Читать книгу Wettbewerbs- und Kartellrecht - Meinrad Dreher - Страница 95
1. Der Unrechtstatbestand
Оглавление195
§ 3 Abs. 1 UWG verbietet geschäftliche Handlungen, die „unlauter“ sind. Die Unlauterkeit ist deshalb das zentrale Merkmal des Verbotstatbestandes. Sie hat den „Verstoß gegen die guten Sitten“ bzw. die „Sittenwidrigkeit“ in § 1 UWG 1909 abgelöst, ohne dass damit inhaltlich Änderungen verbunden waren;[105] denn schon im früheren Recht war der Verstoß gegen § 1 UWG 1909 nicht mit dem Vorwurf eines „unsittlichen“ oder „unmoralischen“ Verhaltens im individualethischen Sinn verbunden.[106] Für den unionsrechtlich harmonisierten Bereich wird die Unlauterkeit durch die „Erfordernisse der beruflichen Sorgfaltspflicht“ in Art. 2 lit. h UGP-RL bzw. die „unternehmerische Sorgfalt“ in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG (Nr. 9 RegE) konkretisiert (§ 3 Abs. 2 UWG). Dagegen fehlt für die Unlauterkeit in den übrigen Fällen eine ausdrückliche gesetzliche Definition. Den Vorschlag des Regierungsentwurfs für § 3 UWG 2015, die „unternehmerische Sorgfalt“ auch als Ausgangspunkt für die Beurteilung von Handlungen gegenüber Unternehmern (Mitbewerbern, sonstigen Marktteilnehmern) zu nehmen,[107] hat der Rechtsausschuss des Bundestags verworfen, ohne dies eigens zu begründen.[108]
196
Nach der – an Art. 10bis Abs. 2 PVÜ angelehnten – Formulierung der Regierungsbegründung zum UWG 2004 sind alle Handlungen unlauter, „die den anständigen Gepflogenheiten in Handel, Gewerbe, Handwerk oder selbstständiger beruflicher Tätigkeit zuwiderlaufen“.[109] Dabei wird man die Unbestimmtheit der Wendung „anständige Gepflogenheiten“ nicht zu nachdrücklich kritisieren dürfen, nachdem der Gesetzgeber erst 2015 in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG (Nr. 9 RegE) dem Merkmal „Marktgepflogenheiten“ das Attribut „anständig“ hinzugefügt hat. Außerdem enthält das UWG in §§ 3a ff Konkretisierungen der Unlauterkeit für eine Reihe von Fallgruppen, die aus der Kasuistik zum früheren Recht und aus den Vorgaben des Unionsrechts hervorgegangen sind. Diese Anhaltspunkte ermöglichen in nicht speziell geregelten Fällen zumindest eine Prüfung, ob die betroffenen Verhaltensweisen von ihrem Unlauterkeitsgehalt her den in den §§ 3a ff UWG angeführten Beispielsfällen unlauteren Verhaltens entsprechen.[110] Ob auch die Wertungen aus § 3 Abs. 2 UWG auf § 3 Abs. 1 UWG übertragbar sind, wenn eine Geschäftspraktik sonstige Marktteilnehmer (und nicht Verbraucher) betrifft, hat der BGH bisher offengelassen.[111]
197
In einem konkreten Fall geht die Prüfung der Unlauterkeit daher von den besonderen Tatbeständen der §§ 3a ff UWG aus. Bereits hier kann sich die Aufgabe der Konkretisierung stellen, wenn ein Tatbestand weit gefasst ist (vgl. z. B § 4 Nr. 4 und § 4a Abs. 1 UWG). Wenn sich der Sachverhalt nicht unter einen der besonderen Tatbestände subsumieren lässt, muss die Unlauterkeit durch direkten Rückgriff auf § 3 Abs. 1 UWG konkretisiert werden. Erforderlich ist dann nach Ansicht des BGH die Prüfung, ob das betreffende Verhalten von seinem Unlauterkeitsgehalt her den in den Beispielsfällen der §§ 3a ff UWG geregelten Verhaltensweisen entspricht.[112]