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c) Keine Wahrheitspflicht des Mandanten

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Hierin unterscheidet sich die Stellung des Verteidigers diametral von der des Beschuldigten. Dem Beschuldigten steht als Folge des nemo-tenetur-Grundsatzes[103] im Strafprozess ein umfassendes Schweigerecht zu (§ 136 Abs. 1 StPO). Entschließt der Beschuldigte sich dazu, sich unter Verzicht auf sein Schweigerecht redend zu verteidigen, so unterliegen seine Angaben keiner Wahrheitspflicht. Auch dann, wenn der Beschuldigte sich durch eine Aussage verteidigen möchte, kann er nicht dazu gezwungen werden, selbst zu seiner Überführung beizutragen.

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Soweit die fehlende Wahrheitspflicht des Beschuldigten gemeinhin als „Lügerecht“ bezeichnet wird, so ist der Begriff indes höchst irreführend. Denn der Beschuldigte zahlt für dieses „Recht“ einen hohen Preis. Dem (unschuldigen) Angeklagten wird im deutschen Strafprozess jedwede Möglichkeit genommen, seine Aussage in ihrer Bedeutung der des (Belastungs-)zeugen gleichzustellen. Da nur die Aussage des Zeugen einer (strafbewehrten) Wahrheitspflicht unterliegen kann, wird dessen Aussage grundsätzlich eine höhere Glaubhaftigkeit zugemessen, als der des Angeklagten, der sie im Gegensatz zum Zeugen eben nicht beeiden kann und von dem jeder weiß, dass er straflos lügen „darf“.[104] Nicht umsonst wurde bis vor einigen Jahren in Deutschland immer wieder über den Einsatz von Lügendetektoren zur Stärkung der Überzeugungskraft von Beschuldigtenangaben diskutiert. Diese Diskussion wurde schließlich vom Bundesgerichtshof beendet, indem dieser wegen der Unzuverlässigkeit der bei der Anwendung eines Polygraphen zu erwartenden Ergebnisse darin ein völlig ungeeignetes Beweismittel gesehen hat.[105] Würde man dem Angeklagten, wie z.B. im angloamerikanischen Recht, die Möglichkeit an die Hand geben, sich auf seine Aussage vereidigen zu lassen, so wäre auch dies ohne Weiteres mit dem nemo-tenetur-Grundsatz zu vereinbaren, wenn und soweit man ihm hierbei nur seine Entscheidungsfreiheit belässt. Der Beschuldigte hätte dann eine echte Chance, dass seine Angaben ebenso wie die des Zeugen vor Gericht ernst genommen und sie nicht nur als lästiges Lügengebilde angesehen werden, welches es durch die Beweisaufnahme zu widerlegen gilt. Bis dahin bleibt (auch) der (unschuldige) Angeklagte in eine Verfahrensrolle gesteckt, in der er der Einzige ist, der straflos lügen darf und der deshalb von niemandem ernst genommen wird.

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