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1. Der (unmittelbare und) objektive Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs
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Das frühere Merkmal der Förderungsabsicht ist entfallen, weil der Gesetzgeber der Ansicht war, ein „finaler Zurechnungszusammenhang“ sei mit Art. 2 lit. d UGP-RL kaum mehr zu vereinbaren.[71] Die Formulierung in Art. 2 lit. d UGP-RL („die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung … zusammenhängt“) ist allerdings nicht eindeutig. Der Begriff „unmittelbar“ schließt es sprachlich nicht aus, den Zusammenhang auch in den Beweggründen des Handelnden zu finden. Andererseits war der Verzicht auf die Förderungsabsicht in vielen Fällen nicht spürbar, weil schon im früheren Recht in der Regel eine objektive Betrachtung vorherrschte. Die Förderungsabsicht wurde nämlich widerleglich vermutet, wenn Personen zugunsten des eigenen Unternehmens handelten und das Verhalten (objektiv) „geeignet“ war, „den Absatz oder Bezug … zu begünstigen“. Dies musste nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 auch nicht mehr „zum Nachteil eines anderen“ geschehen, weil unlautere Handlungen von Monopolisten ebenfalls erfasst werden sollten.[72]
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Der „Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2008) bzw. der „Zusammenhang mit der Absatzförderung“ (Art. 2 lit. d UGP-RL) ist sprachlich etwas anderes und weniger als die früher (objektiv) geforderte „Eignung, den Absatz oder Bezug … zu begünstigen“ (§ 1 UWG 1909) bzw. „zu fördern“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004). Ein „Zusammenhang“ verlangt als solcher keinen positiven Beitrag im Sinn einer Förderung oder Begünstigung. Das ermöglicht es insbesondere, die Fälle horizontaler Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG) als geschäftliche Handlungen anzusehen. Sie haben nach Ansicht des Gesetzgebers zwar keine „unmittelbaren Auswirkungen“ auf den Absatz oder Bezug des Zuwiderhandelnden. Ein „Zusammenhang“ soll sich aber daraus ergeben, dass die Behinderung „den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen … – gegebenenfalls mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung – zugunsten des unlauter handelnden Unternehmens beeinflusst“.[73]
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Dennoch können es nicht allein die tatsächlichen, objektiven Auswirkungen der Handlung sein, die über den „Zusammenhang“ entscheiden. Denn der Gesetzgeber der Novelle 2008 wollte „weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen“ wie schon zuvor vom UWG ausnehmen und allein §§ 823 ff BGB unterwerfen.[74] Dies gilt etwa für redaktionelle Äußerungen sowie die Forschung über Medienkontakte (sog. Reichweitenforschung). Diese Handlungen haben (objektiv) oft die gleichen Auswirkungen wie die soeben angesprochenen Fälle horizontaler Behinderung, z. B. eine Anschwärzung oder Herabsetzung. Sie werden aber (subjektiv) in der Regel nicht von einer Förderungsabsicht getragen und fielen mit dieser Begründung früher nicht unter das UWG. Nach Abschaffung des Merkmals der Förderungsabsicht ist diese Argumentation nicht mehr möglich.
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Anknüpfungspunkt für die Begründung ist heute der in Art. 2 lit. d UGP-RL enthaltene Begriff des „unmittelbaren Zusammenhangs“, der mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG umgesetzt wird und den § 2 Abs. 1 Nr. 2 RegE GSVW („unmittelbar und objektiv zusammenhängt“) aufgreifen will.[75] Der Begriff setzt mehr voraus als rein tatsächliche (objektive) Auswirkungen, die ohne weitere Qualifikation zunächst nur einen mittelbaren Zusammenhang herstellen. „Unmittelbarkeit“ erlangt der Zusammenhang erst dadurch, dass das Verhalten auch auf die Beeinflussung von geschäftlichen Entscheidungen anderer Marktteilnehmer gerichtet ist und diese nicht nur beiläufig berührt. Dies ist in einer objektiven Betrachtung zu klären, wie sie auch der BGH[76] verlangt. Ein derartiges „funktionales Verständnis“[77] schließt es nicht aus, die Beweggründe des Handelnden in die Beurteilung einzubeziehen, doch haben sie nur den Charakter von Indizien für oder gegen den objektiven/unmittelbaren Zusammenhang.
