Читать книгу Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde - Michael Kleine-Cosack - Страница 176
b) Akte der vollziehenden Gewalt
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Akte der Verwaltung können – was aber wegen der Subsidiaritätsregelung des § 90 Abs. 2 BVerfGG selten der Fall ist – grundsätzlich Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein. In Betracht kommen z.B. Verwaltungsakte, aber auch schlicht hoheitliches Handeln[38] wie informelle Tätigkeiten in Form von Warnungen[39] der öffentlichen Hand vor bestimmten Sekten oder Produkten. Verwaltungsvorschriften können beschwerdefähig sein, soweit ihnen kraft der intendierten Funktion, die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit von Maßnahmen gewährleisten zu helfen, Bindungswirkung gegenüber dem betroffenen Bürger zukommt.[40] Auch Gnadenentscheidungen können entgegen dem BVerfG,[41] das nur deren Widerruf als grundrechtsgebundenen Akt öffentlicher Gewalt ansieht,[42] angesichts der auch für sie gem. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG bestehenden Grundrechtsbindung Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein.[43]
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Kirchliche Hoheitsakte sollen mangels Hoheitsgewaltausübung und wegen des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) nicht Beschwerdegegenstand sein, soweit es sich um innerkirchliche Maßnahmen handelt.[44] Daher konnte die Entscheidung eines Kirchengerichts über die Versetzung eines Pfarrers in den Ruhestand nicht mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden.[45] – Diese Rechtsprechung vermag nicht zu überzeugen, da sie auf einen mit Art. 1 Abs. 3 GG nicht vereinbaren grundrechtsfreien Raum zugunsten der Kirchen hinausläuft, der zumindest im Dienst- und Arbeitsrecht nicht mehr vertretbar ist. Die gesamte Judikatur zum Verhältnis Staat-Kirche gehört auf den Prüfstand. Die noch viel zu „verzagte“ Entscheidung des BAG[46] zum Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen könnte immerhin einen Anstoß zu einer Änderung der antiquierten Judikatur geben mit der Folge der Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen und der Betonung einer verstärkten Grundrechtsbindung der Kirchen wie auch der Erweiterung der Angriffsmöglichkeiten für Verfassungsbeschwerden gegen kirchliche Entscheidungen.