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aa) Juristische Personen des Privatrechts
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Ohne weiteres ist gem. Art. 19 Abs. 3 GG die Grundrechtsfähigkeit gegeben, wenn es sich um juristische Personen des Privatrechts handelt, wie eine AG, GmbH oder PartG.[20]
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Über den Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG hinaus, der auf juristische Personen abstellt, ist nach st. Rspr. des BVerfG die Beteiligtenfähigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren auch bei nichtrechtsfähigen Organisationen zu bejahen, soweit sie – wie dies bei einer BGB-Gesellschaft nach den §§ 705 ff. BGB,[21] einer OHG oder KG nach dem HGB oder einem nicht-rechtsfähigen Verein[22] nach § 54 BGB der Fall ist – zumindest teilrechtsfähig – also Zuordnungssubjekt von Rechtsnormen – sind.[23]
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Einen Sonderfall bilden politische Parteien und Abgeordnete. Hier bedarf es der Abgrenzung zwischen Verfassungsbeschwerde und Organklage:
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Parteien sind einerseits (z.T. nicht-rechtsfähige) Vereine; sie haben jedoch – nach der nicht gerade überzeugenden Rechtsprechung des BVerfG – im Hinblick auf Art. 21 GG wegen des Auftrags, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, quasi die Funktion eines Verfassungsorgans. Sie sind grundsätzlich grundrechts- und daher im Verfassungsbeschwerdeverfahren auch beteiligtenfähig.[24] Verfassungsbeschwerde können sie jedoch nur erheben, soweit sie in ihren Grundrechten – quasi wie ein Bürger – betroffen sind, was z.B. der Fall ist bei einem Streit um die Vergabe von Sendezeiten bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten[25] oder öffentlichen Einrichtungen wie Stadthallen,[26] zumal hier ein geeigneter Antragsgegner für ein Organstreitverfahren fehlt. Soweit es hingegen um ihren Organstatus geht, wie z.B. bei einem Vorgehen einer Partei gegen Regelungen zur Parteienfinanzierung, kommt nur eine Organklage gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 63 ff. BVerfGG in Betracht.[27]
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Auch bei Abgeordneten ist entsprechend zu differenzieren. Sind sie – wie bei einem Redeverbot im Parlament – in ihrem Organstatus betroffen, kommt auch nur eine Organklage in Betracht.[28] Geht es hingegen um ihre Grundrechte, wie bei einem Strafurteil wegen einer beleidigenden Rede, können sie Verfassungsbeschwerde erheben.
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Entscheidend ist, dass die Verfassungsbeschwerde nur statthaft ist, wenn die öffentliche Gewalt in die verfassungsrechtlich geschützte Sphäre des Bürgers eingreift. Diese Verfahrensart steht jedoch nicht Streitigkeiten zwischen Staatsorganen offen; diese sind in Organstreitverfahren auszutragen.[29] Statthaft ist hingegen eine – auf Art 38 Abs. 1 S. 2 GG gestützte – Rüge der Verletzung der Wahlgleichheit durch einen Bundestagsabgeordneten. [30] Gleiches gilt im kommunalen Bereich.
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Beispiel
BVerfG NVwZ-RR 2012, 2 – Verfassungsbeschwerde kommunaler Mandatsträger: Sie richtete sich gegen die in § 32 Abs. 1 S. 3 KomVerf BB festgelegte Mindestgröße einer Fraktion in einer Stadtverordnetenversammlung. Hier handelt es aber sich nur um aus dem Mandat folgende, mithin nicht „jedermann“ zustehende Rechte. Die Wahlgleichheit vermittelt im Kommunalverfassungsbereich kein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges subjektives Recht. Für den Bereich des gewählten Kommunalvertreters fehlt eine dem Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG entsprechende Vorschrift. Art 38 Abs. 1 S. 2 GG ist auf Landtags- oder Kommunalwahlen auch nicht entsprechend anwendbar; subjektivrechtlich sind die Wahlrechtsgrundsätze auf kommunaler Ebene nicht gewährleistet (vgl. BVerfGE 99, 1, 7 ff.). Auch Art 19 Abs. 4 GG begründet keine Beschwerdebefugnis kommunaler Mandatsträgern in Statusstreitigkeiten. Er enthält schließlich insofern keine Gewährleistung von Rechten, sondern setzt vielmehr eine dem Bürger gewährte Rechtsposition voraus (vgl. BVerfGE 83, 182, 194).