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Zweites Jahr – Das Sommerloch

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Jerry und Jeff waren den halben Sommer mit ihren Eltern im Wohnmobil unterwegs. Igor hatte den Umstand, dass Jerry nicht nahtlos von der Schule auf die Universität wechselte, nicht gleich richtig verdaut. Aber er hatte die Reise quer durch Amerika von langer Hand geplant und zog sein Vorhaben konsequent durch. Während der Rundreise von sechstausend Meilen besuchte die Familie diverse Sehenswürdigkeiten und verbrachte auch einige Tage in den kühlen Rocky Mountains. Das waren für alle besonders schöne und entspannte Tage, da in Florida Berge fehlen. Doch nach dreieinhalb Wochen nahm sie der Sonnenstaat mit dreiunddreißig Grad und mehr im Schatten erneut in Empfang. Wie durch ein Wunder war das enge Zusammensein während der langen Rundfahrt fast reibungsfrei verlaufen.

Auch Frank verbrachte den Sommer auf Reisen. Er besuchte für ganze vier Wochen sogar Verwandte im fernen England. Doch statt sich wie mit seinen Eltern vereinbart auch um seine jüngere Schwester Anne zu kümmern, klapperte er mit zwei Vettern die Fußballstadien der Premier League ab. Er nutzte die einmalige Gelegenheit, wenigstens als Zuschauer bei den Trainings dabei sein zu können.

Marco war wie alle Jahre zu Hause geblieben. So viel wie die Familie Strela oder auch Imatong konnte sich seine Mutter nicht leisten. Aber Marco war nicht unzufrieden, das Gegenteil war der Fall: endlich keine Schule und unendlich viel Ruhe. Und er konnte, immer wen wenn er Lust hatte, aus purem Spaß den ganzen Tag auf allen möglichen Buslinien durch die Gegend fahren. Einige Busfahrer kannten ihn noch aus dem Vorjahr, als er sich dieses Sommervergnügen auch schon bereitet hatte. Marco informierte die Fahrer über Baustellen, kaputte Straßen, Radarfallen oder hielt sie einfach nur bei guter Laune. Bei den meisten durfte er dafür zum Dank umsonst mitfahren.

Auch Ali und Chang verbrachten ihre Sommerferien zu Hause bei ihren Familien. Es war bei ihnen auch alte Sitte, dass sich die im Land verstreuten Verwandten in dieser Zeit gegenseitig besuchten. Und an manchen Tagen fuhren sie in großer Zahl gemeinsam an die lokalen Strände und hatten einen Heidenspaß. Warum auch fortfahren, bei allerbestem Urlaubswetter im Sonnenscheinstaat Florida?

Vor den Ferien war vereinbart worden, dass die Heimkehrer die Daheimgebliebenen kontaktieren würden, um ein neues Treffen zu organisieren. Jeff nahm nach gleich nach seiner Rückkehr die Planung in die Hand, so dass sie am letzten Freitag im August wieder in ihrer angestammten Ecke im Moore Park saßen. Der Austausch von Neuigkeiten zog sich hin. Jerry wurde ungeduldig, aber es gelang ihm einfach nicht, die Aufmerksamkeit auf Projekt M zu lenken.

„Projekt M?“, antwortete Frank, als Jerry zum dritten Mal nachhakte. „Ah ja, da war was. Ich hatte es in den Ferien ganz aus dem Kopf gelassen.“

„Mir ging´s genauso“, sagte Ali. „Erstaunlich, was so eine Pause von paar Wochen machen kann.“

„Dann ist höchste Zeit für den Wiedereinstieg“, sagte Jerry. „Ich hab Jeff verpflichtet, dass er Anfang September das erste Referat hält.“

„Oh, Referate“, schreckte Marco hoch und wurde rot. „Die hab ich ganz vergessen. Wann bin ich dran?“

„Immer mit der Ruhe, Marco“, lächelte ihn Jeff an. „Wir besprechen heute erst, wer wofür zuständig sein wird.“

„So ist das“, sagte Jerry. „Vor den Ferien hab ich angedeutet, dass wir als nächsten Schritt die Zuständigkeiten festlegen. Jeder spezialisiert sich auf einem Gebiet und bekommt einen Ersatzpartner. Im Referat wird dann über das Wichtigste zum Thema berichtet. Ich hab die Aufgaben nach Rücksprache mit euch ja schon grob zusammengestellt.“ Jerry holte einen Zettel hervor. „Der Erstgenannte trägt die Verantwortung, der Zweitgenannte ist jeweils sein Stellvertreter für alle Fälle. Also, Frank ist mit Marco für Ernährung, unser Training und Fitness zuständig und -“

„Das wollte ich doch mit Frank machen“, unterbrach ihn Ali gleich.

„Mach dir keine Sorgen, Ali, auch du wirst mehr als genug um die Ohren haben.“

„Jetzt lies die Liste bis Ende vor“, drängte Frank. „Diskutieren können wir später immer noch.“

Jerry fuhr fort.

„Okay. Marco kümmert sich mit Frank auch um alle Materialien, die wir mitnehmen werden, und um Werkzeug für eventuelle Reparaturen. Chang und Ali werden einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren und sich zudem um unsere Gesundheit kümmern. Das heißt, Chang achtet während des Flugs darauf, dass wir genug Bewegung und Schlaf bekommen. Chang, du machst dich auch schlau über Medikamente. Ali wiederum ist mit Chang zusammen verantwortlich für die Raumanzüge und die Ausrüstung für Notfälle. Und ihr müsst euch beide für einen eventuellen Außeneinsatz vorbereiten, wenn -“

„Wau! Ich soll einen Außeneinsatz haben?“, unterbrach Ali wieder. „Ich, Ali Ibrahim Ahmed. Ich kann´s kaum glauben.“

Ali war ganz aus dem Häuschen.

