Читать книгу Wettbewerbs- und Kartellrecht - Meinrad Dreher - Страница 92

2. Abschluss oder Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen

Оглавление

191

Mit der Alternative „Abschluss oder … Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen“ stellt der Gesetzgeber klar, dass geschäftliche Handlungen nicht nur bis zum Vertragsschluss, sondern auch noch danach vorgenommen werden können.[97] Das entspricht Art. 3 Abs. 1 UGP-RL („vor, während und nach Abschluss“), während Art. 2 lit. d UGP-RL etwas zurückhaltender formuliert („dem Verkauf oder der Lieferung“). Heute folgt aber auch aus § 2 Abs. 1 Nr. 9 (Nr. 1 RegE) UWG, dass insbesondere Handlungen erfasst werden sollen, die auf die Ausübung vertraglicher Rechte durch den Verbraucher Einfluss haben („eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben“). Das Merkmal „Förderung“ fehlt bei dieser Tatbestandsalternative, und erforderlich ist nur der objektiv festzustellende Zusammenhang. Erfasst werden aber nur Verträge über „Waren oder Dienstleistungen“.

192

In der Rechtsprechung haben sich mittlerweile Fallgruppen herausgebildet. Handlungen des Unternehmers nach Vertragsschluss sind jedenfalls Maßnahmen zur Durchsetzung von Zahlungsforderungen aus bereits geschlossenen Verträgen[98] sowie Vertragskündigungen.[99] Die Vereinbarung rechtswidriger AGB-Klauseln[100] gehört rein zeitlich betrachtet entweder zum „Abschluss“ von Verträgen oder, wenn sie den Vertragspartner (rechtswidrig) veranlasst, vertragliche Rechte nicht geltend zu machen, zur „Durchführung“ von Verträgen. Nach Ansicht des BGH soll sie jedoch objektiv mit der Förderung des Absatzes zusammenhängen, weil auch unwirksame Klauseln den Verbraucher davon abhalten können, seine Rechte geltend zu machen, und so dem Verwender Kosten ersparen.[101] Dieses Argument würde freilich, konsequent eingesetzt, die Alternative „Durchführung“ von Verträgen weitgehend entbehrlich machen.

193

Auch die Verletzung von Vertragspflichten ist nicht leicht einzuordnen. Sie fällt zeitlich betrachtet in den Bereich der „Durchführung“, hängt aber jedenfalls dann mit der Förderung des Absatzes zusammen, wenn Pflichten des Kunden erweitert,[102] dem Kunden neue Pflichten aufgebürdet oder die Beendigung des Vertrags erschwert oder verhindert wird/werden.[103] Letzteres gilt etwa bei der Beeinträchtigung der Ausübung von Kündigungsrechten (vgl. Nr. 27 Anh. UWG). Dagegen fehlt nach Ansicht des BGH bei einer mangelhaften oder sonst nicht vertragsgemäßen Leistung (als solcher) der objektive Zusammenhang mit der Vertragsdurchführung, es sei denn der Unternehmer habe die Übervorteilung des Kunden von vornherein beabsichtigt.[104]

Beispiel: BGH vom 10.1.2013 – I ZR 190/11 – Standardisierte Mandatsbearbeitung = WRP 2013, 1183

Sachverhalt: Rechtsanwalt A setzt ein auf Massengeschäft ausgerichtetes Verfahren zur Mandatsanbahnung und -bearbeitung ein. Es dient der Gewinnung von Mandanten, die eine Abmahnung wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen in Internet-Tauschbörsen erhalten haben. A antwortet in allen Verfahren auf die Abmahnung, die Abgemahnten hätten die Rechtsverletzungen nicht begangen und zu keinem Zeitpunkt urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig zugänglich gemacht. Rechtsanwalt B, der Urheber vertritt, ist der Ansicht, A trage bewusst unwahr vor und begehe so einen Rechtsbruch und eine Irreführung (§ 3 Abs. 1 i. V. m. § 3a und §§ 5, 5a UWG). A entgegnet, selbst wenn man eine systematische Schlechtleistung unterstelle, liege darin noch keine geschäftliche Handlung i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (Nr. 2 RegE). Ist das richtig?

Lösung: Die Antwortschreiben des A sind Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens, da auch freiberufliche Tätigkeiten wie die Dienstleistungen eines Anwalts unter den Unternehmensbegriff fallen. Voraussetzung für eine „geschäftliche Handlung“ i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (Nr. 2 RegE) ist aber weiter, dass die Schreiben mit der Förderung des Absatzes anwaltlicher Dienstleistungen oder der Durchführung eines Vertrags über diese Dienstleistungen „objektiv zusammenhängen“. Dabei kommt es nicht auf die tatsächlichen Wirkungen der Schreiben an. Maßgebend ist vielmehr, ob die Schreiben bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet sind, geschäftliche Entscheidungen der Mandanten zu beeinflussen. Das ist nicht der Fall, weil die Schreiben weder an vorhandene noch an künftige Mandanten gerichtet sind und vorhandene Mandanten auch nicht von der Ausübung ihrer Rechte abhalten. Dass die Prozesstaktik dem A im Erfolgsfall weitere Mandate einbringen kann, reicht als „bloße Reflexwirkung“ (BGH) nicht aus, um den objektiven Zusammenhang zu begründen. Die Antwortschreiben sind deshalb keine geschäftlichen Handlungen.

Wettbewerbs- und Kartellrecht

Подняться наверх