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TEIL IV

Helden

18.

Mentro Kosum

Die Wahl des Restaurants hätte der erste Hinweis für Mentro Kosum sein sollen, dass dieses Date kein glückliches Ende nehmen würde. Er hatte kein Problem mit japanischem Essen – nur mit dem, was Nichtjapaner daraus gemacht hatten, besonders in den Kolonien. Für die meisten war es ein Vorwand, große Mengen von Geld für kleine Mengen von Essen auszugeben, die möglichst kompliziert verzehrt werden mussten. Mit Tradition hatte das wenig zu tun – mit Standesdünkel schon eher.

Coppelia Artwald war der personifizierte Dünkel.

Kosum hatte sie in der Psychologievorlesung kennengelernt. Für ihn ging es bloß um eine Zusatzqualifikation, Artwald dagegen studierte Psychologie im Hauptfach. Nicht nur in dieser Hinsicht schienen sie aus verschiedenen Welten zu stammen: zwei Himmelskörper, die sich nur zufällig auf ihren Bahnen angenährt hatten. Hätten Kosums Freunde ihn nicht zu dieser Verabredung gedrängt, er hätte den Abend lieber im SERT-Simulator verbracht.

Wahrscheinlich war es eine Stellvertretersache, überlegte er, während sie ihre Schuhe auszogen und nebeneinander abstellten, ein Anblick, der dem einer Jacht neben einem Fischkutter im Hafen gleichkam: Wenn er, Mentro Kosum, ein Date mit Coppelia Artwald haben konnte, hatten seine Freunde irgendwie auch eins mit ihr. Es wäre sicher interessant, hierzu ihre Meinung als Fachfrau zu erfragen.

Der Kellner führte sie zu ihrem Zashiki, einem durch Reispapiertüren abteilbaren Separee in Sichtweite der Theke. Dort nahmen sie auf den Kissen am Boden Platz und schlüpften mit den Füßen in die Aussparung unter dem Tisch, wobei Artwald jede Bewegung mit der Konzentration einer Balletttänzerin zelebrierte, die demonstrieren will, wie gut sie gelernt hat. Immerhin machte sie einige lobende Bemerkungen zu Ambiente und Ausstattung – es war nicht leicht gewesen, einen Platz in diesem Restaurant zu reservieren. Die Warteliste war normalerweise mehrere Wochen lang, und Kosum rechnete damit, dass der Abend ihn ein kleines Vermögen kosten würde. Die Speisekarte nannte jedenfalls keine Preise, was nie ein gutes Zeichen war.

Sie bestellten. Irgendwo in der Nähe klimperte ein kulturell deplatzierter Pianist ohne viel Elan auf einer Pentatonik herum.

»Du bist also auf Cybora geboren?«, erkundigte sie sich.

»Ja.« Er strich sich über den Bart, der so rot wie der Rest seines Haars war – Rutilismus, genau wie die typische Gänsehaut und die erhöhte Adrenalinausschüttung ein verlässliches Erkennungszeichen der Kolonisten im Spicasystem.

Sie schien darauf zu warten, dass er das Thema weiter vertiefte, doch den Gefallen tat er ihr nicht. »Ich bin ja vor allem wegen meiner Eltern hier«, sagte sie dann, um die Gesprächslücke zu übertünchen.

»Sind wir das nicht alle?«, philosophierte er.

Sie schaute ihn irritiert an.

»Wir alle. Sind hier wegen unserer Eltern. Ohne die es uns nicht gäbe«, half er aus.

Sie lächelte unsicher. »Ja, natürlich. Und meinen Vater gäbe es wohl auch nicht mehr, hätte er hier nicht Ersatz für seine Lunge gefunden.«

»Ihr seid also wegen der Implantate eingewandert«, stellte er fest. Das war nicht ungewöhnlich.

»Ja, vor zwei Jahren. Muss mich noch an die vielen Sonnen und Monde gewöhnen!« Sie lachte laut auf, verstummte aber rasch wieder, als er nicht mit einstimmte. »Was ist mit dir?«

»Ich? Ich bin ein Aprilscherz.«

Sie musterte ihn nachdenklich.

