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3. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit
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Die nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG steuerbaren Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit sind gegeben, wenn alle Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs nach § 15 Abs. 2 EStG erfüllt sind und zusätzlich einer der in § 18 Abs. 1 EStG genannten Fälle vorliegt. Dabei ist nach § 18 Abs. 2 EStG unerheblich, ob es sich um eine dauerhafte oder eine vorübergehende Tätigkeit handelt.
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Der mit Abstand wichtigste Fall der selbstständigen Arbeit ist die freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Diese teilt das Gesetz in zwei Varianten auf:
JURIQ-Klausurtipp
In der Klausur ist unbedingt zu beachten, dass sämtliche Berufe nur dann unter § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallen können, wenn auch das Merkmal der Selbstständigkeit (vgl. oben Rn. 56) erfüllt ist. Wird also etwa ein Katalogberuf im Angestelltenverhältnis ausgeübt, können insoweit keine Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach § 18 EStG vorliegen.
In Klausuren ein häufiger und sehr schwerwiegender Fehler:
Beispiel
Der Chef-Arzt eines Krankenhauses behandelt nebenbei in seiner eigenen Praxis Privatpatienten. Als Chef-Arzt ist er Angestellter und erzielt Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit im Sinne von § 19 EStG. Seine Einkünfte aus der eigenen Praxis unterfallen jedoch § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG, da der Katalogberuf „Arzt“ selbstständig ausgeübt wird.
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Eine freiberufliche Tätigkeit aufgrund einer einem Katalogberuf ähnlichen Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 a.E. EStG setzt zunächst voraus, dass das typische Merkmal der freiberuflichen Tätigkeit gegeben ist: Im Vordergrund steht nicht wie beim Gewerbebetrieb der Einsatz von Kapital, sondern die eigene geistige Arbeit und die persönliche Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen. Eine Ähnlichkeit setzt weiter voraus, dass hinsichtlich aller typischen Merkmale des Katalogberufs Ähnlichkeit gegeben ist.[19] Die Ähnlichkeit muss sich also nicht auf alle, sondern nur auf einen der in § 18 Abs. 1 S. 2 EStG aufgezählten Katalogberufe beziehen.
Dabei ist als typisches Merkmal eines Katalogberufs auch immer zu prüfen, ob dieser eine spezifische Ausbildung voraussetzt. Ist dies der Fall, so kann eine Tätigkeit diesem Katalogberuf nur dann ähnlich sein, wenn die Ausbildung für diese Tätigkeit vergleichbare theoretische Kenntnisse vermittelt. Es genügt jedoch, wenn sich der Steuerpflichtige autodidaktisch die erforderliche Fachkompetenz selbst angeeignet hat und ein Sachverständiger bestätigt, dass mit dem so erworbenen Wissen und Können eine entsprechende Fachprüfung bestanden werden würde.
Beispiel
A hat eine Lehre zum Bürokaufmann erfolgreich absolviert. Er macht sich sodann als Unternehmensberater selbstständig. Der Beruf des Unternehmensberaters ist in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG nicht als Katalogberuf erfasst. Es könnte sich aber um einen dem beratenden Volks- und Betriebswirt ähnlichen Beruf handeln. Ein Volks- bzw. Betriebswirt hat jedoch stets ein akademisches Studium absolviert. In der von A absolvierten Lehre wurden keine vergleichbaren Kenntnisse vermittelt. Demnach besteht hier zwischen dem Beruf des A und dem an sich vergleichbaren Katalogberuf in einem wesentlichen Merkmal keine Ähnlichkeit. A erzielt daher keine Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG.
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Auch wenn wesentlich für den freien Beruf die persönliche Arbeitsleistung ist, darf sich der Freiberufler nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, S. 4 EStG auch der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienen, wenn er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Dies bedeutet, dass die Arbeit der Hilfspersonen gelenkt und überprüft wird, so dass der Freiberufler der geleisteten Arbeit insgesamt sein Gepräge gibt.[20] Dazu muss der Freiberufler nicht jeden Routinefall einzeln anleiten und prüfen. Denn solche Fälle erfordern von vornherein nicht die eigene geistige Arbeit des Freiberuflers, da sie gleichartig auftreten dementsprechend gleichförmig zu bearbeiten sind.
