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IV. Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 (Nr. 4 RegE) UWG)
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Der Begriff „Mitbewerber“ i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG (Nr. 4 RegE) ist für das UWG von großer Bedeutung. Die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG haben neben Verbänden und Kammern nur Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Der Schadensersatzanspruch aus § 9 UWG steht bisher nur Mitbewerbern zu. Auch hinsichtlich des Gerichtsstands werden Mitbewerber bevorzugt (Umkehrschluss aus § 14 Abs. 2 UWG). Darüber hinaus ist der Begriff „Mitbewerber“ materiell-rechtlich (mit-)entscheidend für den Schutzzweck des UWG (vgl. § 1 S. 1 (Abs. 1 S. 1 RegE)) und den Anwendungsbereich vieler Beispielstatbestände (§ 4, § 5 Abs. 1 S. 2 (Abs. 2 RegE), § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 bis 5). Im EU-Recht kommt der Begriff „Mitbewerber“ vor allem in der RL 2006/114/EG im Zusammenhang mit der vergleichenden Werbung vor, während er in der UGP-RL, die sich auf das Vertikalverhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern konzentriert, nur eine untergeordnete Rolle spielt (vgl. EG 8 und Art. 6 Abs. 2 lit. a UGP-RL). Eine eigene Legaldefinition enthalten die Richtlinien nicht.
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Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG (Nr. 4 RegE) kann „Mitbewerber“ nur ein Unternehmer i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG (Nr. 8 RegE) sein. Dieser muss „mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis“ stehen. Maßgeblich ist dabei das Verhältnis zwischen dem Verletzer – oder dem von ihm geförderten Dritten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (Nr. 2 RegE))[213] – und dem beeinträchtigten Unternehmer. Dieses Verhältnis wird dann als konkret angesehen, wenn zwischen den Vorteilen des Verletzers oder Begünstigten und den Nachteilen des Beeinträchtigten eine „Wechselbeziehung“ besteht,[214] wenn der Beeinträchtigte i. S. d. Rechtsprechung vor dem UWG 2004 durch die Zuwiderhandlung „unmittelbar verletzt“ ist.[215] Nicht ausreichend ist dagegen „eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen – sei es auch nur geringen – Wahrscheinlichkeit“, wie sie für das abstrakte Wettbewerbsverhältnis i. S. v. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a. F. genügte[216] und für § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG heute noch genügt.
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Auch wenn der Begriff „Mitbewerber“ nicht mit dem kartellrechtlichen Begriff „Wettbewerber“ (vgl. etwa § 18 Abs. 1, 3, 7, § 20 Abs. 3 GWB) verwechselt werden darf, sind jedenfalls aktuelle Wettbewerber im Sinn des Kartellrechts zugleich „Mitbewerber“ im Sinn des UWG. Zwischen ihnen besteht ein „konkretes Wettbewerbsverhältnis“, weil sie auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt Produkte anbieten oder nachfragen.[217] Das gilt auch für Unternehmer, die nur durch eine einzige Handlung in Wettbewerb treten, sonst aber ganz andere Produkte absetzen.[218] Auf die Branchenzugehörigkeit der Beteiligten kommt es daher nicht an. Potentielle Wettbewerber sollten jedenfalls dann „Mitbewerber“ sein, wenn die Wahrscheinlichkeit ihres Marktzutritts hoch ist. Nach Ansicht des BGH reicht aber bloß potentieller Wettbewerb nicht aus, die Anspruchsberechtigung gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG zu begründen.[219]
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Dass die Einstufung von Unternehmern als „Mitbewerber“ „definitionsgemäß auf der Substituierbarkeit der Waren oder Dienstleistungen beruht“, hat auch der EuGH in einem Fall entschieden, der die vergleichende Werbung und Art. 2 lit. c RL 2006/114/EG betraf.[220] Diese Feststellung ist jedoch nur in dem EU-rechtlich harmonisierten Bereich verbindlich. Dabei handelt es sich im Fall der RL 2006/114/EG (vgl. Art. 2 lit. c, 4 lit. d, f, h) um § 6 UWG, im Fall der UGP-RL (vgl. EG 8 sowie Art. 6 Abs. 2 lit. a) um § 5 Abs. 2 UWG (Abs. 3 Nr. 1 RegE).
