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Holden

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Ich stehe mit der Direktorin Vera Paine im Kontaktraum des Cliffton Instituts – der einzige Ort im ganzen Gebäude, von dem aus man mit der Außenwelt kommunizieren kann. Jedenfalls, wenn diejenige, die man dringend sprechen muss, ihr Camphone nicht in irgendeinem Keller hat liegen lassen und abgehauen ist. Herzlichen Dank, Pris!

Als ich die elektronische Verbindungsassistentin bat, sie anzurufen, nahm ein unbekannter Mann das Gespräch entgegen.

»Zu spät.« Mehr sagte er nicht.

Wahrscheinlich war es die Stimme von irgendwem, irgendwann mal aufgenommen und gespeichert und danach von Sims dazu benutzt, uns eine Botschaft zu übermitteln. Die furchtbare Nachricht, dass wir zu spät sind, um das Unheil noch abzuwenden, weil Prissy und ihre Hackerfreunde …

Wie hat Sims meine Schwester bloß so weit gekriegt?

Social Interactive Monitor System.

Sozial, dass ich nicht lache. Phill Rogers hätte sein Computerprogramm lieber IMS nennen sollen: Interaktives Mordlustiges System.

Kaum denke ich an die tödlichen Methoden von Boyd Swis und der Zopffrau, spüre ich ein besorgtes Stechen in meinem Magen. Sims ist imstande, einen Menschen die schrecklichsten Sachen machen zu lassen, und Prissy kann nicht mal einen Notruf absetzen, denn sie hat nicht nur ihr Camphone, sondern auch ihr ID-Bändchen zurückgelassen. Über die Live-Verbindung können wir alles auf dem Monitor sehen: das mit Zebrafischen verzierte ID-Bändchen neben einer altmodischen Tastatur und das gelbe Medikamentendöschen, in dem Pas Computerschlüssel seit seinem Tod versteckt war. Jemand hat es ausgeschüttet und auf den Kopf gedreht hingestellt. Ich zähle acht weiße Kopfschmerztabletten und eine rosa Pille.

Ein Stillleben, würde Prissy sagen.

Warum habe ich nicht besser auf sie aufgepasst?

In dem Moment, in dem meine Augen feucht werden, findet Vera Paine ihre Sprache wieder.

»Alarmnummer anrufen«, befiehlt sie der Verbindungsassistentin.

Es geschieht nichts. Der Monitor zeigt noch immer dieselben Bilder.

Oder besser gesagt: Sims zeigt noch immer dieselben Bilder.

»Das ist eine Notsituation!« Paine legt ihre Hände auf die Rückenlehne des einzigen Stuhls im Raum. »Unterbrich die aktuelle Verbindung und nimm sofort Kontakt mit der Alarmzentrale auf.«

Die Verbindungsassistentin ist Sims nicht gewachsen.

»Error«, sagt sie.

Aus dem Augenwinkel sehe ich einen Portable auf dem Boden liegen. Derselbe Portable, der mich vorhin mithilfe eines sich bewegenden Punkts hierhergeführt hat, um mit Prissy zu reden.

Vielleicht, wenn ich schnell genug bin …

Ich hebe ihn auf – zum Glück kenne ich den Zugangscode – und tippe die einzige Nummer ein, die ich auswendig kenne. Die von Ma.

Auf dem Schirm erscheint nicht ihr Gesicht, sondern ein Zeichentrickvideo, in dem mir ein Kind eine lange Nase zeigt.

Eine Welle von glühendem Hass durchströmt mich und dann flutscht mir der Portable plötzlich aus den Händen und nimmt direkten Kurs auf den Kontaktmonitor. Ein lautes Knacken und zu meiner großen Genugtuung sehe ich einen kräftigen Sprung im Glas. Das Gerät knallt vor mir auf den Boden. Ich kann mich nicht beherrschen und verpasse ihm einen wütenden Tritt.

Fuck Sims!

»Fertig?«, fragt Paine auf eine Art, die mich wie einen totalen Loser fühlen lässt.

Sie hat ja recht. Ich hätte mich von diesem blöden Video nicht provozieren lassen dürfen. Eigentlich bin ich nicht viel besser als der Pfleger Swis und die Zopf…

Auf dem großen Monitor tut sich was!

Das Stillleben im Keller verwandelt sich in ein komplettes Aufnahmestudio. Ein Mann – sein Gesicht ist wegen des Sprungs nicht gut erkennbar, aber laut Textbalken darunter heißt er Professor Lindl – sagt mit schleppender Stimme: »Ich habe leider kein Back-up wie mein Computer. Wenn mein Körper auf‌hört zu existieren, werden auch meine Gedanken und Erinnerungen für immer verschwinden. Das Gedächtnis meines Computers dagegen kann ewig weiterleben.«

Ich kapiere sofort, dass dieses Video für mich gedacht ist.

Sims will mich wissen lassen, dass meine Aktion von eben vollkommen sinnlos war. Und wenn ich Hunderttausende von Bildschirmen und Portables schrotten würde …

Künstliche Intelligenz lässt sich nicht stoppen.

Data Leaks (2). Wer kennt deine Gedanken?

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