletzung dar, die zu Schadensersatzforderungen des Mandanten führen kann, so wenn er dem Mandanten zur Zustimmung nach § 153a StPO rät, obgleich sich für den Verteidiger aus den Akten ein Verfahrenshindernis, wie z.B. der Eintritt der Verfolgungsverjährung ergeben hätte.[62] Obgleich dem Verteidiger nicht nur ein Recht zur Vornahme eigener Ermittlungen zusteht, sondern dies auch zur bestmöglichen Verteidigung erforderlich sein kann (siehe Kap. 2 Rn 384 ff.), so soll deren Unterlassung für den Mandanten keine Schadensersatzpflichten auslösen können.[63]

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Auch an die rechtliche Prüfung des ihm angetragenen Falls stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen; insbesondere soll der Verteidiger grundsätzlich jeden Rechtsirrtum zu vertreten haben. So kann der Verteidiger sich schadensersatzpflichtig machen, wenn eine von ihm geführte Revision als unzulässig verworfen wird, weil der Verteidiger bei der Fertigung einer (begründeten) Verfahrensrüge der Darlegungslast des § 344 Abs. 2 StPO nicht nachgekommen ist.[64] Der Verteidiger hat sich grundsätzlich Kenntnis von der aktuellen Rechtslage und der hierzu vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verschaffen und sich hieran zu orientieren.[65] Dazu hat er sich aus den einschlägigen Fachzeitschriften laufend zu informieren.[66]

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Auf eine Rechtsprüfung durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft darf er sich niemals verlassen, da ihm aus dem Verteidigervertrag eine sog. Fehlerverhütungspflicht erwächst.[67] Es gehört zu den Grundpflichten des Strafverteidigers, erkennbaren Fehlern des Gerichts entgegenzuwirken.[68] Auch wenn den Mandanten entlastende Umstände, wie z.B. das Bestehen eines Verfahrenshindernisses von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen sind, entlasten den Verteidiger Fehler der Justiz nicht. Ein zugleich bestehender Amtshaftungsanspruch des Mandanten tritt in diesen Fällen hinter dem Schadensersatzanspruch gegenüber seinem Verteidiger zurück.[69] Von der sog. Fehlerverhütungspflicht umfasst ist auch der in der Hauptverhandlung rechtzeitig zu erhebende Widerspruch zur Aufrechterhaltung von Beweisverwertungsverboten oder aber der Hinweis des Verteidigers auf einen fehlenden Strafantrag bei einem reinen Antragsdelikt.

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Ansprüche des Mandanten wegen positiver Vertragsverletzung (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) können namentlich auch aus einer mangelhaften Beratung des Beschuldigten durch seinen Verteidiger entstehen. Vornehmliche Aufgabe des Strafverteidigers ist es, dem Beschuldigten die rechtlichen Fragen darzustellen, um dem Mandanten eine informierte Entscheidung über sein weiteres Vorgehen erst zu ermöglichen.[70] In diesem Rahmen hat er den Mandanten auch umfassend auf die möglichen rechtlichen Folgen des Strafverfahrens zu belehren.[71]

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So muss er den Mandanten bei begründetem Anlass ausdrücklich auf die möglichen Folgen seines unentschuldigten Fernbleibens vom Hauptverhandlungstermin hinweisen, andernfalls dem Mandanten Schmerzensgeldansprüche als Folge seiner Inhaftierung nach § 230 Abs. 2 StPO gegen seinen Verteidiger erwachsen können.[72] Der in der Ladung enthaltene gleichlautende Hinweis an den Angeklagten befreit den Verteidiger nicht von seiner Belehrungspflicht.[73]

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Praxistipp

Die umfassende Belehrungspflicht des Verteidigers erstreckt nicht nur auf die unmittelbaren, sondern auch auf absehbare mittelbare (Neben-)Folgen einer Verurteilung, wie z.B. des drohenden Fahrerlaubnisentzugs durch das Gericht oder die Führerscheinstelle (vgl. Nr. 45 MiStra), die Anordnung und Folgen einer Maßregel nach §§ 63, 64 StGB, aber auch mögliche beamtenrechtliche,[74] ausländerrechtliche oder arbeitsrechtliche Folgen für den Fall einer Verurteilung des Mandanten zu einem bestimmten Strafmaß.