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Vor allem im Licht der Grundrechte wird man den „objektiven Zusammenhang“ bei objektiver Betrachtung oft verneinen müssen. Den Schutz der Grundrechte genießen insbesondere die Bereiche Wissenschaft und Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG), so dass wissenschaftliche und künstlerische Äußerungen oder Tätigkeiten keine geschäftlichen Handlungen darstellen.[78] Auch die Medienunternehmen können sich auf Grundrechte berufen (insbes. die Rundfunk- und Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG). Sie nehmen zwar geschäftliche Handlungen vor, wenn sie für sich selbst Werbung treiben. Redaktionelle Beiträge in „eigener“ Sache[79] sind aber nur bei Vorliegen „besonderer Umstände“ vom UWG erfasst, nämlich wenn die Förderungsabsicht „neben der Wahrnehmung der publizistischen Aufgabe eine größere als nur notwendig begleitende Rolle gespielt hat“.[80]
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Auch bei den Tätigkeiten der öffentlichen Hand kann der „objektive Zusammenhang“ fehlen. Dies gilt allerdings nicht für erwerbswirtschaftliche (fiskalische) Tätigkeiten; denn wo die öffentliche Hand in Konkurrenz zu privaten Unternehmen selbst Waren oder Dienstleistungen entgeltlich anbietet oder nachfragt (vgl. Rdnr. 176 ff), ist der „objektive Zusammenhang“ offensichtlich, und zwar auch dann, wenn kein Gewinn erzielt werden soll. In den übrigen Fällen ist er dagegen an Hand konkreter Umstände nachzuweisen. Dabei stellt die Förderungsabsicht ein wichtiges Indiz dar, wenn sie – in objektiver Betrachtung – „nicht völlig hinter andere Beweggründe zurücktritt“.[81]
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Problematisch sind vor allem Handlungen von Medienunternehmen und öffentlicher Hand zugunsten fremder Unternehmen. Dazu gehören Empfehlungen oder Warnungen öffentlicher Stellen[82] oder redaktionelle Beiträge in den Medien, die fremde Unternehmen oder Produkte zum Gegenstand haben,[83] einschließlich der Aktivitäten von Bloggern und Influencern.[84] Diese Tätigkeiten sind nur unter besonderen Umständen geschäftliche Handlungen, insbesondere wenn – bei objektiver Betrachtung – Medienunternehmen in redaktionellen Beiträgen übertrieben anpreisen[85] oder wenn die öffentliche Hand neben öffentlichen Anliegen gleichzeitig eigene fiskalische Interessen verfolgt.[86] Die wie auch immer vergütete Verbreitung von Werbung für fremde Unternehmen oder Produkte ist dagegen grundsätzlich eine geschäftliche Handlung;[87] dem steht, wie oben Rdnr. 175 dargelegt, die Entscheidung des EuGH im Fall GOOD NEWS[88] nicht entgegen. Warentests von Verbraucherverbänden sind wiederum keine geschäftlichen Handlungen, solange sie sich in den Grenzen objektiver Information der Verbraucher halten.[89]
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In den übrigen, die große Mehrzahl bildenden Fällen ist der „objektive Zusammenhang“ mit der Förderung von Absatz oder Bezug unproblematisch. Das gilt für alle Maßnahmen, die geeignet sind, neue Kunden zu gewinnen oder alte Kunden zu binden. Dazu zählen nicht nur herkömmliche Formen der Werbung wie z. B. die Werbeäußerungen in den verschiedenen Medien oder die Maßnahmen der Wertreklame (Rabatte, Geschenke, Zugaben etc). Einzubeziehen sind auch unentgeltliche Aktionen im Rahmen von Absatzförderungsmodellen[90] und alle denkbaren Formen der Image- oder Aufmerksamkeitswerbung[91] einschließlich Meinungsumfragen,[92] Stellenanzeigen[93] oder der Einleitung behördlicher oder gerichtlicher Verfahren.[94] Die Stellenanzeigen sind zugleich ein Beispiel für die Förderung des „Bezugs“ von Dienstleistungen. Nicht mehr um den „Absatz oder Bezug“ von Waren oder Dienstleistungen geht es aber bei der Mitgliederwerbung von Verbänden[95] und der Einwerbung von Geldspenden.[96]
Merke: (unmittelbarer und) objektiver Zusammenhang mit der Förderung von Absatz oder Bezug
Der Gesetzgeber hat mit diesem Merkmal Art. 2 lit. d UGP-RL („unmittelbarer Zusammenhang“) umgesetzt und das subjektive Erfordernis einer Wettbewerbsförderungsabsicht durch ein objektives Kriterium ersetzt. Der BGH versteht das Merkmal funktional: In „objektiver Betrachtung“ ist zu prüfen, ob eine Handlung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen der Marktgegenseite den Absatz oder Bezug von Produkten zu fördern. Das ist nicht der Fall bei „weltanschaulichen, wissenschaftlichen, redaktionellen oder verbraucherpolitischen Äußerungen“ sowie vergleichbaren Handlungen im Schutzbereich der Grundrechte, auch wenn sie den Absatz oder Bezug von Produkten (mittelbar) beeinträchtigen können. Ausgenommen werden ferner die Mitgliederwerbung von Verbänden und die Einwerbung von Geldspenden, die nicht mit dem „Absatz oder Bezug“ von Produkten zusammenhängen.