Читать книгу Perry Rhodan Neo Paket 22 - Perry Rhodan - Страница 42
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Spieler
Laura Bull-Legacy rieb sich die Schläfen. Der kurze Schlaf hatte kaum Erholung gebracht. Dieses Mal erinnerte sie sich deutlich an einen Stein, der geschrien hatte. Er war über und über mit schwarzen Zeichen bemalt gewesen, die wie Teer auf ihm klebten. Ob es diesen Stein tatsächlich gab, wie Merkosh sagte? Und sah er aus wie in ihrem Traum oder ganz anders?
Sie hatte das Gefühl, dass etwas Unheilvolles von diesem Stein ausging, das über die Albträume hinausreichte. Etwas, das sie und ihr Leben betraf. Als wäre er ein Unglücksbote, eine Art Norne, die ihr ein furchtbares Schicksal voraussagte.
Unsinn. Sie schüttelte den Kopf. Ihre Zukunft stand nicht in Stein geschrieben – weder wortwörtlich noch im übertragenen Sinne.
Sie folgte Perry Rhodan und Merkosh in die Zentrale, wo sie ein zu Tode erschöpfter Conrad Deringhouse begrüßte. Er war nicht allein. Bei ihm saßen Jessica und Ronald Tekener. Der Anblick überraschte Laura.
»Perry, gut, dass du kommst!« Deringhouse winkte sie heran. »Mister Tekener hat uns etwas Außergewöhnliches mitzuteilen.«
Sie gingen zu den Sesseln, die an der Außenwand der Zentrale standen. Vor ihnen vergrößerte ein Holo des Linearantriebs den Raum. Offensichtlich war Sophie gerade dabei gewesen, Deringhouse über den aktuellen Stand der Reparaturen zu informieren. Leider gab es keine freien Sitzplätze mehr, weil Jessica und Ronald bereits saßen. Ronald Tekener hatte ein breites Grinsen auf den Lippen, das Laura in Anbetracht der Situation irgendwie widersinnig vorkam.
»Oh ja.« Der Mann mit dem vernarbten Gesicht schwenkte den Stuhl leicht, stand jedoch weder auf, noch fragte er, ob sich einer der beiden Neuankömmlinge setzen wollte. »Ich weiß nicht, warum. Aber ich scheine der Einzige zu sein, dem es auf diesem Wahnsinnskahn wirklich gut geht. Keine Albträume. Ich bin fit wie selten zuvor. Nicht mal der übliche Nachtterror verfolgt mich. Seit wir aufgebrochen sind, ist es mir besser und besser gegangen. So wohl habe ich mich lange nicht mehr gefühlt.«
»Das ist gut«, sagte Merkosh. »Dann können Sie mit uns kommen.«
»Mit uns kommen?«, fuhr Jessica auf. »Wohin?«
Laura bemerkte, dass Rhodan die Lippen zusammenpresste. Merkosh ging die Dinge oft zu direkt an – wenn er nicht gerade Informationen vorenthielt, wie etwa im aktuellen Fall mit der Albtraumbarriere. Als Oproner hatte er offenbar ein komplett anderes Verständnis vom Umgang miteinander.
»Wir müssen auf den Planeten«, antwortete Rhodan. »Die Albträume werden über einen Impuls von dort ausgelöst. Es könnte tatsächlich von großem Vorteil sein, wenn Sie mit uns kommen, Mister Tekener.«
Jessica kniff die Augen zusammen, senkte den Kopf wie ein Stier, der von Toreros in eine Ecke gedrängt worden war. »Mein Bruder wird nirgendwo mehr hingehen ohne mich.«
»Richtig«, bestätigte Ronald. »Falls wir da hingehen, gehen wir zusammen. Aber warum sollten wir? Glauben Sie, ich bin scharf darauf, Ihnen dabei zu helfen, auf eine gefährliche Mission zu gehen, Protektor? Ich hatte in jüngster Zeit genug Abenteuer, und Lashat ist der letzte Ort auf meiner universalen Liste, den ich ernsthaft wiedersehen will.«
In Rhodans Miene trat ein Ausdruck, der Laura unheimlich war. Er strahlte eine Unbeirrbarkeit aus, die sie selbst nach Jahren gemeinsamer Freundschaft und familiärer Bande noch immer verunsichern konnte. »Bluffen Sie nicht, Mister Tekener. Ich kenne Ihr Blatt. Sie haben sich bereit erklärt, mit uns zu kommen, gerade weil Sie nach Lashat wollen.«
»Mit dem Wollen ist das so eine Sache ...«
Laura beobachtete, wie Rhodan zunehmend gereizter wurde – auch ihm setzten die Albträume zu. Es in seiner Mimik arbeiten zu sehen, war ein wenig, wie einem Tiger zuzuschauen, den jemand mit einem Speer kitzelte.
