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bb) Inlandstätigkeit
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Etwas anderes gilt, wenn über die interne Beratung hinaus der im Ausland ansässige Rechtsdienstleister für den inländischen Mandanten gegenüber Dritten rechtsdienstleistend tätig wird. Nach dem BGH[211] ist die Zulässigkeit einer aus dem Ausland erbrachten Rechtsdienstleistung, welche die Regelung des Rechtsverhältnisses von im Inland ansässigen Parteien betrifft (hier: Schuldenbereinigung nach §§ 305 ff. InsO), nach dem RBerG – gleiches würde gelten für das RDG – zu beurteilen und kann sie dementsprechend wettbewerbsrechtlich verfolgt werden.[212]
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Das OLG[213] hatte bereits als Vorinstanz geurteilt, der Entscheidung sei gemäß Art. 40 und Art. 42 EGBGB deutsches materielles Recht zugrunde zu legen. Danach bestehe ein Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 1 UWG (a. F.) i. V. mit Art. 1 § 1 RBerG. Das Rechtsberatungsgesetz erfasse die vorliegende Fallkonstellation. Der Sachverhalt sei dadurch gekennzeichnet, dass sowohl der Auftraggeber der Stiftung als auch dessen Gegner ihren Sitz in Deutschland hätten. Einziger Auslandsbezug sei die Tatsache, dass der Beklagte, der zudem deutscher Staatsangehöriger sei, von den Niederlanden aus tätig werde. Der Zweck des Rechtsberatungsgesetzes, eine ausreichende Qualifikation derjenigen sicherzustellen, die Dritten ihre rechtsberatenden Dienste anböten, gebiete seine Anwendung auf Sachverhalte, die ausschließlich im deutschen Rechtsraum Wirkung entfalteten. Dafür spreche auch die Parallele zum deutschen internationalen Privatrecht, das ebenfalls an den Marktort anknüpfe. Hingegen komme dem Ort der Niederlassung des Rechtsbesorgers kein besonderes Gewicht zu. Ein Verstoß gegen Art. 49 EGV liege nicht vor, weil das Verbot zwingenden Gründen des Allgemeinwohls diene und verhältnismäßig sei.
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Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG und führte u. a. aus:
„(1) Das Rechtsberatungsgesetz dient dem Schutz der Rechtsuchenden und dem Interesse der Allgemeinheit an der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Der Zulassungsvorbehalt des Rechtsberatungsgesetzes wird von den Belangen des Gemeinwohls getragen, den Einzelnen und die Allgemeinheit vor ungeeigneten Rechtsberatern zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu gefährden; dabei ist auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der rechtsberatenden Berufe Rücksicht zu nehmen (BVerfG NJW 2004, 2662; BGH, Urt. v. 6.12.2001 – I ZR 14/99, GRUR 2002, 987, 992 = WRP 2002, 956 – Wir Schuldenmacher).
(2) Der Streitfall betrifft eine außergerichtliche Rechtsbesorgung im Auftrag eines inländischen Auftraggebers gegenüber dessen im Inland ansässigen Gegner u. a. etwa zur Vorbereitung eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens nach den §§ 305 ff. InsO. Die vom Beklagten nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen im Ausland verfassten und von dort aus verschickten Schreiben waren an den inländischen Gläubiger des Auftraggebers des Beklagten gerichtet. Diese Tätigkeit, für die der Beklagte entsprechend den vorgelegten Internetausdrucken im Inland geworben hat, stellt, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, eine inländische Rechtsbesorgung dar, die unter Berücksichtigung der Schutzzwecke des Rechtsberatungsgesetzes nur bei Vorliegen der in diesem Gesetz genannten Zulassungsvoraussetzungen vorgenommen werden darf. Der Auftraggeber des Beklagten und sein Gläubiger, dem gegenüber die Rechtsbesorgung vorgenommen worden ist, sind im Inland ansässig, so dass der Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes, inländische Rechtsuchende vor ungeeigneten Rechtsberatern zu bewahren, unmittelbar betroffen ist. Die Rechtsbesorgung dient der Durchführung eines Schuldenbereinigungsverfahrens nach den §§ 305 ff. InsO. Soweit das gerichtliche Verfahren voraussetzt, dass eine außergerichtliche Schuldenbereinigung erfolglos versucht worden ist, und dabei die Mitwirkung geeigneter Personen und Stellen vorgesehen ist (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO), soll damit einer übermäßigen Belastung der Gerichte mit Verbraucherinsolvenzverfahren entgegen gewirkt werden (vgl. BT-Drucks. 12/7302, S. 190; MünchKomm.InsO/Ott, § 305 Rdn. 1, 26).
Auch der Schutzzweck der Erhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege gebietet es demnach, die Zulässigkeit der Rechtsbesorgung im vorliegenden Fall von dem Vorliegen der gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen abhängig zu machen.
(3) Der Umstand, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in den Niederlanden hat und die im Inland wirkende Rechtsbesorgung von dort aus in Gang setzt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Im Schrifttum wird zu Recht angeführt, dass der Sitz der Niederlassung des Rechtsbesorgers wegen der Umgehungsgefahr kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Frage der Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes ist (vgl. Mankowski, AnwBl 2001, 73, 75; Budzikiewicz, IPRax 2001, 218, 222). Nicht qualifizierte Rechtsbesorger könnten sich ansonsten den Anforderungen des Rechtsberatungsgesetzes durch die bloße Verlegung ihrer Niederlassung in das Ausland entziehen, um von dort aus rechtsberatende Tätigkeiten in Deutschland vorzunehmen, und zwar nicht nur in grenznahen Gebieten, sondern unter Nutzung der modernen Kommunikationsmittel (z. B. telefonische oder Online-Rechtsberatung) im gesamten Geltungsbereich des Gesetzes.