„Wieso dürfen wir nie jemand etwas erzählen?“, jammerte er. „Darf ich´s nicht wenigstens meinen Brüdern sagen? Die wären so stolz auf mich.“

„Nein, verdammt noch mal“, schimpfte Jerry. Ihm ging Ali mit seinen Vorstellungen auf die Nerven. „Alles was wir besprechen ist TOP SECRET. Auf gar keinen Fall wird -“

„Jerry, reg dich doch nicht auf“, unterbrach ihn Jeff und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Merkst du nicht, dass dich Ali nur ärgern will? Schau doch wie er guckt.“

Ali konnte nur mit Mühe ein Grinsen unterdrücken. Er hatte wieder einmal nicht widerstehen können, den ernsten Jerry aus dem Takt zu bringen.

„Irgendwann kriegst du Ärger, Ali“, schimpfte Jerry.

„Aber ganz ehrlich“, sagte nun Chang. „So ein Spaziergang im Weltall würde mir auch Spaß machen.“

„Ihr seid wohl beide nicht ganz bei Trost“, regte sich jetzt Jerry wegen Chang auf. „Einen Außeneinsatz gibt es nur im Notfall. Und ich hoffe, dass der nie eintreten wird.“

„Jetzt fehlst nur noch du und Jeff“, sagte Frank. „Da bin ich gespannt, welche Rosinen ihr euch aufgehoben habt.“

Jerry reagierte nicht auf den Seitenhieb. Er hatte es erwartet, dass Frank irgendwann mehr zu sagen haben wollte.

„Einige Dinge waren von Anfang an festgelegt“, antwortete er ruhig. „Ich bin nun mal für das Programmieren zuständig. Ich schreibe Applikationen, ohne die wir keinen Deut von der Erde abheben werden. Mit Jeff zusammen achte ich auf den Zeitplan und kümmere mich um die Technik. Ich muss die Bedienung der Bordcomputer und anderer Instrumente lernen. Später werde ich euch in weitere Aufgaben einweisen. Ist jemand in der Lage und möchte mit mir tauschen?“

„Lieber nicht“, sagte Ali. „Hört sich nach viel Arbeit an.“

„Das ist es auch“, bestätigte Jerry. „Und keiner von euch kann mir wirklich helfen. Oder kennt sich jemand mit Java, Python, Ada oder C aus?“

„Von Java hab ich schon mal was gehört“, sagte Ali und versuchte dabei ernst zu bleiben.

„Du meinst bestimmt die Insel“, stichelte Chang.

Es stellte sich heraus, dass keiner der Jungs auch nur eine einzige Programmiersprache beherrschte. Jerry spürte die Gunst der Situation und legte nach.

„Und Jeff schlägt sich seit einem Jahr mit der Weltraumphysik herum – während ihr auch auf diesem Gebiet eher Anfänger seid. Deshalb wird er demnächst auch das erste Referat halten. Dann seht ihr, wie ein Referat ablaufen kann. Marco ist im Oktober dran. Danach kommen Frank, Chang und zum Schluss wird uns Ali was über Raumanzüge erzählen.“

„Nächste Woche beginnt doch schon die Schule“, protestierte Ali. „Wir werden kaum Zeit haben.“

„Gerade du musst meckern“, stoppte ihn Chang. „Du hast doch die meiste Zeit für die Vorbereitung.“

„Bestimmt hast du nicht ganz bedacht, dass wir uns immer zu zweit vorbereiten“, merkte nun Frank AN. „Wenn du mit Chang gut kooperierst, dann wird das nur die halbe Arbeit sein.“

„Das stimmt“, bestätigte Jerry. „Ich werde Jeff bei seinem Referat auch helfen. Noch Fragen?“

„Wann sind die genauen Termine?“, wollte Chang wissen.

„Jeff kann sie euch gleich mitteilen. Und dann ist Schluss für heute. Wenn jemand Probleme mit der Materialbeschaffung für sein Referat hat, dann gibt er Bescheid. Ich oder Frank werden euch dann unterstützen.“

„Ich möchte noch ankündigen, dass wir am Sonntag gegen die Junioren aus Orange City spielen“, sagte Ali rasch. „Kommt ihr vorbei zum Anspornen?“

„Gerne. Um wie viel Uhr geht´s los?“, fragte Jeff.

„Anpfiff ist um drei“, antwortete Ali.

„Wir gehen zusammen hin, oder Jerry?“, schlug Jeff vor.

„Ja klar“, sagte Jerry.

„Kommst du auch Frank?“, fragte Ali. „Es ist das Eröffnungsspiel der neuen Saison.“

„Diesen Sonntag um drei sagtest du?“ Frank dachte kurz nach. „Ich glaube, ich werde erst zur zweiten Halbzeit kommen. Ich muss vorher noch was Dringendes erledigen.“

Marco saß die ganze Zeit abwesend auf dem Fußball. Frank stand auf und kickte ihm den Ball unterm Po weg. Marco plumpste erschrocken auf den Rasen. Er wollte sich das nicht gefallen lassen, sprang überraschend flink auf und rannte Frank hinterher.

„Dann wollen wir mal sehen, ob du fit für dein Spiel am Sonntag bist“, rief Frank und schoss Ali mit einer gekonnten Flanke an. Mit einem Mal waren alle in Bewegung, Frank rief Jeff und Marco zu sich, um eine Mannschaft gegen Jerry, Ali und Chang zu bilden.

***

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