»Mister Tekener«, sagte Rhodan auf eine für ihn unübliche, nahezu überhebliche Art. »Sie sind ein Spieler, und Sie versuchen, aus allem etwas herauszuschinden. Aber hier gibt es nichts zu holen.«
»Es gibt immer einen Einsatz«, widersprach der Narbengesichtige gelassen. »Und einen Gewinn.«
»Oh ja.« Sophie Bull-Legacy stand von ihrem Platz auf und kam zu ihnen, begleitet vom MINSTREL, der neben ihr flog wie ein Rabe, der sich auf die Schulter seiner Lieblingshexe setzen wollte. Ihr Lächeln war genauso breit wie das von Ronald Tekener. »Klar gibt es einen Einsatz für Sie, Spieler: das Leben Ihrer Schwester.«
Sein Grinsen gefror, als wäre er unversehens in eine Wand aus Trockensprüheis gelaufen. »Was?«
»Nun ...« Mit einer zarten Geste beider Hände, die an eine Dirigentin erinnerten, deutete Sophie in den Raum. »Sehen Sie sich um. Gut ein Drittel der Zentralebesatzung fehlt inzwischen. Die Tendenz ist steigend. Sie selbst mögen zwar die Zeit Ihres Lebens haben und gegen die Albträume immun sein – warum auch immer. Aber Ihre Schwester ist das nicht. Und falls wir nicht rasch eine Lösung finden, wird hier alles zusammenbrechen. Dann werden nur noch ich und Laura übrig sein, weil der MINSTREL uns vor den Auswirkungen der Träume offensichtlich zumindest teilweise schützen kann. Also seien Sie lieber nett zu meiner Schwester, und nehmen Sie auf ihre Gefühle Rücksicht. Jessicas Leben könnte schon bald in meinen und Lauras Händen liegen, wenn wir die Kontrolle über die FANTASY samt der Medostation haben.«
»Sophie!« Rhodan klang verärgert. »Keine unterschwelligen Drohungen! Ich bin sicher, Mister Tekener wird gern mit uns nach Nightmare kommen und uns helfen. Wir müssen zusammenarbeiten, nicht gegeneinander!«
Das Grinsen auf Ronalds Gesicht war noch da, glich nun jedoch eher einer Fratze. »Einverstanden. Ich gehe mit und gebe mein Bestes – wenn Jessica mitkommt.«
Merkosh schüttelte den Kopf. »Das ist nicht ratsam. Sie wäre dort in zu großer Gefahr.«
»Dann schützen Sie sie!«, forderte Ronald.
Der Oproner warf Rhodan einen beinahe verzweifelten Blick zu, nickte dann jedoch. »Wir werden sehen, was wir tun können.«
»Bestens.« Ronald Tekener verschränkte die Arme vor der Brust. »Wann geht es los?«
»In drei Stunden«, sagte Sophie Bull-Legacy. »So lange braucht der MINSTREL für die Vorbereitungen. Er wird mit uns nach Nightmare gehen.«
Der MINSTREL war schon die ganze Zeit in Lauras Bewusstsein. Eine kaum hörbare Melodie, die nun anschwoll, während die aus blauen Würfeln zusammengesetzte Maschine zu ihnen schwebte und unablässig zwitscherte.
Laura Bull-Legacy hörte die Töne außen und in sich. Sie begriff, was der MINSTREL ihnen sagen wollte. »Der MINSTREL hat einen Plan entwickelt, wie er zumindest ein paar Menschen auf Nightmare vor den Auswirkungen der Albträume schützen kann.«
Rhodans Miene hellte sich auf. Die Anspannung fiel von ihm ab. »Das sind gute Neuigkeiten. Wie funktioniert dieser Plan?«
Ein gefressener Stern. Laura Bull-Legacy schauderte, als sie daran dachte. Sie saß dicht an dicht zwischen Sophie und Merkosh unter der transparenten Panzerplastkuppel der Space-Disk-Zentrale. Ihr gegenüber lümmelte Ronald Tekener im Sitz, während seine Schwester eine steife, ablehnende Haltung zur Schau stellte, als wäre sie beleidigt, weil man sie nur ungern mitnahm.