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Darüber hinaus bejaht die Rechtsprechung ein konkretes „Wettbewerbs“-verhältnis auch dort, wo Verletzer und Verletzter keine Wettbewerber im Kartellrechtssinn sind. So sollen Unternehmer auch mit den Konkurrenten ihrer Lieferanten oder Abnehmer auf der vor- oder nachgelagerten Marktstufe in einem konkreten – wenn auch „mittelbaren“ – Wettbewerbsverhältnis stehen können.[221] Voraussetzung dafür ist im Regelfall, dass die Unternehmer versuchen, „gleichartige Waren oder Dienstleistungen (letztlich) innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen“.[222] Auf diese Weise wird z. B. ein nicht direkt vertreibender Hersteller zum „Mitbewerber“ von Händlern, die die Produkte des Herstellers oder mit diesen konkurrierende Produkte verkaufen.[223]
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Selbst bei Fallgestaltungen, in denen die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen, werden noch konkrete Wettbewerbsverhältnisse bejaht. Dabei lässt sich die Rechtsprechung von dem Grundsatz leiten, dass „im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen“ gestellt werden dürfen.[224] So hat der BGH einen privaten TV-Veranstalter und den Anbieter eines Werbeblockers, der Werbung aus dem laufenden TV-Programm automatisch ausblendet, als „Mitbewerber“ angesehen.[225] „Mitbewerber“ waren ebenfalls der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts an einem Patent, der Unterlizenzen vergab, und ein Händler, der Produkte vertrieb, die den auf Grund des Patents hergestellten Produkten gleichartig waren.[226] In beiden Fällen war für den BGH ausreichend, dass „zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme … zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann“.[227] Die Grenze soll aber jedenfalls dann erreicht sein, wenn eine Maßnahme „den anderen nur irgendwie in seinem Marktstreben betrifft“ und „es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt“.[228]
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Trotz der sich herausbildenden Kasuistik bleibt die Abgrenzung im Einzelfall schwierig, und das vom BGH geforderte „Konkurrenzmoment“ dürfte in den Grenzfällen sprachlich die Bezeichnung „Wettbewerbs“-verhältnis kaum noch rechtfertigen.[229] Dennoch hat der Gesetzgeber bei den Novellen 2008 und 2015 keinen Anlass für eine Korrektur gesehen. Deshalb muss auch den Vorschlägen einer normzweckgeleitet unterschiedlichen Auslegung des Begriffs „Mitbewerber“ bei den einzelnen Vorschriften[230] oder einer Reduktion auf Wettbewerbsverhältnisse im Kartellrechtssinn[231] widersprochen werden.[232] Rechtspolitisch ist allerdings die Aufgabe des Merkmals „Wettbewerbsverhältnis“ überall dort zu fordern, wo die Beeinträchtigung eines Unternehmers durch (irgend-)eine geschäftliche Handlung konkret und nicht lediglich „abstrakt“ im Sinn des früheren § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist.
Merke: Konkretes Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 (Nr. 4 RegE) UWG)
Viele Vorschriften des UWG setzen voraus, dass der verletzte Unternehmer ein „Mitbewerber“ des Zuwiderhandelnden oder des von diesem begünstigten Unternehmers ist. Der Begriff „Mitbewerber“ ist nur in einem Teilbereich EU-rechtlich harmonisiert. Mitbewerber sind Unternehmer, die zueinander in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht in der Regel dann, wenn Unternehmer aktuelle Wettbewerber auf ein und demselben Markt sind. Es kann aber auch durch die unlautere Handlung selbst begründet werden und setzt nicht voraus, dass die Unternehmer derselben Branche angehören. Konkret kann ferner ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis sein, das besteht, wenn Unternehmer auf verschiedenen Wirtschaftsstufen gleichartige Produkte absetzen, die für denselben Endverbraucherkreis bestimmt sind. Sind die abgesetzten Produkte nicht gleichartig, liegt ein konkretes Wettbewerbsverhältnis nur dann vor, wenn die unlautere Handlung einen „Wettbewerbsbezug“, ein „Konkurrenzmoment“ (BGH) aufweist; die bloße Beeinträchtigung des verletzten Unternehmers genügt nicht.
Beispiel: BGH vom 22.4.2009 – I ZR 216/06 – Internet-Videorecorder = WRP 2009, 1001 = GRUR 2009, 845
Sachverhalt: Unternehmer U bietet auf einer Internetseite einen „internetbasierten Persönlichen Videorecorder“ („PVR“) zur Aufzeichnung von Fernsehsendungen an. U empfängt über Satelliten-Antennen die in Deutschland frei empfangbaren Programme. Registrierte Kunden können aus einer elektronischen Programmzeitschrift Sendungen auswählen und auf dem „PVR“, einem individuell zugewiesenen Speicherplatz, bei U abspeichern. Die Sendungen können über das Internet zu jeder Zeit beliebig oft angesehen werden. Fernsehveranstalter F, dessen Sendungen aufgezeichnet werden können, wirft U verschiedene Gesetzesverstöße vor und verlangt u. a. Unterlassung (§ 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UWG) wegen Rechtsbruchs (§ 3 Abs. 1 i. V. m. § 3a UWG). U ist der Ansicht, F stehe dieser Anspruch nicht zu, weil er kein „Mitbewerber“ (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG (Nr. 4 RegE)) sei. Ist das richtig?
Lösung: F und U sind Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG (Nr. 8 RegE)), die Dienstleistungen anbieten. „Mitbewerber“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG (Nr. 4 RegE)) sind sie aber nur dann, wenn zwischen ihnen ein „konkretes Wettbewerbsverhältnis“ besteht. Das Veranstalten von Fernsehen (F) und das Bereitstellen von Einrichtungen zur individuellen, „internetbasierten“ Speicherung von Sendungen (U) sind aus der Sicht der Marktgegenseite keine austauschbaren Leistungen. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG (Nr. 4 RegE) verlangt jedoch nicht, dass die betroffenen Unternehmer derselben Branche angehören. Für ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist vielmehr ausreichend, dass sie durch eine konkrete Handlung miteinander in Wettbewerb getreten sind. Das ist der Fall, wenn sich die Handlung des einen an denselben Kundenkreis wie die Handlungen des anderen richtet und sie den anderen im Absatz behindern oder stören kann. Hier wenden sich F und U an dieselben Fernsehzuschauer und stellen sie vor die Wahl, entweder Sendungen direkt von F oder bei U individuell aufgezeichnete Sendungen anzuschauen. Zwischen F und U besteht deshalb ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. F und U sind Mitbewerber.