(4) Auf die Frage, ob der inländische Rechtsuchende, der sich zu einer Rechtsberatung ins Ausland begibt, erkennen kann, dass der ausländische Rechtsbesorger, solange er nur im Ausland tätig wird, nicht den inländischen Zulassungsvoraussetzungen unterworfen ist und seine Rechtsberatung daher möglicherweise nicht den Anforderungen genügt, die von einem inländischen Rechtsberater erwartet werden können, kommt es nicht an. Das Rechtsberatungsgesetz enthält, soweit es Rechtsuchende vor ungeeigneten Rechtsberatern bewahren will, typisierende Regelungen. Es setzt auch bei der Rechtsbesorgung durch inländische Rechtsberater nicht voraus, dass der Rechtsuchende im Einzelfall die Ungeeignetheit des Rechtsberaters nicht erkennen konnte.
e) Die vorstehend vorgenommene Beurteilung verstößt nicht gegen Art. 12 GG. Die Zulassungsbeschränkungen des Rechtsberatungsgesetzes sind mit Art. 12 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 41, 378, 390; 75, 246, 267; 97, 12, 26 f.; BVerfG NJW 2000, 1251; NJW 2002, 3531). Der Gesichtspunkt, dass der Beklagte einen Teil seiner Tätigkeit vom Ausland her vornimmt, gewährt keinen weiterreichenden Schutz.
f) Ein Verstoß gegen Art. 49 EG liegt nicht vor. Der freie Dienstleistungsverkehr darf durch Regelungen beschränkt werden, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und für alle im Geltungsbereich der betreffenden Regelung tätigen Personen und Unternehmen gelten, wenn dem Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften Rechnung getragen ist, denen der Leistungserbringer in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist (EuGH, Urt. v. 25.7.1991 – C-76/90, Slg. 1991, I-4221 Tz. 14 = GRUR Int. 1991, 807 – Säger/Dennemeyer; Urt. v. 12.12.1996 – C-3/95, Slg. 1996, I-6511 Tz. 28 = WM 1997, 164 – Reisebüro Broede/Sandker). Das durch das Rechtsberatungsgesetz geschützte Allgemeininteresse daran, dass Rechtsuchende vor Schäden bewahrt werden, die ihnen dadurch entstehen könnten, dass sie Rechtsrat von Personen erhalten, die nicht die erforderliche berufliche oder persönliche Qualifikation besitzen, rechtfertigt eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit (EuGH GRUR Int. 1991, 807 Tz. 16/17 – Säger/Dennemeyer). Das Rechtsberatungsgesetz wird zudem in nicht diskriminierender Weise angewendet, weil In- und Ausländer gleichermaßen davon betroffen sind. Es sind im vorliegenden Fall auch keine weniger einschneidenden Mittel ersichtlich, um die Ziele des Rechtsberatungsgesetzes zu verwirklichen. Da in den Niederlanden keine Vorschriften bestehen, welche die außergerichtliche Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten beschränken (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 1.9.2006, BR-Drucks. 623/06 S. 54 f.), ist dort dem Allgemeininteresse, welches das Rechtsberatungsgesetz schützt, nicht in gleicher Weise Rechnung getragen. Aus der Regelung über die vorübergehende Tätigkeit eines europäischen Rechtsanwalts gem. §§ 25 ff. EuRAG, die auf der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie 77/249/EWG des Rates vom 22. März 1977 (ABl. EG Nr. L 78 S. 17) beruht, kann – abgesehen davon, dass der Beklagte nicht nur vorübergehend in Deutschland tätig ist – etwas anderes nicht hergeleitet werden, weil im Gegensatz zu nichtanwaltlichen Beratern der Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in anderen Ländern regelmäßig in einer Weise geregelt ist, die eine ausreichende Überwachung der Qualität der Rechtsbesorgung gewährleistet.“
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Auf der Linie des BGH liegt auch weitgehend die obergerichtliche Rechtsprechung. So entschied das OLG Hamm,[214] dass das deutsche Rechtsberatungsrecht dann Anwendung finde, wenn eine im Grenzgebiet zu Deutschland ansässige niederländische Stiftung (mit deutschem Vorstand) deutsche Schuldner berät und für diese Tätigkeit mit einem Internetauftritt wirbt, in dem auf die „bundesweite Tätigkeit“ hingewiesen wird, ohne Zulassung nach dem RBerG; dann verstoße sie gegen § 1 UWG i.V.m Art. 1 § 1 RBerG.[215] Das Verbot der Rechtsberatung beeinträchtige weder die Niederlassungsfreiheit noch die Dienstleistungsfreiheit. – Auch nach einer weiteren Entscheidung des OLG Hamm[216] kommt ein Verstoß gegen das RBerG – gleiches würde für das RDG gelten – dann in Betracht, wenn eine niederländische Gesellschaft mit deutschem Geschäftsführer für einen deutschen Mandanten in Deutschland versucht, eine Forderung einzuziehen, ohne im Besitz einer Inkassoerlaubnis zu sein. Das OLG argumentiert, dass das RBerG zwar nur die Inlandstätigkeit erfasse. Im konkreten Fall liege aber hingegen eine Inlandstätigkeit vor. Entscheidend sei der Umstand, dass die Rechtsangelegenheit eine rein innerdeutsche Angelegenheit sei.