Zwischen ihnen leuchtete ein Hologramm, das Changeling zeigte. Der Schatten, der die Sonne umgab, war ein Rest der Gashülle des gefressenen Partners. Das Zentralgestirn hatte etwa die doppelte Masse von Sol und pulsierte mit einer Periode von vier Stunden. Drei Planeten umkreisten den Stern, die ihre Namen allesamt von Gucky erhalten hatten: Inkubus, Sukkubus und Nightmare.
»Inkubus und Sukkubus«, murmelte Laura.
Ronalds Grinsen war wieder entspannter. Am liebsten hätte Laura es ihm aus dem Gesicht gekratzt. »Nette Namen.« Er blickte zu Merkosh. »Das sind Albdruck-Dämonen aus der irdischen Mythologie. Der Inkubus paart sich nachts mit schlafenden Frauen, die nichts davon bemerken. Dabei stiehlt er ihnen die Lebensenergie. Ein Stellvertreter Satans, der die Seelen der Verstorbenen nach dem Tod in die Hölle schleppt. Der Sukkubus dagegen ist die weibliche Gegenform. Soll sich ebenfalls ausgesprochen gern paaren. Eigentlich geht es bei dem Ganzen wohl bloß um Sex. Worum auch sonst?«
Obwohl Tekener Laura nicht anblickte, fühlte sie sich von ihm provoziert. Die Art und Weise, wie er die Worte »paaren« und »Sex« betont hatte, reizte sie. Sie fühlte sich, als hätte er sie direkt angesprochen, würde ihr unterstellen, dass sie mit ihm schlafen wollte.
Nun wanderte Ronalds Blick, glitt zu Sophie Bull-Legacy. »Rein äußerlich sieht der Sukkubus wie eine wunderschöne Frau von bestrickendem Zauber aus, doch er hat als Dämon keine Seele, versteckt seine Flügel, den Schwanz und die Hörner – jedenfalls mehr schlecht als recht.«
»Was wollen Sie damit andeuten?«, fragte Sophie.
Der MINSTREL zwitscherte zwischen ihnen. Er schwebte über dem Holo in der Luft.
»Hört auf damit!«, erklang Perry Rhodans Stimme von der Seite. Er steuerte die Space-Disk, blickte deswegen in eine Holowand, doch er hörte jedes Wort, das sie sprachen. »Konzentriert euch lieber auf die Impulse des Neurostreamdimmers und lernt, besser mit dem Gerät umzugehen.«
Auf die Idee mit den Neurostreamdimmern war der MINSTREL gekommen. Eben das war sein Plan gewesen, den sie hastig in die Tat umgesetzt hatten. Die Geräte schirmten die Albtraumimpulse ab, machten sie schwächer. Was sie nicht beheben konnten, war Lauras bleierne Müdigkeit, die sie zunehmend gereizter machte. Trotz des dicken Einsatzanzugs mit Pulsatortriebwerk und Schutzschirmgeneratoren fühlte sie sich nackt. Sie flog ins Unbekannte, auf eine Welt, die ihren Tod bedeuten konnte. Nicht jeder ihrer Außeneinsätze war eine gute Erfahrung gewesen, und dieser versprach eine Reise in die Hölle zu werden. Am liebsten wäre sie auf der FANTASY geblieben, auch wenn die Aussicht, dort von den Albträumen übermannt zu werden, nicht wesentlich besser war. Aber immerhin wäre sie in einer vertrauten Umgebung gewesen.
Sie atmete tief ein, verband sich über ihre Kommunikationsimplantate drahtlos mit dem MINSTREL. Er gab ihr Ruhe, Gelassenheit. Seine Musik war eine Wohltat. Einen Moment taten ihr Jessica Tekener und Rhodan leid. Beide trugen zwar die Neurostreamdimmer, doch sie konnten sich nicht mit dem MINSTREL verbinden und sich von ihm helfen lassen. Merkosh dagegen mochte seine eigenen Mittel haben. Nachdem er ihnen die Albtraumbarriere verschwiegen hatte, argwöhnte Laura, dass er auch weitere Dinge vor ihnen geheim hielt, ganz so, wie er es eigentlich schon von Anfang an gehalten hatte. Immerhin war Merkosh sogar in der Lage gewesen, sich gegen Iratio Hondro abzuschirmen, der ganz außergewöhnliche mentale Kräfte hatte und Menschen so beiläufig unter seine geistige Kontrolle bringen konnte, wie andere sich ein Glas mit Wasser eingossen.
