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3. Die Maßstäbe der Konkretisierung
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Die Maßstäbe zur Konkretisierung der Unlauterkeit ergeben sich aus normativen Vorgaben innerhalb und außerhalb des UWG. UWG-immanent sind zunächst die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Generalklausel.[117] Beide sind untrennbar verbunden mit der oben Rdnr. 51 ff dargestellten Entstehungsgeschichte des Gesetzes im Ganzen und seinem oben Rdnr. 85 ff dargestellten Zweck. Die Konkretisierung wird darüber hinaus geleitet von dem systematischen Zusammenhang der Generalklausel mit den Regelungen der Beispielstatbestände in §§ 3a ff UWG.[118] Heranzuziehen sind schließlich die Präjudizien aus der bisherigen Rechtsprechung, die auch ohne Bindungswirkung im strengen Sinn die Praxis des Wettbewerbsrechts bestimmen.
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Die Konkretisierung der Generalklausel hat ferner „wettbewerbsbezogen“ zu erfolgen[119] und das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 S. 2 UWG (Abs. 1 S. 2 RegE)) zu beachten. Das Postulat eines „Wettbewerbsbezugs“ darf aber nicht mit dem Rückgriff auf das Konzept des Leistungswettbewerbs verwechselt werden, auch wenn letzteres in der Rechtsprechung immer wieder herangezogen wurde;[120] denn aus den oben Rdnr. 100 genannten Gründen ist der sog. Leistungswettbewerb für die Konkretisierung der Generalklausel ungeeignet. Er hat denn auch in der Entstehungsgeschichte der Novellen seit 2004 keine nennenswerte Rolle mehr gespielt.
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Maßstäbe für die Konkretisierung finden sich ferner außerhalb des UWG. Zwar kann es nicht auf das ankommen, was im Sinn der älteren Rechtsprechung von der Allgemeinheit – oder den beteiligten Verkehrskreisen – „missbilligt und für untragbar gehalten“ wird. Nicht konkret genug sind auch die Formeln vom ordre public oder von „Gesetz und Recht“.[121] Doch machen sie deutlich, dass die Konkretisierung den systematischen Zusammenhang des UWG mit anderen einschlägigen Gesetzen und Vorschriften zu berücksichtigen hat. Angesichts der Einheit der Rechtsordnung darf sich die Konkretisierung der Generalklausel deshalb nicht in Widerspruch zu den Grundwertungen dieser anderen Normen setzen. Das gilt vor allem für das Kartellrecht in GWB und AEUV.
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Schließlich leiten die Vorgaben des Verfassungs- und EU-Rechts (vgl. Rdnr. 73 ff, 116) die Konkretisierung der Generalklausel. Einfaches Recht darf nicht Verfassungsrecht, deutsches Recht nicht EU-Recht verletzen.[122] Verfassungsrechtlich ist aber zu beachten, dass die Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte des Einzelnen gegen staatliches Handeln sind und deshalb aus ihnen nicht ohne Weiteres Ansprüche auf wettbewerbsrechtlichen Schutz hergeleitet werden können.
Beispiel: BGH vom 12.7.2007 – I ZR 18/04 – Jugendgefährdende Medien bei eBay = BGHZ 173, 188
Sachverhalt: Registrierte Verkäufer bieten über die Internetplattform eBay, die von E betrieben wird, Spiele und Tonträger mit rechtswidrigem Inhalt (Volksverhetzung, Gewaltverherrlichung, Jugendgefährdung) an. E entfernt nach entsprechenden Hinweisen jeweils unverzüglich die beanstandeten Angebote, lehnt es aber ab, vorbeugend tätig zu werden. I, ein Interessenverband des Videofachhandels (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG), hält das Verhalten von E für unlauter und verlangt, die Plattform von vornherein für rechtswidrige Angebote nicht zur Verfügung zu stellen. E entgegnet, sie selbst handle nicht rechtswidrig und sei weder willens noch in der Lage, rechtswidrige Angebote vorab zu identifizieren. Ist das Verhalten von E wettbewerbsrechtlich zu beanstanden?
Lösung: E hat nicht unlauter im Sinn eines Rechtsbruchs (§ 3 Abs. 1 i. V. m. § 3a UWG) gehandelt, weil die genannten Verbote nur für die Verkäufer gelten. Sie ist auch nicht Gehilfin eines Rechtsbruchs (§ 830 Abs. 2 BGB analog), weil sie beim Einstellen keinen Gehilfenvorsatz, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließt, hat. – E könnte aber in direkter Anwendung von § 3 Abs. 1 UWG unlauter gehandelt haben. Dann müsste sie den anständigen Gepflogenheiten in Handel, Gewerbe, Handwerk oder selbstständiger beruflicher Tätigkeit zuwidergehandelt haben. Das wäre auch dann der Fall, wenn sie es pflichtwidrig unterlassen hätte, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Die „geschäftliche Handlung“ i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (Nr. 2 RegE) läge hier in einem Unterlassen, das von dem weiten Begriff „Verhalten“ erfasst wird. Unlauter wäre das Unterlassen dann, wenn E eine „wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht“ träfe. Diese entsteht, wenn der Unternehmer durch sein Handeln die ernsthafte Gefahr begründet, dass wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzt werden. Sie verpflichtet den Unternehmer, die Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Zwar begründet hier die Bereitstellung der Internetplattform als solche noch keine Gefahr für andere Marktteilnehmer. Da jedoch schon mehrfach rechtswidrige Angebote eingestellt wurden und E Kenntnis davon erlangt hat, muss sie Vorsorge dafür treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt. Allerdings sind rechtswidrige Angebote im Massengeschäft schwer zu erkennen. Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln (Filtersoftware, Altersverifikationssysteme etc.) ist aber nicht von vornherein unmöglich oder unzumutbar. E trifft daher die Pflicht, derartige Hilfsmittel zu prüfen und ggf. einzusetzen. Das Unterlassen jeglicher vorbeugender Maßnahmen ist folglich pflichtwidrig und unlauter.