Beispiel
In der Kanzlei des R beschäftigt dieser dreißig angestellte Rechtsanwälte. Diese fertigen eigenständig Schriftsätze in insgesamt regelmäßig mehr als 500 überwiegend komplexe Verfahren monatlich. An sich sind die Voraussetzungen für Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aufgrund einer freiberuflichen Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt, da R selbstständig den Katalogberuf des Rechtsanwalts ausübt. Grundsätzlich ist auch unschädlich, dass R sich zur Ausübung seiner Tätigkeit Hilfspersonen bedient. Da er deren Arbeit jedoch im Wesentlichen anleiten und prüfen muss, führt es dazu, dass R hier keinen freien Beruf ausübt, da er nicht alleine dazu in der Lage ist, bei 500 überwiegend komplexen Verfahren den laufenden Schriftsatzverkehr anzuleiten und zu prüfen. Die Arbeit erhält daher nicht sein Gepräge, sondern wird allein durch die jeweiligen Sachbearbeiter geprägt. R erzielt demnach Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG.
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Wenn sich mehrere Träger eines freien Berufs zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen, erzielen sie nach §§ 18 Abs. 4 S. 2, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit.
Beispiel
A, B und C führen gemeinsam eine Steuerberatungskanzlei in Form der GbR. X ist der Sohn des A und soll demnächst als Partner in die GbR einsteigen. Dazu absolviert er zunächst ein BWL-Studium und versucht sich nach Ableistung der erforderlichen praktischen Tätigkeit am Steuerberaterexamen. Nachdem er diese auch im Letztversuch nicht bestanden hat, spiegelt er aus Angst vor familiären Konflikten seinem Vater A vor, das Steuerberaterexamen erfolgreich bestanden zu haben. A, B und C nehmen ihn daher zum 1.1.2015 nach entsprechender Änderung des Gesellschaftsvertrages in die Kanzlei auf. X übernimmt eigene Mandate und tritt als gleichberechtigter Partner neben A, B und C auf. Durch einen Zufallsfund erhält das Finanzamt schließlich Kenntnis davon, dass X weder eine Zulassung als Steuerberater erhalten, noch das hierfür erforderliche Examen absolviert hat. Wie ist der Fall steuerlich zu würdigen?
Hier liegt seit Aufnahme des X zum 1.1.2015 keine freiberufliche Mitunternehmerschaft i.S.v. §§ 18 Abs. 4 S. 2, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG mehr vor. Denn dazu muss die von der Gesellschaft ausgeübte Tätigkeit eine freiberufliche sein. Eine freiberufliche Tätigkeit kann nur von entsprechenden Berufsträgern ausgeübt werden. Wenn mehrere Personen sich zur gemeinsamen Steuerberatung zusammenschließen, so muss für die Annahme der Freiberuflichkeit jede dieser Personen Steuerberater sein. Wenn ein Beteiligter kein Steuerberater ist, genügt es nicht, dass er immerhin faktisch steuerberatend tätig ist. Denn das Gesetz stellt in § 18 Abs. 1 S. 2 EStG ausdrücklich auf den Beruf im formalen Sinne ab, nicht auf die berufliche Tätigkeit. Demnach hat die Aufnahme des X in die GbR dazu geführt, dass die Gesellschaft ab dem 1.1.2012 keine freiberufliche Tätigkeit mehr ausgeübt hat. Sie war daher gewerblich tätig. Es handelt sich folglich um eine gewerbliche Mitunternehmerschaft gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Dies führt u.a. dazu, dass rückwirkend von Gewerbesteuerpflichtigkeit auszugehen ist.
Hinweis
Außer der freiberuflichen Tätigkeit enthält § 18 EStG kaum klausurrelevante Fälle. In § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nennt der Gesetzgeber noch die sonstige selbstständige Arbeit und zählt hierfür Beispiele auf. Hierunter fallen nur solche Tätigkeiten, die gelegentlich und unabhängig von der Ausübung eines freien Berufs ausgeübt werden.
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Nach § 18 Abs. 4 EStG fällt auch der Gewinn aus der Veräußerung des zur Erzielung von Einkünften aus selbstständiger Arbeit genutzten Vermögens unter die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Einen „Betrieb“ im einkommensteuerrechtlichen Sinne gibt es bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit nicht, weswegen das Gesetz in diesem Zusammenhang von „Vermögen“ spricht.