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II.Unbestimmte Rechtsbegriffe
Оглавление162Rechtsvorschriften enthalten bestimmte und unbestimmte Rechtsbegriffe. Lassen die vom Gesetzgeber verwendeten Begriffe keinerlei Zweifel hinsichtlich ihres Bedeutungsinhalts, haben sie also einen eindeutigen und klar abgrenzbaren Inhalt, bezeichnet man sie als bestimmte Rechtsbegriffe.
Beispiele: § 5 VII Nr. 1 LBO: Die Tiefe der Abstandsfläche beträgt allgemein 0,4 der Wandhöhe (Berechnung der Wandhöhe ist in § 5 IV und V LBO geregelt); § 9 II LVwVG: Die Nachtzeit umfasst vom 1. April bis 30. September die Stunden von 21:00 bis 4:00 Uhr, vom 1. Oktober bis 31. März die Stunden von 21:00 bis 6:00 Uhr.
163Davon unterscheiden sich die unbestimmten Rechtsbegriffe. Bei diesen Begriffen ist der Sinngehalt nicht ohne Weiteres zu erkennen. Vielmehr ist der Inhalt mehrdeutig und bedarf daher der Auslegung (hierzu Rn. 167 ff.).
Beispiel: §§ 3, 1 PolG: Tatbestandsvoraussetzungen: Gefahr oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung.
Weitere Beispiele: „Verunstaltung“ (§ 11 LBO); „Zuverlässigkeit“ (§ 35 I S. 1 GewO, § 4 I Nr. 1 GastG); „Eignung, Befähigung und fachliche Leistung“ (§ 9 BeamtStG); „gute Sitten“ (§ 33a II Nr. 2 GewO); „innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland“ (§ 7 I Nr. 1 PassG).
164Es dürfte inzwischen in Rechtsprechung und Literatur weitgehend anerkannt sein, dass solche unbestimmten Rechtsbegriffe von den Gerichten zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes in vollem Umfang überprüft werden können (BVerwGE 81, 12, 17; 100, 221, 225; BVerfGE 84, 49 f. und 88, 40, 56 f.; Detterbeck, AVR, Rn. 354).
Es geht nicht an, dass ein Sachbearbeiter eine bauliche Anlage für verunstaltend hält, der für einen anderen Buchstaben zuständige Sachbearbeiter eine völlig vergleichbare Anlage jedoch als nicht verunstaltend ansieht und der Bürger hiergegen keinen gerichtlichen Rechtsschutz erlangen können soll. Entweder ist eine Anlage verunstaltend oder sie ist es nicht und im Zweifelsfall muss ein Gericht dies entscheiden.
Ausnahmsweise wird allerdings auch von der Rechtsprechung der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt.