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III. Das UWG und das öffentliche Recht

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Zum öffentlichen Recht gehört zunächst das Verfassungsrecht, das Gesetzgeber und Gerichte auch im Wettbewerbsrecht bindet.[165] So beruht das Presseprivileg des § 9 S. 2 UWG (§ 9 Abs. 3 RegE), das die Schadensersatzpflicht von Pressemitarbeitern beschränkt, auf verfassungsrechtlichen Anforderungen (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG).[166] Grenzen für die Anwendung des UWG ergeben sich ferner aus der Drittwirkung der Grundrechte in Grundgesetz und EU-Grundrechtecharta, die im Einzelfall eine verfassungskonforme Interpretation der unbestimmten Rechtsbegriffe des UWG erfordert. Bedeutung haben neben der Presse- und Rundfunkfreiheit[167] vor allem die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG), die auch Meinungsäußerungen im Rahmen von Wirtschaftswerbung schützt,[168] und die Berufsfreiheit (Art. 12 GG)[169] erlangt. Im Licht der Meinungsfreiheit sind beispielsweise die strengen Maßstäbe für die gefühlsbetonte Werbung erheblich gelockert worden.[170]

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Auf der Ebene des einfachen Rechts hat der Gesetzgeber in vielen Bereichen das geschäftliche Verhalten der Marktteilnehmer aus unterschiedlichen Gründen und in verschiedener Weise öffentlich-rechtlich geregelt. Weil diese Vorschriften mit den Mitteln des Verwaltungsrechts oder des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts durchgesetzt werden, berühren sie das privatrechtlich ausgerichtete Wettbewerbsrecht an sich nicht.[171] Die Einheit der Rechtsordnung verlangt aber, ein Verhalten, das öffentlich-rechtlich geboten ist, nicht als unlauter zu behandeln.[172] Darüber hinaus möchte die Bundesregierung klarstellen, dass „Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen … bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen [des UWG vorgehen]“ (§ 1 Abs. 2 RegE).[173] Da es sich bei dieser Vorschrift um eine Umsetzung von Art. 3 Abs. 4 UGP-RL handeln soll, betrifft die Klarstellung allerdings nur die von der UGP-RL harmonisierten Vorschriften des UWG (§ 3 Abs. 2 und 3, § 4a, § 5 und § 5a (§§ 5a f RegE) UWG) im B2C-Verhältnis und insbesondere nicht den Tatbestand des Rechtsbruchs (§ 3a UWG).[174]

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Ob ein Verhalten, das öffentlich-rechtlich verboten ist, wegen dieses Gesetzesverstoßes (auch) unlauter sein soll, ist weniger klar. Wird die Frage bejaht, dann treten die zivilrechtlichen Rechtsfolgen der §§ 8 ff UWG zu den bereits vorhandenen straf- oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen hinzu. In diesem Fall droht ein konkurrierender Verwaltungsvollzug durch Zivilprozess.[175] Ursprünglich ermöglichte das UWG bei Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften in weitem Umfang wettbewerbsrechtliche Ansprüche. Der dadurch entstandenen Inflation von Verfahren wollte die Bundesregierung schon 1994 entgegentreten, doch scheiterte der Vorschlag.[176] Einen Umschwung bewirkte erst die Änderung der Rechtsprechung Ende der 1990er Jahre, die zur Bejahung der Unlauterkeit eines Gesetzesverstoßes einen Marktbezug der verletzten Norm, d. h. „zumindest eine sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion“ verlangte.[177] Der Gesetzgeber griff diese Rechtsprechung erstmals in § 4 Nr. 11 UWG 2004 auf. Heute ist ein Gesetzesverstoß nach § 3a UWG nur noch dann unlauter, wenn die verletzte Vorschrift „auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln“. Dennoch liegt der Schwerpunkt der wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen des BGH weiterhin beim Tatbestand des Rechtsbruchs.[178]

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Eine andere Frage ist es, ob es – und in welchem Umfang – im Wettbewerbsrecht neben den zivilrechtlichen Ansprüchen aus §§ 8 ff UWG auch behördliche Durchsetzungsbefugnisse geben sollte. In dieser Hinsicht ist, wie bereits oben Rdnr. 70 ff dargestellt wurde, in jüngerer Zeit eine erhebliche Zunahme hoheitlicher Elemente festzustellen. Sie bieten insgesamt ein heterogenes Bild und haben eine unerfreuliche Bürokratisierung des Wettbewerbsrechts zur Folge.[179] Das große Vertrauen, das der Gesetzgeber offenbar in die Effizienz und Integrität behördlicher Rechtsdurchsetzung setzt, dürfte sich kaum rechtfertigen lassen.

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