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2. Vertragsrecht
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Zahlreiche Berührungspunkte weisen UWG und BGB im Vertragsrecht auf. Unlautere geschäftliche Handlungen bei Vertragsschluss können zugleich zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB), zum Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsanbahnung (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB) und zur Gewährleistung wegen eines Mangels berechtigen, der im Anschluss an öffentliche Äußerungen des Verkäufers (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB) aufgetreten ist (§§ 437 ff BGB). Die Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten kann auch dazu führen, dass die Fristen für den Widerruf gem. § 355 BGB nicht zu laufen beginnen. Außerdem können geschäftliche Handlungen, deren Unlauterkeit aus § 3a UWG, etwa bei einem Verstoß gegen § 307 BGB,[150] oder direkt aus § 3 Abs. 1 UWG[151] folgt, die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit vertraglicher Regelungen gem. § 307 oder §§ 134, 138 BGB zur Folge haben und ggf. Ansprüche nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen (UKlaG) auslösen.
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Darüber hinaus haben UGP-RL und UWG-Novelle 2008 den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts auf „geschäftliche Handlungen“ nach Vertragsschluss ausgedehnt. Erfasst wird jedes Verhalten, das mit der „Durchführung“ von Verträgen objektiv zusammenhängt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (Nr. 2 RegE)) bzw. „geschäftliche Entscheidungen“ von Verbrauchern betrifft, „eine Zahlung [zu] leisten, eine Ware oder Dienstleistung [zu] behalten oder ab[zu]geben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung aus[zu]üben“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG (Nr. 1 RegE)). Zwar will die UGP-RL „das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags“ unberührt lassen (Art. 3 Abs. 2 UGP-RL). Daher ist insbesondere eine mangelhafte oder sonst nicht vertragsgemäße Leistung des Unternehmers nicht als wettbewerbsrechtlicher Verstoß anzusehen.[152] In einem weiteren Sinn gehören aber auch Vorschriften über Zahlungspflichten und Teilzahlungen, über Zurückbehaltungsrechte (§§ 273 f BGB) und Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) und über den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in seinen verschiedenen Ausprägungen (z. B. Verwirkung, unzulässige Rechtsausübung) zum „Vertragsrecht“. Zu Überschneidungen von Wettbewerbsrecht und Bürgerlichem Recht kommt es daher beispielsweise, wenn Handlungen bei der Einziehung von Geldforderungen der UGP-RL unterworfen werden,[153] aber auch ganz allgemein in Fällen der Behinderung der Verbraucher bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte.[154]
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Die Ausdehnung des Wettbewerbsrechts bewirkt vor allem, dass solche Unternehmer, die ihre Kunden in rüder Form bei der Ausübung vertraglicher Rechte behindern, auch von ihren Konkurrenten zur Verantwortung gezogen werden können. Insgesamt nimmt jedoch die Rechtszersplitterung zu. Denn in Wettbewerbsprozessen über unlautere Handlungen nach Vertragsschluss werden die Vorfragen zum Bürgerlichen Recht nun von den für das UWG zuständigen Spruchkörpern – und nicht von den allgemeinen Zivilkammern und -senaten – entschieden. Rechtssystematisch wäre es ohnehin schlüssiger gewesen, diesen Teil der UGP-RL materiell im BGB und formell im UKlaG umzusetzen. Doch war eine saubere Trennung der Regelungsbereiche von Bürgerlichem Recht und Wettbewerbsrecht in dem Sinn, dass ersteres (nur) die Vertragsparteien in ihrem (Innen-)Verhältnis zueinander, letzteres (nur) die im Außenverhältnis betroffenen Dritten und den Wettbewerb schützt, auf Grund der Vielzahl der historisch gewachsenen Überschneidungen nicht mehr möglich.