Читать книгу Blaues Gold - P. D. Tschernya - Страница 9
Jeff schläft bei Marco
Оглавление„Mama“, rief Jeff die Treppe hinauf. Er war so laut, dass ihn seine Mutter, die im oberen Stockwerk mit Melinda beschäftigt war, hören musste. „Ich fahr jetzt los und übernachte bei Marco. Bis morgen!“
„Muss das sein?“, rief Angelina zurück. „Du bist in letzter Zeit sehr oft bei den Remeks. Sicherlich ist das Giorgina nicht immer recht.“
„Ich muss mit Marco für die Mathearbeit morgen büffeln. Wartet nicht auf mich mit dem Abendessen.“
„Ihr macht fast jeden Tag zusammen die Hausaufgaben. Das sollte doch –“
Jeff war bereits aus dem Haus und hörte die letzten Worte seiner Mutter nicht. Auf der Straße schwang er sich aufs Rad und trat kräftig in die Pedale. Er wollte so schnell wie möglich bei Marco sein. Für die Schule lernen – der Vorwand wurde zu Hause so gut wie immer akzeptiert. Vor allem wenn die Schulnoten stimmten. Was bei Jeff ja der Fall war. Bei Marco stimmten die Noten so gut wie nie. Nur in Sport und Geographie konnte er einigermaßen mithalten. In allen anderen Fächern war er mäßig bis saumäßig.
Beide Freunde gingen zusammen auf die Edgewood High School, die relativ zentral in der Stadt an der Merritt Avenue lag. Auch Jerry besuchte diese Einrichtung, die es vor einigen Jahren sogar unter die zehn besten Schulen Floridas geschafft hatte. Aber weder das gute Ranking, noch die hohe Qualität des Unterrichts wirkten sich in irgendeiner Weise auf Marcos Noten aus. Jeff legte ihm den Schulstoff zwar gründlich auseinander, doch die Anstrengungen waren so gut überflüssig. Die Nachhilfe half vor allem Jeff, sich selbst die Materie beizubringen. Marco brachte die einfachsten Dinge durcheinander und es blieb wenig hängen. Für manchen Unterrichtsstoff schien er absolut kein Gedächtnis zu haben. Aber neue Busfahrpläne fürs Land, die kannte er komischerweise schon nach einer Woche auswendig. Für Jeff besaß Marco ein rätselhaftes, selektives Gedächtnis.
Nun war er auf dem Weg zu ihm, aber er freute sich vor allem auf das Essen von Marcos Mutter. Seine eigene Mutter kochte auch gut, aber Frau Remek machte die besten Spaghetti und die beste Pizza weit und breit. Das war auch kein Wunder, denn sie war gebürtige Italienerin und erst als junge Frau in die Staaten gekommen.
`Wahrscheinlich sind das die besten Spaghetti in ganz Florida´, dachte Jeff manchmal. `Und ich genieße das Privileg, sie essen tu dürfen.´
Mit Schwung bog er in die Ocean View Avenue ein, wo Marco mit seiner Mutter in einer geräumigen Dreizimmerwohnung lebte.
Marcos Vater war seit Jahren tot. Als Marco noch klein gewesen war, da hatte er fast ein Jahr bei den Strelas gewohnt. Marcos aus Tschechien stammender Vater arbeitete damals bei der Feuerwehr und hatte bei einem Einsatz einen schweren Unfall gehabt. Während eines Brandes in einem Hotel war eine alte Treppe eingestürzt und hatte Marcos Vater in die Tiefe gerissen. Nach mehreren Operationen wurde er zu Hause gepflegt und Marcos Mutter hatte wenig Zeit für ihren damals fünfjährigen Sohn. So war es gekommen, dass sich Jeff und Marco für zehn Monate ein Zimmer und oft auch ein Bett teilten. Marco durfte bei Jeff alles, was er anderen Kindern niemals erlaubt hätte. Es schien so, als hätte der kleine Jeff gespürt, dass Marco seinen Vater verlieren könnte, und daher besondere Rücksicht auf ihn genommen. Der Vater von Marco war dann leider an den Folgen der schweren Verletzungen verstorben.
Jeff erinnerte sich noch oft, wie sie bisweilen Seite an Seite eingeschlafen waren. Manchmal hatte er seine Nase direkt an Marco gedrückt, um den Körperduft seines Freundes einzuatmen. Er hatte diese Augenblicke sehr geliebt. Und auch die vielen Nächte, wenn sie sich bis nach Mitternacht Indianergeschichten erzählten, Angelina kam und sie ermahnte, endlich zu schlafen, die würde er niemals vergessen.
Angenehm berührt von seinen Erinnerungen drückte Jeff die Klingel am Hauseingang. Marco kam die Treppe hinunter gesprungen und öffnete. Der automatische Türöffner war seit Jahren kaputt.
„Was gibt es denn zu essen?“, fragte Jeff neugierig.
„Weißt du doch“, antwortete Marco. „Fleischbällchen mit Spaghetti und Tomatensoße. Mom macht immer dein Lieblingsessen, wenn du zu uns kommst.“
„Köstlich!“ Jeff strahlte übers ganze Gesicht und versuchte den Duft der Tomatensoße schon auf der Treppe zu fassen. „Nach so einem guten Essen werden wir gut lernen können.“
„Du vielleicht“, erwiderte Marco. „Ich bestimmt nicht.“
„Wir gehen den Spickzettel wenigstens paarmal durch“, antwortete Jeff und trat in die Wohnung ein.
In der Küche grüßte er Marcos Mutter und richtete Höflichkeiten seiner Mutter aus – auch wenn diese ihm nichts aufgetragen hatte. Aber es musste so sein. Giorgina erwartete es und umgekehrt war es genauso. Danach gingen sie kurz auf Marcos Zimmer. Jeff schmiss seinen Rucksack aufs Bett und schaute zum Rechner, der aus einer Ecke mit einer ziemlich lauten Festplatte auf sich aufmerksam machte.
„Nach dem Lernen können wir noch über Projekt M reden“, sagte Jeff. „Oder online `Master of the Universe´ spielen. Dein Anschluss funktioniert doch, oder?“
Marco blieb die Antwort schuldig, denn Giorgina rief gerade aus der Küche:
„Essen ist fertig. Lasst es nicht kalt werden!“
„Ich hab einen Bärenhunger nach der Fahrt“, sagte Jeff und rannte hastig an Marco vorbei in die Küche.
In der Tür beruhigte er sich aber gleich und nahm gesittet Platz. Beim Anblick der leckeren Spaghetti und der vielen Hackfleischbällchen auf seinem Teller lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Jetzt konnte sich Jeff nicht mehr zurückhalten, er nahm seine Gabel und begann genüsslich zu essen.
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