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8.

Ian Munroes Albtraum

In die Gedanken von anderen Lebewesen einzudringen, war für Gucky nichts Neues – live in einem Albtraum mit dabei zu sein, schon. Er fand sich im Gang eines Raumschiffs wieder. Der Flur war leicht abschüssig, das Licht flackerte. Das Raumschiff war abgestürzt – das war ein Fakt, den man in solchen Albträumen wusste. Auch für Gucky war es offensichtlich. Es war nicht die FANTASY, es war ein anderes Fahrzeug – vielleicht eins, auf dem Ian Munroe früher gedient hatte und mit dem er schlechte Erinnerungen verband. Gucky hatte eine vage Vorstellung, dass es so sein konnte. Doch diese Erinnerung lag tiefer in Munroes Bewusstsein verborgen, und Gucky blieb keine Zeit, um genauer zu espern, denn neben ihm stand Munroe, der sich sich die Hand auf eine blutende Kopfwunde drückte, genau dort, wo er auch im realen Leben verletzt worden war.

»Hallo«, sagte Gucky. Munroe reagierte nicht. Er schien durch den Mausbiber hindurchzublicken. Munroe sieht und hört mich nicht. Ich bin hier nur als ein Beobachter. Es ist sein Albtraum, nicht meiner. Gucky war froh deswegen. Eigene Albträume hatte er genug.

Munroe ging los, mit unsicheren Schritten den schrägen Gang hinunter. Gucky trottete neben ihm her. Obwohl es nicht die FANTASY war, wusste Gucky mit Sicherheit, dass sie eine Bruchlandung auf dem mittleren Planeten des Changelingsystems hinter sich hatten. Diese Sicherheit bezog er aus Munroes Wissen. Es passte. Etwas stimmte nicht mit diesem Planeten, dieses Gefühl hatte er bereits eine Weile, ohne es genau benennen zu können. Und da waren diese verstörenden Impulse, die von dort auf ihn eindrangen. Wenn auch Ian Munroes Albtraum mit diesem Planeten zusammenhing, musste das etwas zu bedeuten haben.

Zusammen mit Munroe fühlte Gucky noch etwas: Munroe glaubte zwar, der einzige Überlebende des Absturzes zu sein – aber er war nicht allein auf diesem Schiff. Etwas war an Bord gekommen. Etwas Fremdes, Bösartiges. Etwas, das ihn vernichten wollte.

»Tolle Aussichten!«, murrte Gucky, während er neben Munroe hertrippelte. Aber sie waren in einem Albtraum – was wollte er erwarten?

Munroe blieb abrupt stehen, nachdem er um eine Biegung geschritten war. Vor ihnen auf dem Gang lag ein Körper. Sie gingen langsam näher. Es war der Chefingenieur Froser Metscho, Munroes Chef. Er war ohne Zweifel tot. Doch Gucky glaubte nicht, dass Metscho beim Absturz ums Leben gekommen war. Seine Glieder waren seltsam verdreht, seine im Todeskampf erstarrte Miene zeigte Schmerz und Entsetzen. In seinem Bauch klaffte eine riesige, blutige Wunde, so als hätte ihm jemand etwas sehr Großes in den Magen gerammt und wieder herausgerissen. Der Körper lag in einer spiegelnden Blutlache. Ian Munroe ging an der Leiche vorbei, den Körper dicht an die Wand gepresst.

»Ich habe gehört, dass Metscho dich kurz vor deinem Unfall strafversetzt hat«, sagte Gucky im Plauderton, obwohl Munroe ihn nicht hörte. »Ich kann schon verstehen, dass du sauer auf ihn bist. Aber das hier ist wohl etwas zu viel des Guten, was?«

Munroes Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass er erschüttert war. Er hatte seinem Chef bestimmt nicht den Tod gewünscht. Er hätte ihn zwar gern nackt aus der FANTASY geworfen – ein sehr schönes Gedankenbild –, aber so etwas wünscht man dann doch niemandem. Gucky erinnerte sich daran, dass für Munroe das alles ringsum real war. Er wusste nicht, dass er träumte. Und da er Gucky nicht wahrnahm, würde es wohl dabei bleiben.

