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Holden

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Kategorie tapfere Todesarten: sterben, während man jemand anderem das Leben rettet.

Ich will zu Prissy rennen und mich wie ein Abwehrschild vor sie stellen, aber meine Handgelenke stecken in den Klauen dieser blöden Spitzmaus und es hat null Effekt, dass ich mich wie wild winde.

»Bitte«, flehe ich, »ich muss zu meiner Schwester.«

»Das Einzige, was du musst, ist dich bedeckt halten und alles andere uns überlassen«, sagt er in einem unausstehlich oberlehrerhaften Ton. »Du solltest überhaupt nicht hier sein dürfen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich dich sofort wieder vor die Tür gesetzt.«

Zum Glück war die Oberbefehlshaberin anderer Meinung. Ihr war die Sicherheit der Computer wichtiger und sie hatte keine Zeit mit uns verlieren wollen.

Ich will auch keine Zeit verlieren. »Drecksack, lass mich los!«

Pferde können prächtig nach hinten austreten. Ich beuge mein Knie und hole aus.

Plan okay, Ausführung wertlos. Ein lahmes Shetlandpony hat mehr Tritttalent als ich. Spitzmaus straf‌t mich sofort, indem er meine Handgelenke noch weiter hochschiebt und zwischen meinen Schulterblättern parkt. Ich wage es nicht mehr, mich zu bewegen, aus Angst, ich könnte mir die Arme brechen. Meine einzige verbleibende Waffe ist meine Stimme.

Vielleicht ist die Oberbefehlshaberin ja vernünf‌tigen Argumenten zugänglich.

»Das Gewehr ist vollkommen überflüssig!«, brülle ich. »Lassen Sie uns bitte reden!«

»Reden«, äfft einer von Prissys neuen Freunden mich nach – ein Blödmann mit einer brennenden Stirnlampe, als würde er an so einer idiotischen Höhlentour teilnehmen. »Mann, hast du das Calmexin vergessen? Mit diesen Leuten kann man nicht reden.«

»Calmexin?«, fragt die Oberbefehlshaberin.

Paine macht eine Das-erkläre-ich-dir-später-Handbewegung. Sie steht in der Nähe des großen dünnen Kerls mit der Beanie, aber leider noch nicht nahe genug, um ihm den Schlüssel abzuluchsen. Ein frontaler Angriff hat wahrscheinlich auch keinen Sinn. Sie reicht ihm so etwa bis zu den Achseln.

»Los, Prissy«, pusht der Beanie-Typ meine Schwester. »Du brauchst keine Angst zu haben, dass sie schießt. Calmexin-Konsumenten sind zu einer solchen Gewalttat nicht in der Lage.«

Ich dachte, Hacker wären klüger.

»Wer sagt denn, dass sie nicht immun ist?«, rufe ich.

Aber Prissy ist schon auf dem Weg zum Computer ganz hinten.

Und dann geschieht es.

Ein ohrenbetäubender Knall zerreißt mein Trommelfell. Ich höre nur noch ein lang gezogenes Pfeifen, so fucking laut und hoch, dass es fast wehtut, Prissy erstarrt wie ein Kaninchen vor den Scheinwerfern eines Autos, während in der gläsernen Wand neben ihr ein Spinnennetz erscheint, das sich immer weiter ausbreitet und dessen Enden in alle Richtungen kriechen – wie Risse in berstendem Eis. Prissy selbst steht zum Glück noch ganz normal aufrecht und ich sehe nirgends Blut oder Wunden, aber das kann sich jeden Moment ändern, denn diese gestörte Oberbefehlshaberin legt erneut an.

Irgendwas in mir sagt mir, ich müsste erleichtert sein. Prissy und ihre Freunde sind ausgeschaltet, bevor sie ihre Computerschlüssel haben benutzen können, und die Menschheit ist vorläufig vor dem Untergang gerettet.

Nur kann mich die Menschheit gerade mal kreuzweise.

Voller Grausen starre ich auf den glänzenden Lauf. Er wandert von meiner Schwester zu dem Kerl mit der Stirnlampe, dem Typen mit der Beanie und dann wieder zurück – wie ein riesenhafter Finger, der sich einfach nicht entscheiden kann, wen er als Erstes wählen soll. Nicht Prissy! Bitte nicht Prissy!

Ich schreie es laut heraus, aber meine Stimmbänder sind wie festgerostet und produzieren kaum einen Laut. Meine Ohren funktionieren wieder. Der Pfeifton hat aufgehört und ich höre die Oberbefehlshaberin reden.

»Die Computerschlüssel«, sagt sie.

»Holen Sie sie doch«, sagt der Beanie-Typ herausfordernd.

Die Oberbefehlshaberin verzieht keine Miene. »Frau Paine, darf ich Sie bitten?«

Data Leaks (2). Wer kennt deine Gedanken?

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