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4. Beistandsfunktion des Verteidigers
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Bei der Ausübung des Mandats ist der Verteidiger als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) einer staatlichen Kontrolle und Bevormundung grundsätzlich nicht unterworfen.[83] Er ist aber ebenso wenig von Weisungen seines Mandanten abhängig und hat diese nicht zu befolgen.[84] Letzteres mag zunächst irritieren, entspricht jedoch eindeutig der geltenden Gesetzeslage. Danach ist der Verteidiger nicht Vertreter des Beschuldigten, sondern dessen Beistand (vgl. § 137 StPO).[85] Als solcher darf er den Mandanten allerdings auch nicht durch Untätigkeit „im Stich“ lassen.[86]
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Unabhängig vom Willen oder der Zustimmung des Beschuldigten wird dem Verteidiger von der Strafprozessordnung eine eigene Verfahrensrolle mit eigenen prozessualen Rechten und Pflichten zugedacht. So stehen ihm neben dem Beschuldigten eigene Anwesenheitsrechte zu (§ 168c Abs. 2 StPO), er hat ein eigenes Beanstandungs- (§ 238 Abs. 2 StPO) und Fragerecht (§ 240 Abs. 2 StPO) und bestimmte Beweiserhebungen sind auch von seiner Zustimmung abhängig (§ 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 StPO). Andere Verfahrensrechte sind nur ihm, nicht jedoch dem Angeklagten eröffnet, wie ein umfassender Anspruch auf Akteneinsicht (§ 147 Abs. 1 StPO) oder aber die Möglichkeit des Kreuzverhörs (§ 239 Abs. 1 StPO).
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Diese Eigenständigkeit des Verteidigers ist bewusst vorgesehen. Die Strafprozessordnung unterscheidet ausdrücklich zwischen solchen Handlungen des Verteidigers, die er selbstständig ohne Billigung des Beschuldigten und sogar gegen dessen ausdrücklich erklärten Willen ausüben kann und solchen, die für ihre Wirksamkeit der zweifelsfreien Zustimmung des Beschuldigten bedürfen. Bei ersteren handelt es sich um sog. Erwirkungs-, bei letzteren um sog. Bewirkungshandlungen.[87]
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Erwirkungshandlungen sind darauf gerichtet, eine bestimmte Entscheidung des Gerichts herbeizuführen, wobei Prozessanträge auf die Verfahrensgestaltung, Sachanträge auf die Urteilsfindung Einfluss nehmen sollen. Hierzu zählt insbesondere auch das Beweisantragsrecht, aber auch das Vorbringen von Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens oder auch der Schlussvortrag des Verteidigers. Lediglich die sog. Bewirkungshandlungen, bei denen bereits die Erklärung selbst rechtsgestaltende Wirkung besitzt, sollen nach der Strafprozessordnung von der Zustimmung des Mandanten abhängig sein. Dies gilt insbesondere für die Einlegung (§ 297 StPO) und Rücknahme (§ 302 Abs. 2 StPO) von Rechtsmitteln.
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Soweit Teile der Literatur den Verteidiger ausschließlich als Interessenvertreter des Beschuldigten ansehen mit der Folge, dass alleine dessen privatvertragliche Vorgaben maßgeblich und er von diesem grundsätzlich weisungsabhängig sei (sog. Interessentheorie), so mag dies durchaus als der privatrechtlich ausgestalteten Natur des Anwaltsvertrags am ehesten entsprechende Konzeption[88] Sympathie erfahren. Sie bewegt sich jedoch abseits der geltenden Gesetzeslage.[89]
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Demgegenüber betonen die Vertreter der herrschenden Organtheorie zu Recht die Funktion des Verteidigers als unabhängiges, dem Gericht und der Staatsanwaltschaft gleichgestelltes Organ der Rechtspflege.[90] Alleine diese Funktion des Verteidigers ist, wie dargestellt, mit dem derzeitigen Verfahrensrecht in Einklang zu bringen.[91]