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V. Keine Begründungspflicht des BVerfG

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Die Ablehnung der Annahme einer Verfassungsbeschwerde bedarf – letztlich zwecks Arbeitsentlastung des BVerfG – nach § 93d Abs. 1 S. 3 BVerfGG keiner Begründung.[1] In der Regel ergehen Nichtannahmebeschlüsse auch dementsprechend ohne jede Begründung. Dieses gesetzmäßige Verfahren hat den Nachteil, dass der Beschwerdeführer und sein Anwalt keine Kenntnis erlangen, warum die Annahme verweigert wurde, was in den Fällen bedauerlich ist, in denen eine Nichtannahme nicht prognostizierbar war. Andererseits werden damit auch nicht Fehler und Schwächen der Begründung „angeprangert“. Ein Begründungsverzicht hat für das BVerfG den Vorteil, dass es nicht – wie leider nicht selten bei erfolgter Kurzbegründung – durch lapidar begründete Nichtannahmebeschlüsse seinen eigenen Ruf gefährdet.[2]

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Soweit die Nichtannahme gelegentlich begründet wird, kommt sie oftmals über Leerformeln nicht hinaus; dies ist z.B. der Fall, wenn darin – wie meist – nur banal ausgeführt wird, dass eine Grundrechtsverletzung (angeblich) nicht vorliege. Nicht selten enthalten sie auch fragwürdige obiter dicta, in denen lapidar gravierende Probleme abgehandelt oder besser abgetan werden,[3] ohne dass eine Sach- oder Rechtskenntnis der Kammer bzw. deren Auseinandersetzung mit der Beschwerde erkennbar wären. Apodiktische Formulierungen in Nichtannahmebeschlüssen täuschen nicht selten verfassungsgerichtliche „Rechtssicherheit“ nur vor.

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Gelegentlich sind die Begründungen jedoch sehr umfangreich, was auch nicht immer zu überzeugen vermag, weil in diesen Fällen oftmals eine Entscheidung der Kammer oder gar eine Senatsentscheidung geboten gewesen wäre. Den verantwortlichen Richtern fehlt aber nicht selten „Mut“ und „Kraft“, in der Sache zu entscheiden.[4]

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Beispiel

BVerfG NJW 2012, 993: Anstatt in der Sache zu entscheiden und sich zu der bereits in den Vorinstanzen ausführlich geprüften Frage zu äußern, ob es am Maßstab des Art. 12 und 3 Abs. 1 GG vertretbar ist, nur Rechtsanwälten die Rechtsform der GmbH & Co KG – im Gegensatz zu Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern – zu verbieten, versucht das Gericht seitenlang angebliche Begründungsdefizite zu konstruieren. Tatsächlich handelt es sich um eine „verkappte“ Ablehnungsentscheidung; die Kammer hatte nur nicht den Mut, sich zu ihrer verfassungswidrigen Entscheidung – die GmbH & Co KG für Rechtsanwälte wird zugelassen werden müssen – in der Sache zu bekennen.

BVerfG NJW 2012, 2570: Der Beschwerdeführer wandte sich gegen eine sitzungspolizeiliche Maßnahme, mit der er als Verteidiger zurückgewiesen worden war, da er sich geweigert hatte, in der Hauptverhandlung zu Robe und weißem Hemd eine Krawatte anzulegen. Es ist sehr umstritten, ob entgegen der Satzungsbestimmung des § 20 BORA durch sitzungspolizeiliche Maßnahmen ein Krawattenzwang verfügt werden kann.[5] Die zuständige Kammer des BVerfG „drückte“ sich jedoch vor den Problemen, indem sie kurzerhand formulierte: „Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist ferner nicht zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG)….. Hiernach kommt der behaupteten Grundrechtsverletzung kein besonderes Gewicht zu. Der Beschwerdeführer kann ähnliche Maßnahmen künftig abwenden, indem er eine Krawatte anlegt.“ Letzteres ist in der Tat zutreffend, rechtfertigt aber nicht die Verweigerung der Entscheidung in der Sache.

Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde

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