Читать книгу Wettbewerbs- und Kartellrecht - Meinrad Dreher - Страница 46
3. Schutz der Verbraucher
Оглавление93
Nach § 1 S. 1 UWG (Abs. 1 S. 1 RegE) dient das UWG ferner dem Schutz der Verbraucher. Den Begriff „Verbraucher“ entlehnt § 2 Abs. 2 UWG dem § 13 BGB. Viele Einzelnormen erwähnen die Verbraucher ausdrücklich (z. B. § 3 Abs. 2 bis 4, § 3a, § 4a, § 5 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 7 (§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7 RegE), § 5a Abs. 2 bis 6 (§ 5a Abs. 1 und § 5b RegE), § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 (Nr. 26 Anh., § 7 Abs. 2 Nr. 1 RegE), § 15 Abs. 2 S. 2, § 16 Abs. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1; vgl. a. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG), andere beziehen sie durch Verwendung des Begriffs „Marktteilnehmer“ i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG (Nr. 3 RegE) in ihren Schutz ein (z. B. § 3a, § 7 Abs. 1 UWG). Auch die Begriffe „Empfänger“ in § 7 Abs. 2 Nr. 4 lit. b UWG (Nr. 3 lit. b RegE), „Kunde“ in § 7 Abs. 3 UWG und „Abnehmer“ in § 10 Abs. 1 UWG umfassen die Verbraucher.
94
Der Schutzzweck des Verbraucherschutzes entspricht nicht nur der bereits vor dem UWG 2004 ergangenen Rechtsprechung.[130] Er wird dem UWG auch durch die verbraucherschützenden EU-Richtlinien aufgegeben.[131] Über die Fragen, welchen Umfang der Verbraucherschutz im Wettbewerbsrecht einnehmen sollte und wie die Aufgaben des Verbraucherschutzes zwischen Bürgerlichem Recht und Wettbewerbsrecht zu verteilen sind, kann zwar rechtspolitisch mit guten Gründen gestritten werden;[132] denn beide Rechtsgebiete sind im Bereich des Verbraucherschutzes materiell- und verfahrensrechtlich (vgl. insbesondere §§ 1 ff UKlaG) nahe zusammengerückt, und eine systematisch überzeugende Aufgabenteilung ist nur noch schwer auszumachen (vgl. Rdnr. 103 ff). Nach geltendem Recht ist jedoch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Verbraucherschutz als gleichberechtigten Schutzzweck im UWG verankert hat, und zwar ungeachtet des Umstands, dass dem einzelnen Verbraucher – ebenso wie den „sonstigen Marktteilnehmern“ – eigene Ansprüche nach dem UWG bisher nicht zustehen.[133]
95
Hinsichtlich der geschützten „Interessen“ der Verbraucher finden sich im Text des UWG weniger Anhaltspunkte als bei den Unternehmern. Genannt werden ausdrücklich: die „Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG (Nr. 11 RegE), die „Entscheidungsfreiheit“ (§ 4a Abs. 1 S. 2 UWG), die „Wohnung“ (Nr. 26 Anh. UWG (Nr. 25 RegE)) sowie „Rechte“ und „vertragliche Rechte“ (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG (Abs. 2 Nr. 7 RegE), Nr. 27 Anh. UWG). Auch die UGP-RL nennt nur die „Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit“ (Art. 8 UGP-RL), die „Wohnung“ (Nr. 25 Anh. I) und die „(vertraglichen) Rechte“ des Verbrauchers (Art. 6 Abs. 1 lit. g, Nr. 27 Anh. I). Der in Art. 8 und 9 UGP-RL anklingende Schutz der körperlichen Integrität vor physischer Gewalt und der Ehre gegen Beleidigungen ist kein Selbstzweck, sondern instrumental für den Schutz der Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit. Zudem macht die UGP-RL in Erwägungsgrund 9 deutlich, dass sie in den Schutz des geistigen Eigentums sowie in Sicherheit und Gesundheitsschutz im Zusammenhang mit Produkten nicht eingreifen will. Da eine Vollharmonisierung erfolgt ist, ist der Verbraucherschutz des UWG folglich auf den Schutz der Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit, auch im Bereich der Wohnung und bei der Ausübung vertraglicher Rechte, beschränkt.
96
Unter Schutz stehen außerdem (nur) die „wirtschaftlichen“ Interessen der Verbraucher (EG 8, 12, Art. 1 UGP-RL), ihr „wirtschaftliches“ Verhalten (Art. 5 Abs. 2 lit. b UGP-RL) und ihre „geschäftlichen“ Entscheidungen (EG 7, Art. 2 lit. k, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 8 UGP-RL). Das Wettbewerbsrecht schützt Verbraucher nur als Marktteilnehmer. Dabei besteht die Marktteilnahme in erster Linie in der Nachfrage nach und dem Bezug von Waren und Dienstleistungen sowie in Abschluss und Durchführung von Verträgen zu diesem Zweck. Ob zur Marktteilnahme auch noch der nachfolgende Verbrauch oder Gebrauch der am Markt erworbenen Ware oder Dienstleistung gehört, wie es der BGH anzunehmen scheint,[134] ist dagegen fraglich. Genauer Begründung bedarf auch der Schutz von Verbrauchern, die im Einzelfall einmal als Anbieter am Markt teilnehmen (Rdnr. 130).
97
Im konkreten Fall stellt sich darüber hinaus bei Prüfung der Unlauterkeit von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern oft die Frage nach dem dem UWG zugrundeliegenden Verbraucherleitbild. Zwar hat sich der Gesetzgeber bemüht, die Kriterien für die Unlauterkeit durch Formulierung von Einzeltatbeständen präziser zu machen. Doch gibt es nach wie vor viele unbestimmte Rechtsbegriffe, die nur durch Rückgriff auf das Verbraucherleitbild ausgefüllt werden können. Maßgeblich war in jüngerer Zeit stets der „durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher“,[135] der den permanent „flüchtigen“ bzw. „unkritischen“ Verbraucher der älteren Rechtsprechung abgelöst hatte. Ob dieses Leitbild mit der Gewährleistung eines „hohen Verbraucherschutzniveaus“ durch die UGP-RL (vgl. EG 1, Art. 1 UGP-RL) vereinbar ist, ist allerdings Gegenstand von Kontroversen.[136]