Читать книгу Data Leaks (2). Wer kennt deine Gedanken? - Mirjam Mous - Страница 7
Prissy
ОглавлениеDas ganze Stück zurückrennen, den Rasensprenger finden, im umliegenden Gras nach dem Computerschlüssel suchen und mich – wenn es überhaupt gelingt, das Mistding aufzutreiben – den Hügel wieder hochkämpfen und im Lüftungsschacht verschwinden. Und das alles innerhalb von zehn Sekunden.
Nicht mal Lightgirl würde das schaffen.
»Hier.« Lașer drückt mir den Portable in die Hand. »Geht schon mal vor.«
Noch bevor wir ihn davon abhalten können, galoppiert er den Hügel hinunter. Den Blick auf den Boden geheftet, folgt er genau der Strecke des Hinwegs – natürlich in umgekehrter Richtung. Seine Umhängetasche federt bei jedem Schritt gegen seine Hüfte und wieder zurück.
Ich bewundere ihn und bin gleichzeitig stinksauer wegen dieser idiotischsten aller bisherigen Aktionen!
»Soll ich denn jetzt?«, fragt Mo, der noch immer auf dem Rand des Lüftungsschachts sitzt.
Ich nicke abwesend, während ich abwechselnd zum Portable Pad, den Kameras und dem Grasdach schaue. Lașer ist in etwa an der Stelle angekommen, wo ich über diesen blöden Sprenger gestolpert bin, und lässt sich auf die Knie fallen. Er schiebt seine Tasche auf den Rücken und tastet um sich.
Ja! Er steht auf und hält etwas hoch!
Für einen kurzen Augenblick bin ich erleichtert, bis sich die Kamera hinter ihm in seine Richtung zu drehen scheint. Wie eine Irre winke ich und gebe ihm Zeichen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
Guck schon her, guck her …!
Ja, er hat mich gesehen und rennt den Hügel hoch. Nicht auf geradem Weg, sondern in Schlangenlinien, als würde er bei einem Lasergame mitspielen und versuchen, nicht ins Visier seiner Gegner zu geraten.
»Jetzt gehe ich aber wirklich«, sagt Mo. »Komm mit.«
Er verschwindet in der Tiefe, doch ich kann mich nicht dazu durchringen, ihm zu folgen. Mein Blick klebt an Lașer. Ich bin absolut sicher, dass er entdeckt wurde – da, von der Kamera – und stelle mich auf das ohrenbetäubende Alarmsignal ein, das jetzt ganz bestimmt ertönt. Vor meinem inneren Auge sehe ich die Autos der Ordnungskräfte schon heranbrausen, um uns mit heulenden Sirenen ins Cliffton Institut abzuführen – den Ort, an den sie Kriminelle abschieben und Bürger gefangen setzen, die mit den neuen Führenden nicht einverstanden sind.
Menschen wie uns also.
Lașer ist nur noch etwa vier Meter von mir entfernt. Ich weiß nicht, wie es möglich ist, doch noch immer ertönt kein Alarm und niemand kommt uns holen.
»Geh schon«, sagt sein Mund lautlos.
Okay. Aber wo soll ich in der Eile den Portable lassen?
In einer spontanen Anwandlung stecke ich ihn mir in den Hosenbund und ziehe meinen engen, elastischen Pulli drüber. Dann setze ich mich schnell ins Gras, rutsche auf dem Po zum Lüftungsschacht und stecke meine Füße ins Loch.
Unter mir ist alles schaurig schwarz und still. Plötzlich bin ich davon überzeugt, dass dieser Eingang zu einer tiefen, dunklen Höhle führt, in der irgendein grässliches Monster auf mich wartet.
Oder ein bewaffneter Wärter.
»Ich will nicht«, sage ich zu Lașer. »Ich hab’s mir anders überlegt.«
Aber seine Hand drückt schon gegen meinen Rücken und ab geht’s. Den Wind in den Haaren und hunderttausend Volt im Herzen sause ich durch den Lüftungsschacht. Ich stoße einen Schrei aus – oh nein, gleich hört man mich noch!–, beiße mir flugs auf die Lippen und denke an die überdachte Rutschbahn im Park Pool. Ich rutsche fast nie dort, weil ich lieber im Wettkampfbecken Bahnen schwimme, aber kleine Kinder finden es großartig. Ich versuche, mir vorzustellen, das hier wäre auch so etwas. Nicht furchtbar beklemmend, sondern superspannend und …
Am Ende des Tunnels schimmert Licht und die Silhouette eines Oberkörpers mit gespreizten Armen taucht vor mir auf.
»Au!«
»Sorry«, sagt Mo, der sich im Lüftungsschacht quer eingeklemmt hat. »Ich wusste nicht, wie ich dich anders stoppen sollte.«
Obwohl ich still sitze, wehen meine Haare immer noch. Ich beuge mich ein Stück zur Seite, sodass ich Mo über die Schulter schauen kann.
Das Licht stammt nicht vom Ende des Lüftungsschachts, sondern aus der Stirnlampe, die er aufgesetzt hat. Auch der Wind ist nicht echt. Ein riesiger Ventilator mit messerscharfen, rasend schnell kreisenden Blättern versperrt uns den Durchgang.
Wer dort durchkriecht, wird hundertprozentig zerhackt. Kein Wunder, dass kein Großalarm ausgelöst wurde. Warum auch? Wir können nicht weiter, aber es gibt auch keinen Weg mehr zurück. Der Lüftungsschacht ist zu steil, um ihn hochzuklettern. Wir stecken in einer Blechbüchse fest – wie die Sardellen, die Holden im Schutzkeller gefunden hat.
Vielleicht kann ich Lașer noch warnen!
Ich drehe meinen Kopf, um etwas nach oben zu rufen, doch es ist zu spät. Lașer saust auf mich zu und prallt gegen mich. Ich spüre, wie mir seine Rippen in den Rücken piksen, und dann fängt auch die Schürfwunde an meinem Handgelenk wieder an zu brennen. Mo sagt etwas über den Ventilator, aber es dringt kaum zu mir durch. Ich bin nur noch mit Überleben beschäftigt.