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Literarisches Ruhmesstreben mit dionysischen Untertönen
ОглавлениеAngesichts der Dunkelheit des Gegenstandes möchte, so scheint es zunächst, nicht nur der Leser, sondern auch der Autor den Mut verlieren. Doch ist Lukrez von laudis spes und amor Musarum ergriffen. Das Streben nach literarischem Ruhm nennt er offen als wichtigen Beweggrund seines Dichtens: römisches gloria-Denken10 – übertragen auf einen den Römern alten Schlages eher fernliegenden Gegenstand wie Poesie. Jedenfalls redet hier ein wichtiger Vorläufer der sallustischen Literarisierung der gloria.11 Lukrez spricht, natürlich ohne Bacchus zu nennen, von seiner Inspiration in religiösem Ton (thyrsus). Die bacchische Begeisterung des Dichters12 ist exemplarisch in Platons Ion formuliert (533c; vgl. Phdr. 265b). Die Zwischenglieder zwischen Platon und Lukrez scheinen nicht mehr kenntlich zu sein. Wenn sich Lukrez mens vigens („starke Denkkraft“) zuschreibt, ist dies kein billiger Ersatz für Bacchus. Varro (de poematis) und Cicero13 leiten vates („Dichter, Seher“) von der „Stärke des Denkens“ (a vi mentis) ab: Lukrez will sich durch diesen Ausdruck als vates charakterisieren.