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1.Normenhierarchie

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29Die Normenhierarchie ordnet die verschiedenen Rechtsvorschriften und gibt Aufschluss darüber, welche Norm sich im Kollisionsfall durchsetzt.

30Verfassungsgesetze stehen an höchster Stelle der Normenhierarchie. Dies sind das Grundgesetz und die Länderverfassungen. Auf der Ebene der sog. „einfachen Gesetze“ wird zwischen Gesetzen im formellen und Gesetzen im materiellen Sinn unterschieden. Gesetze im formellen Sinne sind solche, die formell, d. h. unter Mitwirkung des Parlaments (Bundestag; Landtag) zustande gekommen sind. Gesetze im materiellen Sinne sind alle abstrakt-generellen Regelungen, die Rechte und Pflichten für Bürger und sonstige Personen regeln (Außenwirkung). Generell meint für jedermann, abstrakt meint für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen. Gesetze im formellen Sinn sind meist auch Gesetze im materiellen Sinn,19 aber nicht alle Gesetze im materiellen Sinn sind auch Gesetze im formellen Sinn (z. B. Rechtsverordnungen, Satzungen).

31Rechtsverordnungen sind Gesetze, die von Exekutivorganen (Regierungen, Verwaltungsbehörden) zur Regelung staatlicher Angelegenheiten erlassen werden. Weil sie nicht von Parlamenten, sondern von der Exekutive erlassen werden, sind sie Gesetze im materiellen, nicht aber im formellen Sinn. Dazu zählen die StVO, die GastVO BW, Polizeiverordnungen (§§ 17 Abs. 1, 1 Abs. 1 PolG BW) oder die DVO zum PolG. Erforderlich für den Erlass einer Rechtsverordnung ist eine formell-gesetzliche Grundlage.20 Die Verwaltung erhält hier also eine vom Gesetzgeber abgeleitete (delegierte) Rechtssetzungsmacht.

32(Öffentlich-rechtliche) Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer gesetzlichen Autonomie mit Wirkung für die ihr angehörigen Personen erlassen werden. Satzungen sind also Ausdruck der Selbstverwaltung, wie sie Gemeinden und Landkreise (kommunale Selbstverwaltung, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71 Abs. 1 LV BW) aber auch Hochschulen, berufsständische Kammern oder Rundfunkanstalten (sog. funktionale Selbstverwaltung) innehaben. Beispiele sind Bebauungspläne (§ 10 BauGB), die Hauptsatzung, Benutzungssatzungen für öffentliche Einrichtungen, Satzungen der Hochschulen und Universitäten.

33Verwaltungsvorschriften sind abstrakt-generelle Regelungen, die von einer Behörde gegenüber ihren nachgeordneten Behörden oder durch einen Vorgesetzten gegenüber seinen unterstellten Mitarbeitern erlassen werden. Verwaltungsvorschriften sind reines Verwaltungsinnenrecht ohne Außenwirkung. Sie enthalten keine Rechtsgrundlagen, um (belastende) Verwaltungsakte zu erlassen. Sie dienen vielmehr der Regelung bestimmter Verwaltungsabläufe, der einheitlichen Auslegung von Tatbestandsmerkmalen oder der einheitlichen Anwendung des Ermessens. Außenwirkung erlangen sie daher allenfalls mittelbar, wenn sie von der Behörde in vergleichbaren Fällen zur Auslegung des Gesetzes herangezogen wurde (sog. Selbstbindung der Verwaltung über Art. 3 Abs. 1 GG). Beispiele sind die VwV-StVO, die VwV-Denkmalförderung oder die VwV-Korruptionsverhütung und -bekämpfung.

Eine Sonderstellung haben die TA Luft und die TA Lärm inne. Sie sind Verwaltungsvorschriften bei deren Erlass ein Verfassungsorgan (der Bundesrat), das an der Gesetzgebung mitwirkt, beteiligt war, § 48 BImSchG. Wegen dieses (aufwendigen) Verfahrens wird ihnen eine normkonkretisierende Wirkung zugesprochen, sodass sie – ausnahmsweise – auch von den Gerichten beachtet werden.

34Nur geringe Bedeutung hat ungeschriebenes Recht. Hierunter fallen aus geschriebenem Recht abgeleitete Prinzipien einerseits und das sog. Gewohnheitsrecht andererseits. Es kann auf allen Ebenen der Normenhierarchie vorkommen und spielt in der Praxis hauptsächlich im Staatshaftungsrecht eine Rolle.

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Normenhierarchie (vereinfachter Überblick)

Gesetz im formellen oder materiellen Sinne Erlassende Stelle Unmittelbare Außenwirkung
Unionsrecht EUV, AEUV, Richtlinien, Verordnungen, Beschlüsse Formell und materiell Europäisches Parlament und Europäischer Rat Ja
Verfassung Grundgesetz Landesverfassung Formell und materiell Bzgl Änderungen: Verfassungsändernder Gesetzgeber, Art. 79 Abs. 1 GG Ja
Parlamentsgesetz BImSchG, StVG, GewO, PolG BW, GemO BW, LBO BW, LHO Formell und materiell Bundestag und Bundesrat; Landtag Ja
(Rein) formelles Parlaments­gesetz Haushaltsgesetz 2020, Staatshaushaltsgesetz 2020/2021 Formell Bundestag; Landtag Nein, Verpflichtung richtet sich nur an Exekutive im Innenverhältnis
Rechtsverordnung StVO, BauNVO, 4. BImSchV, Polizeiverordnungen Materiell Jede (ermächtigte) Stelle der Exekutive Ja
Satzungen Hauptsatzung, Bebauungsplan Materiell Jede Selbstverwaltungskörperschaft Ja
Verwaltungs­vorschriften VV-LHO, VwV-StVO Mangels unmittelbarer Außenwirkung kein Gesetz Jede Stelle der Exekutive Grundsätzlich nein, ggf. mittelbar über Art. 3 Abs. 1 GG
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