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Für das Verschulden des Verteidigers reicht grundsätzlich einfache Fahrlässigkeit i.S.d. § 276 BGB aus.[75] Er hat die übliche, von einem ordentlichen Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt einzuhalten.[76]

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Der Schaden ist nach der Differenzmethode zu ermitteln. Der Mandant ist demnach im Wege des Schadensausgleichs so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Handeln seines Verteidigers gestanden hätte.[77] Der eingetretene Schaden kann in einer zu zahlenden Geldstrafe oder -buße, in den wirtschaftlichen Folgen eines erlittenen Freiheitsentzugs[78] oder in den Verfahrenskosten liegen.[79]

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Bei der Ermittlung des erforderlichen Kausalzusammenhangs zwischen der Vertragsverletzung des Verteidigers und dem eingetretenen Schaden ist grundsätzlich maßgebend, wie das damalige Gericht nach Auffassung des nunmehrigen Gerichts, das mit dem Regressanspruch gegen den Verteidiger befasst ist, richtig hätte entscheiden müssen, nicht wie es seinerzeit im Vorverfahren mutmaßlich entschieden hätte.[80] Bei Vorliegen eines (auch) vom Verteidiger übersehenen Verfahrenshindernisses oder eines alleine wegen fehlenden Widerspruchs nicht entstandenen Beweisverwertungsverbots hinsichtlich eines die Verurteilung alleine ermöglichenden Beweismittels wird der Kausalitätsnachweis für den Mandanten auf dieser Grundlage leicht zu führen sein.

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Anders stellt sich dies auf den ersten Blick dar, wenn das Verschulden des Verteidigers sich lediglich bei der Strafzumessung ausgewirkt haben kann. In diesen Fällen soll der vorgenannte Grundsatz jedoch eine Ausnahme erfahren und die mutmaßliche Entscheidung des Vorgerichts festzustellen sein.[81] Da der Mandant hierbei gerade durch das pflichtwidrige Verhalten des Anwalts in eine besondere Beweisnot gebracht worden sei, sei getreu den hierzu vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen in diesen Fällen zudem von einer Beweislastumkehr auszugehen.[82] Mithin wird der Verteidiger in denjenigen Fällen, in denen sich sein pflichtwidriges Verhalten nur auf die Strafzumessung ausgewirkt haben kann, zur Abwendung von Schadensersatzansprüchen des Mandanten nachweisen müssen, dass sein Verschulden keinesfalls Einfluss auf das gefundene Strafmaß hatte. Dies wird dem Verteidiger i.d.R. kaum möglich sein.

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Dass dennoch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Strafverteidigers keineswegs zum gerichtlichen Alltag zählt, vielmehr im Gegenteil die absolute Ausnahme darstellt, mag in Zweierlei begründet liegen. Zum einen liegt die Durchsetzbarkeit derartiger Ansprüche für den Mandanten im Gegensatz zu einer möglichen Inanspruchnahme von Zivilanwälten keineswegs auf der Hand. Zum anderen wird sich abseits der aufgezeigten Fälle, in denen das pflichtwidrige Verhalten des Verteidiger sich (namentlich beim Übersehen zwingender Verfahrenshindernisse) offensichtlich auf das Urteil ausgewirkt hat, oftmals die Decke der freien richterlicher Beweiswürdigung (§ 261 StPO) über das anwaltliche Fehlverhalten ausbreiten und in den meisten Fällen die Auswirkungen der anwaltlichen Fehlleistungen für den Mandanten vernebeln. Dies darf jedoch keinesfalls dazu führen, dass sich der Verteidiger seiner hohen Verantwortung für den Mandanten nicht immer bewusst bleibt und seine Kompetenzen und Unzulänglichkeiten einem seiner Verantwortung gerecht werdenden Anspruch an sich selbst und seinen anwaltlichen Pflichten im Interesse des Mandanten und dem Ansehen der Anwaltschaft unterordnet.

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