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Prissy

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Frau Paine.

Ich spüre, wie das Blut in meinen Schläfen pocht. Diese kleine Frau in ihren hässlichen Sandalen ist die Direktorin des Cliffton Instituts? Die es ganz in Ordnung findet, die Menschheit heimlich unter Drogen zu setzen, und die mit den Führenden unter einer Decke steckt. Kein Wunder, dass sie hier ist, um unsere Mission zu stoppen. Ich verstehe nur nicht, warum sie Holden mitgebracht hat.

Mit kleinen Schritten geht sie auf Lașer zu. Er verbirgt seine Faust schnell auf dem Rücken, wie ein großes Kind, das sein Spielzeug nicht hergeben will.

»Den Schlüssel«, schnauzt Oberbefehlshaberin Bevins.

Und dann bewegt Lașer seinen Arm doch nach vorn. Es sieht aus wie ein Zaubertrick. Statt des erwarteten Schlüssels kommt etwas anderes zum Vorschein – und damit meine ich nicht das übliche Sträußchen Plastikblumen oder ein Plüschkaninchen, sondern eine richtige PISTOLE!

Die Vorstellung, dass er das Ding die ganze Zeit bei sich getragen hat, macht mich nervös.

Oder hatte er sie in der Tasche und gerade erst in seinen Hosenbund gesteckt?

Sie hätte losgehen können!

Sie kann noch immer losgehen.

»Dir ist schon klar, dass du damit ein jahrelanges Wegsperren in einem Institut riskierst?«, sagt die Oberbefehlshaberin. »Der Unparteiische ist bei Fake-Waffen besonders streng.«

»Das ist keine Schreckschusspistole«, mischt Mo sich ein.

Wir schauen alle für einen Moment in seine Richtung und dann wieder zu Lașer, der den Lauf der Pistole an Paines Brust hält, exakt auf die Stelle, wo ihr Herz sitzt. Zumindest, falls diese Hexe ein Herz hat.

Nerven hat sie jedenfalls. Ihre erhobenen Hände zittern leicht und im Bruchteil einer Sekunde denke ich: richtig so.

Ich erschrecke vor mir selbst. Als ich noch Calmexin schluckte, habe ich nie so etwas gedacht.

»Echte Waffen gibt es nirgends zu kaufen.« Die Oberbefehlshaberin gibt sich offensichtlich große Mühe, selbstsicher zu klingen. »Nicht einmal im Blackweb.«

»Wir haben sie nicht gekauft, sondern gefunden«, sagt Mo. »Sie gehörte einem Prepper.«

Natürlich! Der Schutzkeller. Während der Bangen Jahre brauchten Menschen zum Überleben nicht nur Nahrung, sondern auch Waffen. Jedenfalls glaubten sie das. In Wirklichkeit starben deswegen viele Leute.

»Was willst du?«, fragt Paine mit ängstlichem Blick auf die Pistole.

»Dass sie ihr Gewehr weglegt«, sagt Lașer.

Die Oberbefehlshaberin macht keine Anstalten.

»Worauf warten Sie noch?«, ruft Paine. »Muss er mich erst erschießen, bevor Sie glauben, dass die Waffe echt ist?«

Bevins senkt ihr Gewehr und schaut sich verzweifelt um.

Sie senkt ihre Waffe!

Ich renne zum Computer hinten im Saal, während ich die Oberbefehlshaberin rufen höre: »Code Overloadattack 79!«

»Notsicherung eingeschaltet«, meldet eine Computerstimme.

Vier durchsichtige Säulen senken sich aus der Decke ab. Sie haben dieselbe Würfelform wie die Computer, sind aber eine Nummer größer.

Damit sie darüberpassen, wird mir klar. Wie die von Hand bemalten Babuschkas in meinem Zimmer. Und dann kommen wir nicht mehr an die Ports!

