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Rationale Elemente: Antithetik, Parallelismus
ОглавлениеEnnius hatte damit begonnen, die Homerstelle rational durchzugliedern und zu durchleuchten. Auch Vergil kennt hier Antithese und Parallelismus: nec clipeo … nec dextra. In der Anwendung vermeidet er trockenen Schematismus. Das rationale Gliederungsmittel nec … nec hat eine emotionale Nebenwirkung: Wiederholung steigert das Gefühl der Passivität des Helden und der Unmöglichkeit, länger auszuharren.
Bei Lucan sind Antithese und Parallelismus beherrschend: illum tota premit moles, illum omnia tela (ähnlich non – non). Die Aufgliederung übt hier einen starken emotionalen Reiz aus. Anaphern waren bei Homer in der Patroklos-Rede am Platze, wo es darum ging, Achill zu rühren. Im Lucantext aber greift der Dichter in eigenem Namen zu ähnlichen Mitteln. Der Leser soll gerührt werden. Auf die Phantasie wirkt bei Lucan auch die Fülle der als handelnd eingeführten Subjekte (mucro, ensis, moles, tela, manus, lancea, Fortuna, umbo, fragmenta, nec quicquam). Der dämonische homerische Satz πάντη δὲ ϰαϰόν ϰαϰᾧ ἐστήριϰτο findet erst bei Lucan in der römischen Poesie ein Äquivalent: illum tota premit moles ... Zugleich wird der Dichter in geschliffener Antithetik zum Interpreten: parque novum Fortuna videt concurrere: bellum /atque virum. In vergleichbaren Partien früherer Epiker war noch nie eine so abstrakte Sprache gesprochen worden. Lucans Zeit empfindet die Dämonie anonymer Mächte aus eigener historischer Erfahrung tiefer, so kommt diese Stelle jenem numinosen Homervers nahe, vor dem Ennius und Vergil die Waffen gestreckt hatten.