Sie ließen Metscho hinter sich zurück und gingen weiter den Gang entlang. Die Beleuchtung flackerte wieder unheilvoll, erstarb schließlich ganz. Dunkel wurde es dennoch nicht: An den Wänden erschienen leuchtende, grüne Zeichen – fremdartige Buchstaben oder Zeichnungen. Sie tauchten den Korridor in ein diffuses, kränkliches Licht.

Der Flur endete an einem Schott, das eine Handbreit aufstand. Munroe griff in den Spalt und zog die Tür auf. Ächzend glitt sie zur Seite, gab den Blick auf einen Hangar frei. In dessen Zentrum stand kein Beiboot, sondern eine kleinere Ausgabe der FANTASY, die nur noch ein Wrack war: Der Rumpf war an vielen Stellen verkohlt und ausgebrannt. Die linke Gondel, in der ein Teil des Linearantriebs saß, war verschwunden; an dieser Stelle gähnte nur noch ein verschmorter Stumpf. Der nach unten gekrümmte Bug, der dem Raumschiff in Guckys Augen das Aussehen eines traurigen Vogels verlieh, war eingedrückt.

Rund um das Schiffswrack verteilt, lagen weitere Leichen.

Munroe – und mit ihm Gucky – trat zögernd näher heran. Gucky erkannte Techniker und Ingenieure der FANTASY-Besatzung, vermutlich Kollegen von Munroe. Die Namen wusste Gucky bei den meisten nicht, aber er fand sie in Munroes Gedanken. Dicht beim Wrack, als hätte er es eben noch untersucht, lag Theo Jackson auf der Seite. Seine linke Hand umklammerte ein Multifunktionswerkzeug, die rechte hatte er vor sich gestreckt. Mit seinem eigenen Blut hatte er eine ähnliche Rune auf den Boden gemalt, wie sie an den Wänden des Schiffs aufgetaucht waren. Unter ihm hatte sich eine Blutlache ausgebreitet, deren Quelle in seiner Bauchwunde lag, die genauso aussah wie die von Metscho. Die anderen Toten wiesen vergleichbare Verletzungen auf: Rudi Heineken hing halb über einem Werkzeugkasten und starrte mit leerem Blick die Hangardecke an. Die zierliche Araya Nitpattanasai hatte eine Strebe der Landeschiene umfasst. Fast vor der zweiten Hangartür lag Frankie Bjarkisdottir. Eine lange, blutige Schleifspur zeigte, dass sie versucht hatte, aus dem Hangar zu entkommen, es aber nicht geschafft hatte. Auch sie hatte mit ihrem Blut etwas geschrieben – allerdings keine für Munroe und Gucky unverständliche Rune. In zittrigen Buchstaben stand neben ihr das Wort »Troll«.

Munroe starrte die Schrift verständnislos an. Gucky esperte seine Gedanken mühelos: Die Isländerin Bjarkisdottir hatte während der Arbeit manchmal von den seltsamen Legenden ihrer Heimat berichtet. Munroe und die anderen hatten sich gelegentlich darüber lustig gemacht, dass in einer Technikerin wie Bjarkisdottir der Glaube an Huldufólk – verborgene Wesen oder Elfen – so fest verwurzelt war. Aber sie ließ sich nicht davon beirren und erzählte weiter über die Seemonster Skrimsli, die unheimlichen Geister Afturganga, die Elfen und eben auch die Trolle. Jene Wesen sollten sich in Steine verwandeln, wenn sie ins Sonnenlicht gerieten. Laut Bjarkisdottir waren es zornige und gefährliche Gesellen.

»Wie sollte ein Troll hierherkommen, Frankie?«, fragte Munroe. Er erhielt keine Antwort, obwohl das in diesem seltsamen Traum durchaus im Bereich des Möglichen gewesen wäre, sinnierte Gucky.

Munroe verließ den Hangar durch das zweite Personenschott. »Ich muss hier raus«, murmelte er.