Sie wandte sich an den MINSTREL. Sind die Gaben von Hondro mit dem Impuls von Nightmare vergleichbar?
Die Antwort kam sofort, in Form einer bestätigenden Melodie. Ein Bild von Hondro stieg in Laura auf, induziert vom MINSTREL. Es überlagerte sich mit der grünbraunen Dschungelwelt Nightmare und zeigte einen Mann mit langen, schwarzen Narben im Gesicht, die seine Wange spalteten. Er trug einen kurzen, dunklen Bart, der Mund und Kinn rahmte. Die spiegelnde Schicht in den optimierten Augen schimmerte, als sähe Laura in die Augen einer Katze.
Wenn zwischen diesen zwei Phänomenen – Hondro und Nightmare – Ähnlichkeiten bestanden, fragte sich Laura allerdings, wieso auch Merkosh einen Neurostreamdimmer angelegt hatte – den letzten, den sie in der Eile hatten modifizieren können. Womöglich brauchte ihn der Oproner gar nicht. Falls das der Fall war, hätte er ihn ebenso gut Deringhouse geben können, dessen Zusammenbruch bloß eine Frage der Zeit war.
Er wird nicht zusammenbrechen, dachte Laura fest. Wir finden den Schreienden Stein, schalten ihn ab, und dann reparieren wir den Antrieb und verschwinden aus diesem verfluchten System.
Sie kamen Nightmare immer näher. Im Außenbeobachtungsholo ebenso wie in der direkten Sicht durch die Pilotenkanzel zeigte er sich als hübsche Murmel, wie Laura schon einige gesehen hatte. Noch merkte man ihm seine Schrecken nicht an. Die samtene Schwärze des Alls hüllte ihn ein, bettete ihn in ein dunkles Tuch, vor dem er strahlen konnte. Doch mit jedem Kilometer, den sie auf den Planeten zuflogen, wurde der Druck in Laura größer. Sie hatte das Gefühl, in eine Tiefe zu tauchen, aus der sie womöglich nie wieder herausfand.
Laura schloss die Augen. Ihr war übel. Selten hatte sie solche Angst gehabt. Da unten konnte alles Mögliche passieren, und Gucky war nicht da, um sie wie Ian Munroe aus der Gefahrenzone zu holen. Was, wenn sie die FANTASY nie wiedersah? Nie mehr Mutter und Vater in die Arme schließen würde? Nie mehr den Mond, der ihr wie die Erde eine Heimat bot?
»Es wird schon«, wisperte Sophie. »Kopf hoch!«
Ronald Tekener verzog die Lippen, machte eine spöttische Miene.
»Am besten sagen Sie nichts.« Sophies Stimme war zuckersüß. »Sie schaffen es auch ohne Worte, genug auszudrücken.«
»Tatsächlich?« Der groß gewachsene Mann lehnte sich im Sessel zurück. »Das nehme ich als Kompliment. Besonders von einer Frau wie Ihnen.«
Sophie schnaubte leise.
»Seht!«, rief Jessica. Sie tauchten in einen lapislazulifarbenen Himmel ein, der seine Nuancen beständig veränderte. »Die Lichtverhältnisse wechseln!«
Unter ihnen variierten die Schatten, erschienen heller und dunkler. Es war ein reges Spiel, das Laura vorkam, als versuche ein unsichtbares Lebewesen, das Licht zu fressen.
»Faszinierend«, murmelte Sophie.
Laura sagte nichts, doch für sie hätte das Wort »beängstigend« besser gepasst.
Das Bild im Außenbeobachtungsholo wechselte unvermittelt. Es zeigte nun einen Dschungel, der vor Pflanzen überquoll, als wolle er sich selbst ersticken. Spitze Auswüchse ragten aus spitzen Auswüchsen, türmten sich aufeinander, begruben sich. Die vorwiegende Farbe war ein schmutziges Grünblau, über das Schatten irrlichterten wie ein Stroboskoplicht. Es wimmelte von vogelartigen Wesen, Insekten und Dingen, die an herumwirbelndes Heu erinnerten. An manchen Stellen wogten Wolken in der Luft, die wie aus grauen Rosenblättern zusammengesetzt schienen.