»Nein wirklich. Geboren am ersten April nach Erdkalender.«

»Das meine ich nicht.« Sie deutete auf seine Augen. »Das Grün. Deine Augen sind auch nicht echt, oder?«

Kosum senkte den Blick. Die Leute pickten sich immer das Naheliegendste heraus. Keiner machte je eine Bemerkung über den Duft, den er auftrug, oder seine Stimme, die er in seiner Freizeit mit Gesang trainierte. Nein, es waren die grünen Augen. Die tatsächlich nicht echt waren – weil er nämlich blind geboren worden war. Und das war etwas, was sich niemand, der es nicht selbst erfahren hatte, vorstellen konnte, weshalb es auch keinen Sinn hatte, darüber zu reden.

Genauso wenig wie darüber, dass er seine Eltern nie kennengelernt hatte.

Die Rückkehr des Kellners, der ihnen Edamame und Getränke brachte, war seine Rettung.

»Bier?«, fragte sie skeptisch, als er sein eisgekühltes Lager hob, um mit ihr anzustoßen. »Ich dachte, wir teilen einen schönen Sake.«

»Zu Sushi trinkt man keinen Sake«, sagte er so sachlich wie möglich, aber sie nahm die Kritik trotzdem persönlich.

»Wie bitte?«, versuchte sie zu scherzen. »Das ist ja, als würdest du sagen, zu Fisch trinkt man keinen Weißwein. Natürlich trinkt man Sake zu Sushi.«

Mentro Kosum zuckte die Schultern. Er wollte nicht streiten, und normalerweise gab er auch nicht viel auf Vorschriften.

»Du trinkst Sake zu Sushi«, sagte er deshalb. »Und ich finde das gut. Du bist Individualistin.«

Sie schaute ihn zweifelnd an.

»Ein jeder weinselig nach seiner Fasson.« Ihr Gesicht wurde noch länger. »Friedrich der Größere«, ergänzte er, doch es war unverkennbar, dass sie der hohen Kunst der Fehlattributierung nichts abgewann.

Eine Weile knabberten sie schweigend Edamame.

»Die Musik ist schön«, wechselte Artwald das Thema.

Kosum lauschte auf den Pianisten und drehte eine Bohne zwischen Daumen und Zeigefinger. Er musste sich große Mühe geben, nicht nach den gerösteten Sarrka-Sporen in seiner Tasche zu greifen. Zwar hätten sie geschmacklich einen interessanten Kontrast gebildet, aber nach Meinung all seiner Freunde übertrieb er es mit diesem Snack, also beherrschte er sich.

»Er hat kein Taktgefühl«, bedauerte er den Pianisten. »Kein Leben. Man könnte ihn problemlos gegen einen Automaten eintauschen.«

»Woher willst du das schon wieder wissen?« Allmählich wurde ihr Ton abweisend.

»Musik ist ein Hobby von mir.«

»Ja klar. So wie japanische Küche. Oder dieses SERT-Training.«

»Die Emotionauten-Ausbildung ist kein Hobby«, korrigierte er sie. »Sondern mein Hauptfach. Und ich bin Jahrgangsbester.«

Sie runzelte die Stirn, schien sich zu fragen, ob er es ernst meinte.

»Es geht darum, Raumschiffe ohne manuelle Kontrollen zu steuern«, erläuterte er. »Gewissermaßen mit Gedankenkraft zu fliegen.«

»Hat das denn Vorteile?«

Beherrsch dich! »Was ist schneller, ein Gedanke oder eine Geste?«

Die Zeit, die sie sich mit einer Antwort ließ, konterkarierte sein Argument auf unerwartete Weise.

»Ein Gedanke, nehme ich an«, antwortete sie schließlich, als der Kellner wiederkam und selbst das Sushi sie überholt hatte.

»Sehr gut. Und nun stell dir einmal vor, dass die gesamte Terranische Flotte auf SERT-Steuerung umgestellt würde. Was für einen Vorteil das brächte – schon militärisch gesehen.«

»Könnte man das Raumschiff nicht genauso gut von einer Positronik fliegen lassen?«, entgegnete sie und klang zufrieden, dass ihr dieser Einfall gekommen war.