»Da gebe ich dir recht«, kommentierte Gucky. »Aber es würde mich wundern, wenn es dir gelingt. In Träumen funktioniert so etwas nie.«

Munroe wurde immer hastiger, während er von Gang zu Gang eilte. Jeder türlose Korridor schien in einem weiteren solchen Flur zu münden, es war der reinste Irrgarten. Schließlich entdeckte Munroe hinter einer Biegung ein offen stehendes Schleusenschott. Dahinter waren Pflanzen zu erkennen, Ranken und braunes, aufgewühltes Erdreich. Erleichtert lief er darauf zu. Gucky blieb stehen – er war skeptisch, was diese Wendung anging. Und er hatte recht damit: Munroe hatte das Schott fast erreicht, als das Grünzeug hinter der Öffnung zu wuchern begann. Ranken schlängelten sich wie Tentakel durch die Tür und auf Munroe zu. Der stoppte überrascht und wich nach hinten. Die Pflanzen wuchsen weiter und quollen in das Raumschiff herein. Munroe drehte sich um und rannte den Gang zurück.

Gucky lief ihm hinterher. »Wusste ich's doch«, schimpfte der Mausbiber. »Trau keiner Pflanze, außer Möhren!«

Nach einer Weile blieb Munroe atemlos stehen und stützte die Hände auf den Knien ab. Gucky sah sich um. Hinter ihnen krochen die ersten grünen Ranken-Tentakel um die Ecke. »Das wird nix mit einer Verschnaufpause, Junge«, konstatierte der Ilt.

Munroe bemerkte die Pflanzen und eilte weiter durch das Labyrinth der Gänge. Endlich tauchte eine Tür an der Seite auf. Munroe riss sie auf, und Gucky konnte gerade noch mit ihm hindurchschlüpfen, ehe der Techniker sie wieder zuwarf.

Sie standen in der Messe, die eher wie eine altmodische Bar aussah. Der Boden war mit Holzdielen verkleidet, die kleinen, runden Tische waren mit weißen Tischdecken belegt. An der Theke, hinter der ein Roboter-Barkeeper Gläser putzte, saß Nadine Baya in einem hellroten Abendkleid, das sie opulent ausfüllte.

»Nadine!« Munroe lief auf sie zu. »Wir müssen hier verschwinden, so schnell wie möglich.«

Baya drehte sich zu ihm um und lehnte sich lässig mit den Ellbogen auf die Theke. In der Hand hielt sie ein Whiskyglas. »Hab das Zeug doch mal probiert«, rief sie fröhlich. »Slàinte, Munroe!«

»Hörst du nicht? Wir müssen hier weg.« Munroe stierte nervös zur Tür, ob die Pflanzenranken vielleicht durch den schmalen Spalt am Boden dringen würden.

Baya trank den Whisky aus. »Du hast es kapiert, Munroe. Wir haben hier nichts verloren. Aber leider – zu spät!«

Das Whiskyglas fiel aus ihrer Hand und zersprang auf dem Boden in tausend Scherben. Es war ein Geräusch, als berste ein ganzes Haus – ein Geräusch, das Gucky von den Schnurrhaaren bis zur Schwanzspitze elektrisierte. Nadine Baya reckte die Arme in die Luft. Der hellrote Samtstoff ihres Kleids verfärbte sich an ihrem Bauch dunkelrot. Von innen stieß etwas dagegen. Gucky fühlte sich an einen alten irdischen Horrorfilm erinnert.

»Nadine, was hast du?«, rief Munroe entsetzt. Er fing sie auf, als sie zu Boden stürzte.

»Er kommt!«, warnte die Multitechnikerin krächzend. Der Stoff ihres Kleids riss, und aus ihr heraus sprang ein Stein.

»Der Troll!«, erschrak Munroe.

Der Stein, der über und über mit Runen bedeckt war, schrie in Zorn und Agonie. Und er begann zu wachsen.

Wenn das ein Troll ist, dann ein äußerst übel gelaunter, dachte Gucky entsetzt.

Der Stein wuchs immer weiter, während Munroe mit Baya in den Armen rückwärts von ihm fortkroch. Bald würde der Stein den ganzen Raum ausfüllen. Der Schrei war ohrenbetäubend. Gucky dachte, ihm müsse gleich die Schädeldecke wegfliegen.

Ich muss aufwachen. Der Mausbiber schenkte Ian Munroe einen bedauernden Blick. Tut mir leid für dich, Kumpel, aber ich kann dich nicht mitnehmen. Das ist immer noch dein Albtraum.

Dann öffnete Gucky die Augen.

Perry Rhodan Neo Paket 22

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