Читать книгу Gustav Klimt. Zeit und Leben des Wiener Künstlers Gustav Klimt - Patrick Karez - Страница 18

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Im Herbst, nachdem man das halbe Jahr über ausgesprochen brav studiert und gelernt hatte, zitierte Herr Professor Laufberger die drei jungen Burschen erneut in sein Büro. Sie ahnten bereits, daß es sich wohl eher um gute Neuigkeiten handeln mußte, denn Schelte gab es von Meister Laufberger so gut wie nie. Ganz im Gegenteil. Er war des Lobes für seine drei jungen Protégés geradezu übervoll und motivierte sie somit außerordentlich, noch weiter über sich selbst hinauszuwachsen.

„Meine Herren!“, sein Lächeln schien nur Gutes zu verheißen, „Ich habe wieder einmal guthe Neuigkeiten für Sie! Sehr guthe sogar! Und zwar gibt es nun bereits den zweiten größeren Auftrag für Sie! Einen von öffentlicher Hand sogar!“

Die drei Studenten konnten ihre Freude kaum verbergen. Ein neuer Auftrag! Und von öffentlicher Hand sogar! Es ging also endlich wieder vorwärts mit ihnen.

„Sie drei werden bald schon Sgrafitti an Außen-Faßaden ausführen! Und nun rathen Sie einmal wo! Jawohl, meine Herren!“, fuhr Professor Laufberger fort, ohne eine Antwort abgewartet zu haben, „Und zwar in den Innenhöfen des Kaiserlichen und Königlichen Kunst-Historischen Hof-Museums! Mitten in Wien! Auf der brand-neuen Ring-Straße! Na, wenn das mal keine Ehre ist! Wenn das keine prestige-trächtige Arbeit ist, dann weiß ich auch nicht weiter …“, er lächelte verschmitzt und schien die unbändige Freude seiner drei Schüler bis ins Kleinste auszukosten – ganz so, als sei er einer von ihnen, „Merken Sie sich das heutige Datum! Den 17. October 1879! Heute war ich nehmlich dortselbst vorstellig und habe den Auftrag hoch-officiell erhalten, der sogleich im Accord-Protocoll festgehalten wurde: Die eigens zu diesem Zwecke von mir zu entwerfenden Sgrafitti, sollen an den achtunddreißig Blind-Fenstern der Innen-Höfe des Kunst-Historischen Hof-Museums angebracht werden! Die Ausführung wird wohl erst im kommenden Frühjahre erfolgen – aber bis dahin wartet eine ganze Menge Arbeit auf uns alle. Also … gehen wir es an!“

Die drei Studenten konnten ihr Glück noch gar nicht fassen. Was war schon so ein schnöder Theatervorhang, den ja der allererste Jahrgang gemeinsam mit Professor Laufberger gefertigt hatte, gegen das Kaiserliche und Königliche Kunsthistorische Hofmuseum? Dachten sie. Noch ihre Kinder – und deren Kinder – würden davon sprechen. Dessen waren sie sich sicher. Jeder Mensch, der nach der Vollendung dieses Bauwerks die historischen Sammlungen der Habsburger betreten sollte, würde ihre Arbeit vor Augen haben! Diese Aussicht war wirklich das Größte für die drei. Hiermit würden sie sich unsterblich machen. Dachten sie. (Denn diese Sgrafitti sind heutzutage leider nicht mehr zu sehen.)

Kurz nachdem die drei also den Auftrag erhalten hatten, die Schablonen nach den Entwürfen ihres Professors anzufertigen, erschien dieser erneut im Atelier, eine große Rolle Papier unterm Arm.

„Meine Herren, es ist so weit! Ich habe Ihnen hier meine Entwürfe für die so genannten Festons, also die girlanden-artigen Verzierungen, für die Höfe des Kunst-Historischen Hof-Museums mitgebracht …“, er breitete die langen Papierbahnen auf dem Pult aus, „Sie sehen, es handelt sich hierbei um allegorische Sgrafitto-Darstellungen der italienischen Hoch-Renaissance …“

Die drei Studenten betrachteten gebannt die detailliert ausgeführten Zeichnungen.

„Warum ausgerechnet der italienischen Hoch-Renaissance?“, Laufberger warf ihnen einen kurzen, prüfenden Blick zu.

„Weil das Bauwerk die italienische Hoch-Renaissance recipiert!“, kam es wie aus der Pistole geschossen. Aus Franz Matschens Mund.

„Sehr richtig!“, Laufberger wirkte zufrieden, „Und Sie wissen ja: Die Innen-Decoration muß stets der Architectur dienen – und nicht etwa umgekehrt!“

Alle drei nickten. Das hatten sie ja nun schon zu genüge gehört.