Jählings ruckte die Space-Disk herum. Obwohl die Andruckabsorber den Großteil der Beharrungskräfte neutralisierten, die infolge der Kursänderung im Innern des Raumboots auftraten, waren sie zu spüren wie in allen terranischen Raumfahrzeugen. Es ging darum, nie zu vergessen, wo genau man sich befand: in einem künstlichen Gefährt, umgeben von einer oft lebensfeindlichen Umwelt. Die Sicht nach draußen wechselte so abrupt, als hätte sich eine Faust um das kleine Diskusboot geschlossen und es gewaltsam in eine andere Richtung gedreht.
»Was zur Hölle ...?«, stieß Rhodan aus.
»Alles okay!«, riefen Laura und Sophie wie aus einem Mund. Sie hörten beide die Fuge, die sie davon in Kenntnis setzte, was geschehen war.
»Das war der MINSTREL«, erläuterte Laura. »Er kann den Impuls über die Positronikvernetzung orten und hat eine grobe Richtung für uns. Wir steuern sie nun an.«
»Eine grobe Richtung?« Ronald Tekener hob spöttisch eine Augenbraue. »Ich hoffe, Ihr Zwitscherklotz hat ein bisschen mehr drauf. Oder gibt es da unten bloß einen See mit einer Insel?«
»Wohl kaum.« Sophies Stimme klang spitz. Die Antipathie zwischen ihr und Ronald schien sich mit jeder Minute zu verdichten. »Wenn Sie mehr dazu beitragen können, uns ans Ziel zu führen, dann nur zu. Wir warten voller Spannung.«
Wieder war da dieses Lächeln, das Laura gerade hassen lernte. Ronald lehnte sich im Sitz zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Das ist Ihr Trip, Ladys. Ich bin lediglich da, um Ihnen den Hintern zu retten, falls Sie die Albträume doch übermannen.«
Merkosh stand unvermittelt auf und legte Ronald eine Hand auf das Haar.
Der schreckte zurück und stieß Merkoshs Arm von sich. »Was soll das?«
Der Oproner berührte eins der Zeichen im Gesicht. Wie der Rest des Teams trug er einen Einsatzanzug, hatte den Falthelm jedoch noch offen. Wegen der besonderen Beschaffenheit seiner Haut hatte er ein Spezialmodell gewählt. Auch seine Unterarme lagen frei, weil er die Ärmel nach innen eingezogen hatte, ebenso den Beinschutz.
»Es ist interessant, dass Sie anders reagieren als die anderen«, sagte Merkosh. »Sie sind emotional in einer weitaus besseren Verfassung. Haben Sie eine Ahnung, warum das so ist?«
Ronalds Grinsen verschwand. Er wirkte nachdenklich. »Nein. Ich hatte die ganzen letzten Jahre Albträume, seit dieser Sache damals, an die ich mich kaum erinnern kann. Oft genug haben andere das kleingeredet. Sind ja nur Träume. Stell dich nicht so an. Was es wirklich von einem fordert, wenn man Tag für Tag sein Leben meistern muss, während man Nacht für Nacht durch die Hölle geht, das hat kaum einer gesehen oder auch nur im Ansatz verstanden. Die meisten Leute kapieren das nicht – weil sie es eben nie selbst erlebt haben. Um ehrlich zu sein, genieße ich es, dass es dieses Mal alle anderen trifft, aber nicht mich.«
»Rührend«, spottete Sophie. »Ihr Mitgefühl kennt keine Grenzen, was?«
Er zuckte bloß mit den Achseln.
Merkosh stülpte die Lippen ein Stück vor, zog sie wieder zurück. »Das meinte ich nicht. Sie denken doch sicher auch an die überstandenen Lashat-Pocken.«
»Klar hab ich daran gedacht. Aber hey, Sie sind der galaktische Mediziner – oder was auch immer. Sagen Sie es mir: Was ist mit mir los?«
»Eben das weiß ich noch nicht.« Merkosh hob die Hand, in der ein einzelnes, dunkles Haar lag. Ein Haar von Ronald Tekener. Es sickerte in Merkoshs Haut hinein.
Fasziniert, aber auch ein wenig angewidert beobachtete Laura den Prozess. Das Haar verschwand mehr und mehr, wurde zu einem Teil von Merkosh.
