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bb) Beratung
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Der Unterschied zwischen Auskunft und Beratung besteht darin, dass der Verteidiger bei letzterer dem Mandanten ein bestimmtes Verhalten vorschlägt oder nahe legt. Die Beratung ist handlungsstimulierend. Zulässig ist ohne Zweifel der Rat, sich nicht zur Sache zu äußern. Fraglich ist, ob dies auch dann gilt, wenn der Mandant gegenüber seinem Verteidiger seinen Entschluss äußert, ein Geständnis abzulegen, dem Verteidiger jedoch bekannt ist, dass der Tatnachweis ohne ein Geständnis wahrscheinlich nicht zu führen sein wird. Da es dem Beschuldigten gem. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO freisteht, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, kann der Rat des Verteidigers, zu schweigen, von vornherein nicht unzulässig sein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verteidiger seinen Mandanten hierzu in strafbarer Weise nötigt (§ 240 StGB). Die Androhung der Mandatsniederlegung für den Fall der Ablegung eines Geständnisses erfüllt nicht den Tatbestand der Nötigung. Es handelt sich bei dem Anwaltsvertrag um einen Vertrag über Dienste höherer Art gem. § 627 BGB. Der Dissens über die Verteidigungsstrategie erlaubt auch dem Verteidiger die Kündigung des Mandats aus wichtigem Grund gem. § 627 Abs. 2 BGB.
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Der Rat des Verteidigers an seinen Mandanten, ein „wahrheitsgemäßes“ Geständnis zu widerrufen, soll nach der Rspr. unzulässig sein.[14] Diese Rechtsauffassung ist nicht nachvollziehbar. Der Beschuldigte darf ein Geständnis jederzeit widerrufen. Er ist nicht verpflichtet, an einer Selbstbelastung festzuhalten. Zwar verstößt der Verteidiger, so er denn Anwalt ist, mit seinem Rat, ein wahrheitsgemäßes Geständnis zu widerrufen, gegen seine berufsrechtliche Wahrheitspflicht gem. § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO. Allerdings scheidet eine Bestrafung des Verteidigers, solange er sich hierbei nicht einer strafbaren Nötigung bedient, mangels strafbarer Haupttat aus.[15] Jeder Dritte, der dem Beschuldigten zum Geständniswiderruf rät, würde sich zudem ebenfalls nicht strafbar machen. Dem Verteidiger dürfen nicht weniger Rechte als dem Dritten zustehen. Allerdings ist hier wegen der a.A. der Rspr. höchste Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Anders ist der Fall zu bewerten, wenn der Verteidiger den Vorgang des Widerrufs selbst maßgeblich beeinflusst oder prägt, indem er detaillierte inhaltliche Vorgaben hinsichtlich des Widerrufs macht. In diesem Fall wird er vom mangels strafbarer Haupttat straflosen „Anstifter“ zum Täter kraft Tatherrschaft.
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Der Rat zum Leugnen der Tat soll nach h.M. ebenfalls unzulässig sein.[16] Auch hier gilt die Straflosigkeit des Verteidigers in Ermangelung einer beteiligungsfähigen Haupttat sowie die Erwägung, dass der Verteidiger nicht für Handlungen bestraft werden kann, die bei der Vornahme durch einen Dritten straflos wären.
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Das Erfinden von Einlassungen für den Beschuldigten ist nach der h.M. Strafvereitelung.[17] Indem der Verteidiger hier den Inhalt der Lügen des Mandanten inhaltlich bestimmt, verlässt er den Bereich der Teilnahme an einer fremden, jedoch straflosen Haupttat. Kraft seines maßgeblichen intellektuellen Einflusses auf den Tatablauf hat er Tatherrschaft und ist somit Täter einer Strafvereitelung.
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Der Rat zur Flucht ist nach h.M. unzulässig.[18] Allerdings soll eine entsprechende Auskunft zulässig sein. Der Unterschied ist marginal. Er besteht im konkreten Fall in einem die Auskunft begleitenden Augenzwinkern. Auch hier fehlt es indes an einer strafbaren Haupttat.