„So, die Herren … Sie werden nun so freundlich sein, Schablonen nach diesen Entwürfen hier auszuführen. Und zwar ganz exacte, wenn ich bitten darf … Vor allem bei diesen Putti hier, mit ihren delicaten Spruch-Bändern, welche die Namen berühmter Künstler tragen, wie Sie sehen, müssen Sie überaus Acht geben und mit sehr viel Fein-Gefühl arbeiten! Aber auch bei den Personificationen der Schönen Künste und des Kunst-Handwerks, hier vorn …“, er rollte die Papierbahn weiter aus, „müssen Sie sehr en détail arbeiten! Sie kennen ja die Technik! Eine jede Ungenauigkeit bei den Schablonen, führt zu einer unverzeihlichen Grobheit bei den Sgrafitti. Und das wollen wir schließlich unter allen Umständen vermeiden, nicht wahr? Sie hängen ja nun hoch-officiell mit drin – sogar namentlich! Und wie heißt es doch so schön: Mitgehangen …“

„Mitgefangen!“, komplettierte Franz Matsch umgehend das Sprichwort aus dem Munde seines Professors.

„Genau. Die Sgrafitto-Technik der italienischen Renaissance kennen Sie ja bereits aus meinem Unterricht …“, dennoch ließ Professor Laufberger es sich nicht nehmen, sie ein weiteres Mal zu erklären, „Bei der Sgrafitto-Technik werden, wie Sie ja wissen, an den Wandflächen verschieden-farbige Verputz-Schichten angebracht – zumeist Schwarz und Weiß, aber auch Roth und Weiß, oder, und das ist compliciert, Schwarz, Roth und Weiß – und zwar übereinander! Durch Abkratzen, Abschaben oder Einritzen, werden diese übereinander-liegenden Verputz-Schichten nun dahingehend bearbeitet, daß die eine oder andere zum Vorschein kommt – je nach Bedarf – und das ist in der Praxis weitaus heikler, als Sie wohl glauben mögen … Aber Sie werden das ja noch selbst erleben, denn Sie selbst werden diese Sgraffiti vor Ort ausführen!“

Die drei Studenten konnten ihr Glück kaum fassen. Normalerweise begnügten sich die Künstler damit, lediglich die Entwürfe und die Schablonen herzustellen. Die Sgraffiti selbst, wurden dann in der Regel von Handwerkern ausgeführt. Doch im Rahmen ihres Studiums, wo ihr Professor ja sehr viel Wert auf die Praxis legte, dürften sie nun selbst Hand anlegen, was sie natürlich überaus freute.

„Zu diesem Zwecke wird die gewünschte, vor-gefertigte Zeichnung durch eine perforierte Schablone aufgetragen …“, fuhr Laufberger fort, „und anschließend mit dem Grab-Stichel, respective mit einem anderen, gezähnten Werkzeuge, ausgeritzt, so daß die untere, anders-farbige Verputz-Schicht zum Vorschein kommt … Sie sehen also, meine Herren: Die Schablonen sind das Um und Auf! Die Entwurfs-Zeichnung kann noch so guth und präcise sein – wenn es die Schablone nicht ist, dann taugt letztendlich das ganze Resultat nichts …“

Die drei Studenten nickten. Sie würden sich die allergrößte Mühe geben. Wie immer. Doch diesmal ganz besonders. Schließlich würde ganz Wien ihre Arbeit vor Augen haben. Und das tagtäglich!

„Diese Renaissance-Technik …“, fügte Professor Laufberger hinzu, „Können Sie auch – und vor allem – in Süd-Böhmen bewundern! So zum Beispiel in Český Krumlov, also in Krumau, oder in Jindřichův Hradec, also Heinrichsburg. Fahren Sie hin – es ist ja practisch gleich ums Eck! Aber auch hier bei uns – beispielsweise in der Wachau, also in den an Böhmen und Mähren angrenzenden Gebieten – können Sie diese Technik im Original studieren! Thun Sie dies, denn das Studium vor Ort, vor dem Original, ist immer eine ganz wichtige Erfahrung und durch keine Theorie der Welt zu ersetzen, wie Sie sehen werden …“

Die drei nickten. Wie immer. Wenn ihr Meister ihnen etwas sagte.

„Und noch etwas!“, Laufberger, der bereits im Gehen begriffen war, wandte sich noch einmal zu seinen Schülern um, „Sie benöthigen nun offensichtlich ein eigenes Atelier! Ich selbst werde mich darum kümmern!“

Ein eigenes Atelier! Die drei konnten es kaum glauben. Denn sie hatten sich ja erst unlängst im Kursus von Professor Laufberger inskribiert. So schnell konnte es also gehen. Wenn man gut war. Vor allem aber. Wenn man Glück hatte. Denn es sind zumeist die äußeren Umstände. Welche über der Qualität eines jeden einzelnen stehen. Und somit über dessen Erfolg und somit wiederum über dessen Schicksal entscheiden. Doch auf die äußeren Umstände hat man nun mal keinerlei Einfluß. Leider Gottes.

Gustav Klimt. Zeit und Leben des Wiener Künstlers Gustav Klimt

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