Читать книгу Römische Poesie - Michael Albrecht - Страница 28
Funktion der Szene
ОглавлениеBei Homer motiviert die Szene den endgültigen Rückzug des Helden. Sie unterstreicht zugleich allgemein den Ernst der Situation. Die Worte des Patroklos werden durch Tatsachen überboten. Die Szene bereitet dramatisch die eigentliche Wende vor. Bei Vergil führt die Szene nicht auf den Wendepunkt eines Geschehens zu, sondern sie bildet den Endpunkt eines Buches. Nicht mehr Furcht als auslösendes Moment, sondern Beklommenheit herrscht im lyrisch verklingenden Schluss einer dramatisch bewegten Handlung. Bei Lucan bezeichnet die Szene nicht den Augenblick kurz vor dem Zusammenbruch; sie bildet erst den Auftakt zu noch größeren Heldentaten. Lucan scheint zu sagen: Wo Vergils Held aufhört, fängt der meine erst an. Scaeva kämpft weiter, auch wenn er nicht mehr kann. Die Szene ist – wie bei Homer – eine Durchgangsstufe. Und Caesar wird am Ende – gleich Patroklos – mit Entsatz erscheinen.
Schwerer als diese Parallelen zu Homer wiegen jedoch die Unterschiede: Die Szene unterstreicht das Leiden und Scaevas übermenschliches Durchstehvermögen. Die Heroisierung, die schon bei Ennius begann, hat einen Höhepunkt erreicht. Was die Gleichnisse angeht, so wählt Homer das charakteristischste (Esel), Vergil das würdevollste (Löwe) und Lucan das größte Tier (Elefant 6, 208ff.). Bestimmend ist weniger der äußere Geschehenszusammenhang (auf den Homer achtet) als die entlarvende Darstellung sinnloser Leiden und zweckloser Höchstleistungen im Bürgerkrieg.
Homer kommt es vor allem auf die Einsicht des Aias an (um dieses Geschehen gruppiert sich die Einlage, unsere Szene führt darauf zu), Lucan auf den uneinsichtigen Fanatismus des Scaeva (147f.);27 Vergil hingegen will dem Leser abschließend die lähmende Stimmung vermitteln, die das zwölfte Buch beherrschen wird: Die Szene ist ein Schatten, den die späteren Ereignisse vorauswerfen.