»Wenn du möchtest, dass die Schiffe so fliegen, wie dieser Klavierspieler klingt ...« Er griff nach einem Stückchen Sushi und steckte es sich in den Mund. Es schmeckte hervorragend – es war nicht erkennbar, ob die Zutaten von der Erde, von anderen Welten oder aus einem Labor stammten. Das Geheimnis war wie immer die Balance. Der Sushikoch hatte genau die richtige Menge Wasabi zur Abrundung verwendet, weswegen sich auch keins am Tisch fand – bloß eine ausgewogene Sojasoße und etwas Ingwer, um den Geschmack zwischen den Bissen zu neutralisieren.

Artwald schaute sich nach den gewohnten Würzzutaten um, legte sich dann eine Ingwerscheibe auf die Makirolle, ertränkte das Ganze in Sojasoße und führte den tropfenden Ballen geziert mit den Stäbchen zum Mund.

»Du arbeitest also fürs Militär«, griff sie den Gesprächsfaden oder was sie dafür hielt wieder auf.

Sein Pulsschlag beschleunigte sich. »Um Himmels willen! Ich fliege für das Erlebnis. Wahrscheinlich kann man es sich nicht vorstellen, wenn man nie mit einem Raumschiff verschmolzen ist ...« Tatsächlich bedauerte er, dass er es nicht besser beschreiben konnte. Wie es war, wenn der eigene Körper plötzlich Hunderte von Metern groß wurde und aus einer Myriade hochkomplexer Einzelorgane bestand, die sich zu einer Sinfonie, einem Gobelin von Sinneseindrücken verwoben. Er biss genüsslich in ein Stück Maki: Gurke, Bambussprossen und Lotuswurzel mit einer Spur von Sesam. »Ich tue das schon mein Leben lang. Seit meiner Kindheit ...«

Seit ich sehen kann, dachte er, aber sprach es nicht aus, denn diese Erinnerungen waren zu privat: daran, als sich sein Geist, der Geist eines Blinden, zum ersten Mal dem inneren Universum eines Sternenschiffs geöffnet hatte; und an die Augenimplantate, die ihm die Posbis im Alter von sieben Jahren eingesetzt und die ihm dieses Schiff, über das er bereits alles gewusst hatte, was es zu wissen gab, auch von außen gezeigt hatten. Er hatte zweimal sehen gelernt: von innen und außen.

»Du hast schon als Kind mit deiner militärischen Ausbildung begonnen?«, fragte sie kritisch und kämpfte damit, ein widerspenstiges Stück Nigiri mit den Stäbchen zu packen. »Ist das nicht Kinderarbeit?«

»Nein«, sagte er entschieden. »Du kannst nicht terranische Regeln auf das Leben hier auf Cybora anwenden. Was NATHAN und die Posbis für die Kolonisten getan haben – was sie für mich getan haben ...« Er schüttelte den Kopf und trank von seinem Bier. Fast hätte er sich verplappert.

Diese Terranerin würde das nie nachvollziehen können – nicht seine Dankbarkeit und nicht seinen Stolz, am Ende dieses langen Wegs für ein geheimes Projekt auserkoren worden zu sein, dessen genaue Natur er noch nicht kannte. Alles, was er wusste, war, dass man ihm ein Codewort nennen würde. Und dieses Wissen musste er um jeden Preis für sich behalten.

»Sehen die cyboranischen Regeln auch vor, dass man kein Besteck benutzt?«, fragte sie und versuchte, es witzig klingen zu lassen, während sie auf seine Finger zeigte.

»Nein. Aber die japanischen Regeln. Sushi ist Fingerfood. Im Übrigen ist es sehr unhöflich, mit Essstäbchen auf jemanden zu zeigen – es sei denn, du willst ihn auch gleich damit aufspießen.«

Coppelia Artwald stierte ihn wütend an. Nein, dieses Date lief überhaupt nicht gut.

