Читать книгу Staatsrecht aus Verwaltungsperspektive - Michael Frey - Страница 17
3.Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Оглавление39Zu den größten Errungenschaften des deutschen Rechts zählt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.24 Er hat sich als „Exportschlager“ im Rechtssystem der Europäischen Union bewährt. Er besagt, dass jedes staatliche Handeln, das in (Grund)Rechte eingreift, einem legitimen Ziel folgen, hierzu objektiv geeignet, erforderlich und auch angemessen sein muss. Geeignet bedeutet, dass das Mittel tauglich ist, den Zweck zumindest zu fördern. Erforderlich bedeutet, dass das Mittel unter mehreren gleich geeigneten Mitteln das mildeste darstellt. Angemessen bedeutet, dass die konkreten Vor- und Nachteile der Maßnahme nicht erkennbar außer Verhältnis zueinanderstehen.
Während Geeignetheit und Erforderlichkeit das Mittel selbst im Blick haben, bezieht sich die Angemessenheit auf die durch das konkret ausgewählte Mittel betroffenen Interessen. Bei Geeignetheit und Erforderlichkeit muss also eine Einschätzung der Eignung des konkreten Mittels und der Alternativen vorgenommen werden. Bei der Angemessenheit muss eine Abwägung der Folgen der Maßnahme vorgenommen werden.
40Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erlangt große Bedeutung im Rahmen der Grundrechtsprüfung: Ein Eingriff in ein Grundrecht kann nur dann rechtmäßig bzw. verfassungskonform sein, wenn er auch verhältnismäßig ist. Wo genau er verankert wird, ist jedoch umstritten. Wohl überwiegend wird er direkt aus den jeweiligen Grundrechten hergeleitet, teilweise auch pauschal dem Rechtsstaatsprinzip zugeordnet. Teilweise kommt er auch in einfachen Gesetzen vor, siehe § 5 PolG BW, § 19 Abs. 2, 3 LVwVG BW.
41Letztlich dient der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor allem dem Ausgleich entgegenstehender Interessen und gibt die Antwort auf die Frage, wie diese Interessen in Einklang miteinander gebracht werden können. Wichtig für das Verständnis ist, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine starre Lösung des Falles vorgibt. Er trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass ein konkreter Fall in rechtmäßiger Weise oftmals auf mehrere Arten gelöst werden kann. Das ist aber kein „Freibrief“ für die Verwaltung, sondern bedeutet, dass die Verwaltung eine umfassende Einschätzung und Abwägung anstellen und diese auch begründen muss. Insb. an der Begründung scheitert es allerdings häufig in der Praxis und Klausurbearbeitung.