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cc) Verhältnismäßigkeit von Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit
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Soweit im Einzelfall die Dienstleistungsfreiheit doch als einschlägig bei der angebotenen Rechtsdienstleistung angesehen wird, wäre die mit der Annahme eines Verbots verbundene Einschränkung nur dann gerechtfertigt, wenn die Kriterien des Schrankenquartetts des EuGH erfüllt wären. Dies trifft nach der hier vertretenen Ansicht – wie oben dargelegt[221] – nicht zu, da bereits massive Bedenken bestehen, ob das RDG wirklich zwingend im Interesse des Gemeinwohls erforderlich ist. Die Bedenken verstärken sich bei Fällen mit Auslandsbezug, da am Maßstab der Schutzzwecke des RDG in § 1 I 2[222] wie auch des Gebots der europa- und verfassungsrechtkonformen Auslegung eine Schutzbedürftigkeit des Rechtsuchenden zu verneinen ist, wenn er einen ausländischen Dienstleister beauftragt. Warum muss er unbedingt auch noch ins Ausland reisen, um die Erbringung der Rechtsdienstleistung sicherzustellen?
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Die bisherige Rechtsprechung zum RBerG bejahte jedoch unkritisch die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung der Rechtsberatungsfreiheit:
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So führte das OLG Hamm[223] aus: „Verstößt daher der Beklagte gegen die Verbotsnorm des Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG, so berechtigt ihn hierzu auch weder die Niederlassung noch die Dienstleistungsfreiheit innerhalb der Mitgliedsländer der EG, obwohl das Recht ein entsprechendes Verbot der unerlaubten Rechtsberatung nicht enthält. Die Anwendung des RBerG ist ausschließlich an der in Art. 49 f. EGV normierten Dienstleistungsfreiheit zu messen. Diese ist zwar gegenüber der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 f. EGV subsidiär (vgl. EuGH, Reisebüro Broede, Slg. 1996, I-6529 Rn. 19), die Niederlassungsfreiheit des Beklagten ist durch das Verbot, in Deutschland Rechtsberatung auszuüben, aber nicht berührt. Dem Beklagten wird durch die Entscheidung insbesondere nicht untersagt, mit der nach Recht von ihm in den Niederlanden gegründeten Stiftung in Deutschland tätig zu werden. Das Verbot betrifft nur den Inhalt der Tätigkeit dieser Stiftung, soweit diese gegen das RBerG verstößt. Dieses Verbot ist zwar geeignet, den freien Dienstleistungsverkehr zu beeinträchtigen, gleichwohl aber mit Art. 49 EGV vereinbar. Hierfür sind vier Voraussetzungen erforderlich, die sämtlich erfüllt sind: so wird das Gesetz in nicht diskriminierender Weise angewandt, indem es sowohl deutsche als auch Angehörige anderer Mitgliedsländer seinen Regeln unterwirft. Das Verbot dient auch zwingenden Gründen des Allgemeinwohls. Hierfür genügt es, dass das Gesetz dem Ziel dient, Empfänger der betreffenden Dienstleistung davor zu bewahren, dass Ihnen durch Rechtsrat von Personen, die nicht die erforderliche berufliche oder persönliche Qualifikation besitzen, Schaden entsteht und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege zu sichern. Weiter ist das Verbot geeignet, die Verwirklichung des mit ihm bezweckten Ziels des Schutzes der Gläubiger zu erreichen und schließlich geht es auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. auch BGH, NJW 2003, 3706).“
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Vergleichbar führte das OLG Hamm in einer weiteren Entscheidung[224] aus: Die Dienstleistungsfreiheit werde durch die Annahme einer Erlaubnispflicht nicht verletzt. Denn es werde dadurch im Inland ansässigen Personen nicht grundsätzlich verwehrt, Forderungseinziehungen als Dienstleistung anzubieten und zu erbringen. Sie müssten dann nur gem. Art. 60 Abs. 3 EGV die Voraussetzungen erfüllen, die auch Inländer bei der Einziehung fremder Forderungen erfüllen müssen. Solche Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit müssten nur sachlich geboten sein. Vor allem aber müssten ausländische Berechtigungen zu der entsprechenden Tätigkeit anerkannt und auf ihre Gleichwertigkeit mit den inländischen Berufsvoraussetzungen überprüft werden. Diesen Anforderungen genüge das RBerG. Dementsprechend würden die Beklagten auch die Dienstleistungsfreiheit nicht in Anspruch nehmen. Sie machten nicht geltend, dass sie nach Art. 59 EGV bei ihrer Einziehungstätigkeit von den Regelungen des RBerG befreit seien. Sie leuchteten vielmehr den grenzüberschreitenden Charakter ihrer Dienstleistung und nähmen für sich in Anspruch, eine rein ausländische Dienstleistung zu erbringen, die dem Anwendungsbereich des RBerG von vornherein nicht entzogen sei.