Die nächsten Minuten begnügte er sich damit, ihr zuzusehen: Sie bestellte sich ein Extraschälchen Wasabi, bestrich freudig ihr Sushi damit, verschätzte sich gehörig, erlitt einen Niesanfall und schnäuzte sich lautstark die Nase. Es war, wie einen Unfall in Zeitlupe zu verfolgen. Die schiere Menge ihrer Fehltritte hatte fast etwas Liebenswertes.

Kosum griff sich eine frische Rolle: Garnele, Mango, Avocado und flambierter Lachs, dazu ein Hauch süßer Unagisoße. Köstlich. Er wollte gerade eine lobende Bemerkung darüber machen, als ein Mann in einem edlen Anzug an ihren Tisch trat. Zwar hatte auch er die Schuhe ausgezogen und verbeugte sich kurz – aber das rote Haar, das er in einem Knoten trug, und das Anliegen, das er äußerte, verrieten ihn als Cyboraner. Der Geschäftsführer wahrscheinlich.

»Ich bin untröstlich, mein Herr – aber uns ist bei der Reservierung ein Fehler unterlaufen. Dürfte ich Sie, wenn es keine allzu großen Umstände bereitet, bitten, in ein anderes Separee umzuziehen? Wir bräuchten diesen Platz für eine größere Gruppe ...«

Mentro Kosum glaubte, sich verhört zu haben. Er schielte an dem Mann vorbei und sah weiter hinten eine Gruppe von vier Uniformierten. Raumflotte. Ein Oberst, ein Admiralleutnant und ihre Begleitung.

»Nein«, sagte er.

»Wie bitte?«, fragte der Geschäftsführer.

»Nein«, wiederholte Kosum und wandte den Blick ab, um sich wieder seinem Essen zu widmen.

»Ich bitte Sie höflich ...«

»Und ich habe höflich Nein gesagt.« Sein Herzschlag legte einen Zahn zu. »Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was ich sonst sagen soll! Ihr Verhalten ist eine Schande. Sie führen ein ordentliches Restaurant, aber nun ist Ihnen ein Fehler unterlaufen. Das ist nicht mein Problem. Kein ehrenhafter Restaurantbetreiber würde jemals einen Gast bitten, seinen Platz zu räumen, bloß weil er einen Fehler gemacht hat. Sie geben sich doch solche Mühe, einen traditionellen Anschein zu wahren! Die Musik lässt zu wünschen übrig, aber ihr Sushikoch versteht sein Handwerk. Und Sie kommen an unseren Tisch und führen sich wie ein Rüpel auf? Guter Mann – gehen Sie doch bitte und entleiben sich.«

Kosum wusste nicht, was ihn in dieser Minute ritt. Vielleicht war es das Gefühl, von Stümpern und Idioten umgeben zu sein. Vielleicht war es der schleichende Verdacht, dass er selbst der Idiot war. Vielleicht auch der Trotz, den Uniformen verlässlich bei ihm auslösten, ob Militär oder andere eingebildete Autoritäten. Wahrscheinlich wollte er sich einfach nicht eingestehen, dass dieser Abend eine einzige Katastrophe gewesen war. Aber dies war eine Demütigung zu viel.

»Mein Herr«, beharrte der Geschäftsführer und tippte sich auffälliger, als ihm wohl bewusst war, ans Ohr. »Ich muss Sie bitten, Ihren Tonfall zu mäßigen. Und ich ersuche Sie ein letztes Mal ...«

Mentro Kosum nahm ein Paar unbenutzte Essstäbchen, stand auf und baute sich mit seinen fast zwei Metern vor dem Geschäftsführer auf.

»Und ich sage Ihnen, wo Sie sich Ihr Ersuchen hinstecken können.« Er setzte die Stäbchen wie eine Waffe ein und stach sie dem kleineren Mann in den Haarknoten.

Das Letzte, woran er sich erinnerte, war, dass Sicherheitspersonal ihn an den Armen packte und ihm vor lauter Adrenalin die Haare zu Berge standen. Coppelia Artwald stieß einen spitzen Schrei aus, er stimmte aus voller Brust die Internationale an, dann prasselten die Schläge auf ihn ein.

Perry Rhodan Neo Paket 22

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