Читать книгу AnwaltFormulare Strafrecht - Matthias Klein - Страница 37
8. Spannungsverhältnis zwischen Schweige- und Wahrheitspflicht
Оглавление69
Der Verteidiger muss sich zwar wahrheitsgemäß äußern, darf jedoch andererseits bei seinem Vortrag für den Mandanten nachteilige Umstände, wenn sie ihm zur Kenntnis gelangen, nicht in das Verfahren einbringen. Zwangsläufig geht damit eine Sachverhaltsverdunkelung einher. Sie erfolgt jedoch nicht aktiv und ist zwangsläufige Folge des anwaltlichen Schweigegebots als unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Mandant sich ihm anvertrauen kann, was eine essentielle Grundlage für eine wirksame Verteidigung darstellt.
70
Diese unterschiedlichen Pflichten des Verteidigers – Schweigepflicht einerseits und Wahrheitspflicht andererseits – können ihn insbesondere dann vor unlösbar scheinende Konflikte stellen, wenn der Mandant ihm – und nur ihm – gegenüber seine Schuld eingestanden hat.[106] Entschließt sich der Mandant dann – nach sorgfältiger Beratung über die Beweislage und die möglichen Vorteile eines Geständnisses mit der sich nur hierbei ergebenden Möglichkeit, strafmildernde Umstände vorzutragen – zu einer Freispruchsverteidigung, so darf der Verteidiger die ihm anvertrauten, den Mandanten belastenden Umstände nicht zu dessen Nachteil verwenden. Konfliktsituationen, die sich für den Verteidiger aufgrund seiner doppelten Pflichtenstellung als Organ der Rechtspflege und Beistand des Mandanten ergeben, hat er grundsätzlich zugunsten seiner Beistandsfunktion zu lösen.[107] Der Verteidiger wird daher grundsätzlich seiner anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht den Vorrang auch vor seiner prozessualen Wahrheitspflicht einzuräumen haben.[108] Andernfalls wäre ein Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandant grundsätzlich nicht mehr gewährleistet.[109]
71
Eine schwierige Güterabwägung wird der Verteidiger indes vorzunehmen haben, wenn er um die Schuld seines Mandanten weiß und Kenntnis davon erlangt, dass ein Anderer unschuldig wegen des vom Mandanten begangenen Delikts möglicherweise gar zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde.[110] Dies dürfte allerdings ein Extrembeispiel darstellen, das zu erleben keinem Verteidiger zu wünschen ist.
Kapitel 1 Die Übernahme des strafrechtlichen Mandats › A. Allgemeines › III. Problemfelder der Mandatsübernahme