Der MINSTREL meldete sich erneut. Töne und Bilder wirbelten durcheinander.
»Er verliert die Spur«, übersetzte Sophie.
»Das ist schlecht«, meldete sich Rhodan aus dem Pilotensitz. »Soll ich zurückfliegen?«
»Nein.« Sophie klang bestimmt. »Der MINSTREL schlägt vor, dass wir landen.«
»Na großartig«, murrte Jessica. »Unser Missionsleiter ist eine Maschine, die keine Ahnung hat.«
Laura verkniff sich einen Gegenkommentar. Jessica war die Angespannteste von ihnen. Sie blinzelte häufig, schloss die Finger zu Fäusten, presste die Zähne aufeinander, sodass die Kiefermuskeln ihrem Gesicht einen harten Ausdruck gaben. Wie lange hatte die Privatermittlerin nicht mehr geschlafen? Vermutlich hatte sie es sich wie die meisten verkniffen solange es ging, um den Albträumen auszuweichen.
Sie gingen tiefer, glitten dunkelgrünen Baumriesen entgegen. Immer wieder knisterte es kaum merklich, weil Flugtiere mit dem Energieschirm der Space-Disk kollidierten. Kein einziges von ihnen machte Anstalten, dem unbekannten Fluggerät auszuweichen. Eine Gruppe klobig wirkender Vogelartiger attackierte den Rumpf, bis keiner von ihnen mehr lebte.
»Es ist eine sehr aggressive Fauna«, stellte Merkosh fest. »Wir werden das Beiboot gut sichern müssen.«
»Ich hatte nicht vor, es in einem Morast zu landen.« Auch Rhodan klang gereizt.
Laura fühlte in sich hinein: Ja, der mentale Druck wurde stärker. Selbst wenn der MINSTREL die Spur verloren hatte, gab es einen vagen Ansatzpunkt. Im Grunde mussten sie bloß genau dorthin gehen, wo sie einander am liebsten die Köpfe einschlagen würden. Es blieb allerdings die Frage, wie groß dieses Gebiet war und wie viele Seen darin lagen – und ob die Neurostreamdimmer sie bis zum Ende schützen würden. Was, wenn der Albdruck derart anwuchs, dass die Geräte versagten?
Fetzen aus ihren Albträumen tauchten vor Laura auf. Da war der Stein, der schrie und schrie und schrie ...
Während die Bäume näher kamen, erkannte Laura, wie anders sie waren als ihre irdischen Varianten. Sie schienen aus einem Stück geformt, geknetet aus einer Masse, bestanden in Wahrheit jedoch aus Millionen von spitzen Einzelelementen, die ineinanderflossen. In ihrer Gesamtheit ähnelten sie einer Phalanx aus aufgerichteten Speeren und Pfeilen, die sich in den Himmel bohrten. Sie standen starr wie Soldaten in Erwartung einer Schlacht. Keiner von ihnen war grün. Ein fahles, gespenstisches Grau dominierte in dieser Gegend, das an manchen Stellen dunkler und an anderen heller war. Die Schattenspiele der Sonne tanzten darauf, brachten Bewegung dahin, wo keine war. Es zuckte wie in einem Kokon, aus dem etwas hinauswollte.
Laura Bull-Legacy fühlte sich noch bedrohter als zuvor. Bei dem Gedanken, gleich aussteigen zu müssen, krampfte sich alles in ihr zusammen. Ihre Brust wurde eng, der Atem ging flach. Sie spürte Sophies Hand auf ihrer Schulter.
»Wir schaffen das«, flüsterte Sophie. »Du wirst sehen. In spätestens zehn bis zwölf Stunden sind wir zurück auf der FANTASY – wohlbehalten und erfolgreich.«
Perry Rhodan flog eine Weile suchend umher, bis er eine Felsplattform entdeckte, auf der keine Pflanzen wuchsen. Auch Tiere waren keine zu sehen.
»Home, sweet home«, scherzte Ronald Tekener, als sie dort aufsetzten. Er stand als Erster auf, schloss den Helm. »Dann wollen wir dieses Prachtstück von Planet mal erkunden. Je eher wir losziehen, desto eher sind wir zurück. Und wir sollten bald zurückkehren.« Sein Blick bohrte sich in den von Sophie. »Mit einem haben Sie recht, Miss Bull-Legacy: Auf der FANTASY wird das totale Chaos ausbrechen, wenn wir uns nicht beeilen.«