Mo hatte wahrscheinlich denselben Gedankengang. »Ich zähle runter!«

Holden hat es doch noch nicht aufgegeben, denn wie ein Roboterwachhund schlägt er plötzlich wieder an.

»Sims benutzt euch nur!«, schreit er kurz vor einem hysterischen Anfall. »Kapiert es doch! Weil Sims die Schlüssel nicht selbst in die Ports stecken kann, sollt ihr das machen!«

Holden hasst hysterische Leute. Obwohl er aussieht wie mein Bruder, habe ich das Gefühl, einen Fremden anzuschauen.

»Red doch keinen Unsinn, Holden. Ich kenne keinen Sims.«

»Der Name stand auf dem Zettel im dicken Klunker! Sims ist für den Anschlag auf Pa verantwortlich!«

Ich versuche, den Stich in meiner Brust zu ignorieren. Warum rückt Holden erst jetzt damit raus?

»Drei«, sagt Mo.

Holden redet so schnell, dass seine Zunge über die Wörter stolpert.

»Sims ist ein intelligentes Programm für Monitore und Kameras, das mit anderen Programmen zusammenarbeiten will.«

»Computer haben nichts zu wollen«, sagt Lașer. »Wer an der Tastatur sitzt, hat das Sagen.«

Unsere neuen Führenden also.

Die Säulen schweben jetzt dicht über den Computern. Noch ein halber Meter, schätze ich. Höchstens. Noch ein halber Meter zum Entscheiden.

»Wenn ihr die Schlüssel benutzt, werden wir in Zukunft von Computerhirnen regiert!«, schreit Holden.

»Der redet nur ins Blaue hinein, Pris«, sagt Lașer. »Konzentrier dich auf die Challenge.«

Das Wort ist wie ein Trigger. Ich bin davon überzeugt, dass Lașer und Mo die Menschheit ernsthaft retten wollen. Aber ohne diese Challenge von Bit’s a Mystery wären wir nicht hier.

Eine Geheimgesellschaft von Nerds.

Ein intelligentes Computerprogramm.

Angenommen, Holden hat recht und Lașer und Mo wurden hereingelegt. Dass Bit’s a Mystery uns nur benutzt, um den Muttercomputer zu hacken, damit sie die Macht von den neuen Führenden übernehmen können.

Der scharfe Rand der sinkenden Säule berührt jetzt fast mein Handgelenk. Das erinnert mich an eine Guillotine – die Leute früher waren echt nicht normal – und mir wird klar, dass ich meine Hand verliere, wenn ich sie nicht rechtzeitig zurückziehe.

»Eins«, sagt Mo.

Ich umklammere den Schlüssel und halte ihn direkt vor den Port.

Ja, nein, ja, nein …

»Glaub mir, Prissy!«, ruft Holden. »Ich bin nicht verrückt!«

Seine Stimme ist verzweifelt und voller Hoffnung, flehend und voller Vertrauen und eine Sekunde lang glaube ich ihm auch wirklich.

Bis ich zu Paine hinüberschaue.

Die Erkenntnis trifft mich wie ein Blitz.

Sie will, dass ich auf Holden höre! Darum hat sie ihn mitgenommen. Wenn ich irgendwem auf dieser Welt glaube, dann ihm, und das weiß sie. Paine will, dass ich auf‌höre, damit die neuen Führenden einfach weitermachen können und ihre schrecklichen Praktiken für immer geheim bleiben. Ich sehe jetzt alles glasklar vor mir. Wahrscheinlich hat sie Holden einer Gehirnwäsche unterzogen, um ihn so weit zu kriegen, dass er mich überredet. Oder er hat Implantate im Kopf, mit denen sie sein Verhalten steuern können. Der nächste Schritt nach dem Calmexin?

»Jetzt!«, ruft Mo.

Ich zögere nicht mehr und stecke meinen Schlüssel in den Port des Computers.

Data Leaks (2). Wer kennt deine Gedanken?

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